Walgret - Die Waffen der Götter (Autor: Florian Wendland; Genre: Fantasy)
 
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Leseprobe: Walgret - Die Waffen der Götter

Walgret - Die Waffen der Götter

Autor: Florian Wendland

Homepage: http://www.florianwendland.de

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Leseprobe:

Hilfe gesucht

Aht! Aht!«, hörte Aht den kleinen Jungen schon von weit her schreien. »Aht, ich habe große Neuigkeiten für Euch!«, brüllte der Kleine und rannte an allen Holzhäusern der Gelbaugensiedlung vorbei, geradewegs zum Haus seines Lehrers und Adoptivvaters. Viele neugierige Zwerge steckten die Köpfe aus den Fenstern und blickten fragend auf den rufenden Jungen. Als der Name Ahts jedoch an ihre Ohren kam, erstarb die Neugier. Die Fenster wurden geschlossen und sie kümmerten sich wieder um ihre eigenen Sorgen. Aht war nicht der beliebteste Zwerg in der Siedlung; wahrscheinlich lag es daran, dass er bei vielen verschuldet war und es auch sonst mied unter die Leute zu kommen.

Der Zwergenjunge Nehund stieß mit strahlendem Gesicht die kleine Tür auf. Aht, der gerade seine Füße in ein herrlich heißes Fußbad stecken wollte, sprang erschrocken auf und stieß die Schüssel um. Wasser ergoss sich über den Fußboden. Aht stand mit ernster Mine im Raum und blickte seinen Sohn tadelnd an.

»Warum schreist du so laut, Junge? Vor Schreck habe ich mein Fußbad verkippt!«

»Es tut mir Leid, Vater, aber es gibt wichtige Neuigkeiten, die Euch gefallen werden«, sagte Nehund voll sprudelnder Euphorie.

Aht konnte die Freude seines Sohnes nicht teilen, so sehr er es auch wollte. Zu groß waren seine Schulden angewachsen und zu tief stand sein Ansehen in den Zwergensiedlungen. Sein letzter Auftrag lag ganze neun Jahre zurück. Noch dazu starb der Auftraggeber während seiner Abwesenheit, so dass ihm die letzte Hälfte des versprochenen Honorars nicht zuteil kam.

»Erzähl schon, was sind das für große Neuigkeiten von denen du sprichst?« Er nahm ein Stofftuch von der Wand und begann seine nassen Füße abzutrocknen.

Nehund zog den Sessel seines Vaters heran und bat ihn, sich zu setzen. Dann begann er mit der Geschichte, die der Zauberer Sant aus dem Land der Großen ihm mitgeteilt hatte.

»Ich habe seine Brieftaube gesehen und sie erkannte mich. Ich nahm ihr den Zettel ab und schickte sie zurück.« Nehund kramte in seiner Tasche und holte den Zettel hervor. »Hier ist er!«

Aht nahm ihn an sich und begann zu lesen:

Ich grüße Euch, mein Freund. Es wird Zeit, dass wir uns wiedersehen und Euer Leid beenden!

Kaum einen Augenblick, nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, packte er seine Sachen und sattelte das Pony. Mit den Worten: »Du hast jetzt die Verantwortung für das Haus. Ich werde morgen wieder zurück sein«, verabschiedete er sich und ritt zum Doub, die Meerenge, die die Zwergeninsel vom Land der Großen trennte, wie die Zwerge sie zu nennen pflegten. Er ritt den ganzen Nachmittag und als er das Haus des Zauberers erreichte, war es bereits frühe Nacht.

Er klopfte an die Tür und trat ein. Das Haus roch wie damals, als er es zuletzt betreten hatte.

Schon immer hatte er den Geruch von seltenen Pflanzen und magischen Tränken geliebt. Der Zauberer saß an dem großen Eichentisch und sprach mit einem dicken Mann, dessen Haar sich bereits zu lichten begann. Der Tisch war mit dem edelsten Service gedeckt, das Sant im Laufe seines langen Lebens hatte sammeln können.

»Mein Freund!« Sant erhob sich und gab dem Zwerg seine Hand. Er trug ein dunkelblaues Gewand mit goldenen Nähten.

»Ich freue mich, Euch wiederzusehen, treuer Sant. Es ist lange her«, antwortete Aht mit der gleichen freudeerfüllten Stimme, mit der der Zauberer auch ihn begrüßt hatte.

Sant wies ihn zu einem Stuhl. »Sehr lange, mehr als fünf Jahre.«

 

Ein schrilles Pfeifen ertönte aus der Küche. »Der Tee! Wartet einen Augenblick!« Dann verschwand er und kehrte mit einem dampfenden Kessel zurück. »Durst?«, fragte er und beide Gäste nickten eifrig. »Ihr werdet diesen Tee mögen. Ich brachte ihn von meiner langjährigen Reise mit.«

Er goss den nach Moos duftenden Tee ein und stellte die Kanne auf einen silbernen Untersetzer.

»Wieso wart Ihr so lange außer Haus? Meint Ihr nicht, dass Ihr einige Geschichten zu erzählen habt?«

Jeder Zwerg - und ganz besonders Aht, als einer der letzten Zwergenabenteurer - liebt gute Geschichten. In einigen Zwergenkolonien fanden sogar Wettkämpfe statt, wer sich am schnellsten die besten Geschichten ausdenken konnte.

»Nicht jetzt, mein lieber Aht. Mein verzweifelter Freund zu meiner Rechten wird Euch eine Geschichte erzählen, die Euch sehr gelegen kommen wird.« Dann wandte sich der Zauberer dem Fremden zu. »Erzählt ihm die Geschichte, Nod!«

Der Dicke drehte sich zu Aht und sah ihm zum ersten Mal in die Augen. Tiefe, schwere Augenringe, die nur von Trauer herrühren konnten, verunstalteten das Gesicht des Dicken.

»Seid gegrüßt, Aht. Mein Name ist Nod Belfort. Ich komme aus Worged, wo ich einen der größten und schönsten Kaufläden besitze. Leider treibt mich mein Beruf immerzu auf Handelsreisen und als ich vor einigen Tagen von eben einer solchen Reise zurückkam, da...«

Nod erzählte dem Zwerg die ganze Geschichte. Von der Entführung seiner Tochter Jara, der Versenkung des Schiffes und der Flucht der Schergen.

»...jeder Abenteurer versagte mir die Bitte, meine Tochter aus den Klauen des ungnädigen Eroberers zurückzuholen und ich selbst habe nicht das nötige Geschick mit der Waffe, um die Verfolgung aufzunehmen. Doch als Sant unsere Stadt durchquerte und mich antraf, da berichtete er mir von Euch. Nur um Euch diese Frage zu stellen, nahm ich trotz meiner großen Trauer den Weg hierher auf. Werdet Ihr Euch auf die Suche nach meiner Tochter begeben?«

Aht lehnte sich, in den für ihn viel zu großen Holzstuhl, zurück und strich sich mit dem Zeigefinger und dem Daumen über seinen kurzen Bart. Es war die Geste des Nachdenkens vieler Zwerge, sofern sie einen Bart besaßen, der zu diesem Zweck lang genug war.

Stille trat erstmals seit Ahts Erscheinen in Sants kleinem Haus ein. Der Zauberer beobachtete den Zwerg und Nod blickte traurig auf den emporsteigenden, gräulichen Dampf des Teekessels.

Lange Zeit saßen alle drei schweigend am Tisch. Den König des Finsteren Landes herauszufordern hatte bis zu diesem Tage niemand gewagt - und alle wussten auch, warum.

Nach schier unglaublich langer Zeit der Stille, ergriff Aht das Wort: »Ich werde Eurer Bitte nachgehen, Nod Belfort. Ich weiß jedoch, dass diese Reise leicht eine Reise ins Jenseits werden kann und da ich Gehilfen anheuern muss, kostet es etwas mehr als ein gewöhnlicher Auftrag: 100 Goldtaler! Alles im Voraus.«

Einen Augenblick lang dachte Aht, der Kaufmann würde ihn verfluchen und das Haus spottend verlassen, aber dem war nicht so. Nod suchte den Blick des Zauberers, der leicht, kaum merklich unter seinem großen, spitzen Hut nickte.

»Nun gut, Abenteurer«, sagte er mit fester, entschlossener aber trauriger Stimme, »Ihr sollt Euer Entgelt erhalten.« Er kramte in seinem Beutel und zählte schnell die Münzen ab. Er steckte sie in einen kleinen Sack und warf ihn Aht vor die Nase. Dann erhob er sich und ging zur Tür. »Wenn Ihr nichts dagegen habt, werde ich nun zurück nach Worged reiten. Meine Trauer ist zu groß, als dass ich noch eine Minute länger entfernt vom Grab meiner Frau sein könnte. Ich brauche ihr Nähe, auch, wenn ihre Hände bestimmt schon kalt und steif sind, doch es sind die einzigen Hände, die mich jetzt trösten können. Danke für Eure Gastfreundschaft, Sant und für Euch viel Glück, tapferer Abenteurer. Auf das Euch Nanx gnädig sein wird.« Mit traurigen Augen blickte sich der Kaufmann nochmals um und verließ gesenkten Hauptes das Haus Sants.

 

»Das hoffe ich auch!«, sagte Aht zu sich selbst als die Tür ins Schloss fiel und die sich entfernenden Geräusche eines galoppierenden Pferdes ins Haus drangen.

Und dann plötzlich ein Schrei! Ein wütender Schrei, der aus dem verzweifelten Herz eines Menschen kam. Sekunden später waren die Hufschläge und auch der Schrei verschwunden.

»Ich wusste, dass Ihr annehmen werdet. Doch gebt Obacht, es wird kein Kinderspiel sein, bis zur Grenze des Finsteren Landes zu kommen. Walgret lebt noch immer in Anarchie. Seit der König tot ist und das Elbenland von Arbot, dem Eroberer, unterjocht wurde, herrscht Hass in den Herzen der meisten Menschen. Glaubt mir, ich durchquerte erst vor wenigen Tagen das Land. Ihr habt Recht damit getan, Gefolgsleute anheuern zu wollen. Die Frage ist nur, ob sich jemand Euch anschließen wird, der bereit ist, ins Finstere Land zu gehen.«

Aht goss sich Tee nach und trank ihn schnell aus. Er achtete nicht auf die Schmerzen, die der heiße Tee in seinem Hals hinterließ. Die kommende Reise würde ihm noch qualvollere Schmerzen bescheren. Auch über die musste er Herr bleiben, sonst wäre diese Reise schon jetzt ein sinnloses Unterfangen.

Er schüttelte sich kurz und sah dann Sant fest an. »Mein Freund, werdet Ihr mich begleiten und dieses Abenteuer mit mir meistern?«

»Aht, ich weiß Euer Angebot zu schätzen, doch diese Reise werdet Ihr ohne mich machen müssen. Gerade gestern kam ich von einer knapp fünfjährigen Schlacht gegen den Schwarzmagier in meine Heimatwelt zurück. Die Weißmagiere kämpften gegen den Schrecken, der schon zu lange sein Unwesen trieb. Mit vereinten Kräften bezwangen wir ihn schließlich und schickten ihn in die Verbannung. Es war ein harter Kampf, bei dem viele Zauberer ihre Kraft verloren haben. Mich traf dieses schlimme Schicksal ebenso. Jene Gabe, die mich zu dem machte, was ich war, hat sich von mir abgewendet. Es wird einige Zeit dauern, mich von diesen Anstrengungen zu erholen. Bis zu jenem Tag bin ich nichts weiter als ein alter Mann. Bei Rhodes, ich kann nicht mal ein Schwert richtig in der Hand halten. Ihr seid besser daran, einen fähigeren Schwertkämpfer zu suchen.«

»Das zu hören, mein Freund, tut mir in der Seele weh. Gibt es etwas, was ich für Euch tun kann?«

»Überlebt die Reise und bringt das Mädchen gesund und munter ihrem Vater zurück. Und jetzt geht, schnell! Ihr müsst Euch eilen, ehe alle Spuren verwischt sind«, endete der Zauberer.

Aht nickte. Er stand auf und band sich das Münzsäckchen um das Handgelenk. »Wünscht mir Glück, auf dass wir in nicht allzu ferner Zeit über unser beider Abenteuer sprechen können.«

»Möge Nanx Euch das Glück zukommen lassen, das Ihr benötigt, guter Aht. Auf ein baldiges, gesundes Wiedersehen.«

»Auf ein gesundes Wiedersehen«, wiederholte Aht und kehrte dem Zauberer den Rücken.

Er stieg auf sein Pony und ritt der Zwergeninsel Tranava entgegen. Die Hufe seines Ponys trabten die ganze Nacht hindurch auf den Boden und er erreichte in den frühen Morgenstunden, als die Sonne gerade über dem Graugebirge aufging, die Siedlung der Gelbaugenzwerge. Als er sein Heim erreichte, hing ein weißes Stück Papier mit krakeliger Kinderschrift darauf, an der Tür:

Geehrter Vater!

Als Ihr in der tiefen Nacht noch nicht nach Hause kamt, hielt Jolander es für richtig, mich mit zu ihr zu nehmen.

Gut, so kann ich wenigstens in Ruhe meine Vorbereitungen treffen und mich um den Jungen zu guter Letzt kümmern, dachte Aht. Nach einem kurzen Frühstück sattelte er sein zweites Pony und nahm das Münzsäckchen in die Hand.

Auf dem Markt herrschte wie jeden Morgen reges Durcheinander. Zwerge waren hervorragende Händler - und gutes, faires Feilschen war jederzeit willkommen. Außerdem verband ein Gefühl der Geborgenheit die meisten Zwerge mit ihrem Geburtsort. In den wenigsten Fällen verließen sie diesen für längere Zeit. Aht war das genaue Gegenteil. Er war die berühmte Ausnahme, welche die Regel bestätigte.

Nach und nach klapperte Aht die Stände seiner Gläubiger ab und beglich seine Schulden.

Noch dazu besorgte er notwendige Utensilien für seine Reise: Proviant, Seile, Fackeln, Decken und Pfeile. Beim Schmied ließ er sein Schwert schleifen, dann kehrte er in sein Haus zurück und zählte die verbliebenen Münzen. 43 Goldtaler funkelten auf seinem Tisch. Genug, um zwei oder drei Männer anzuwerben und Nehunds Versorgung zu garantieren. Jolander würde ihn ganz bestimmt so lange zu sich nehmen, bis er wieder zurück wäre.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Schnell ließ Aht die Münzen wieder im Beutel verschwinden und öffnete. Garell, sein einziger Bruder stand vor ihm. Aht ließ ihn eintreten und bot ihm einen Stuhl und zu Trinken an.

»Aht, mir ist nicht nach Feiern. Ich wollte mit dir reden«, sagte er ernst.

»Was hast du, Bruder? Warum dieses ernste Gesicht? Es hat doch nicht geregnet. Bei solchem Sonnenschein wie heute muss man froh dem Abend entgegensehen.«

»Ich habe mitbekommen, dass du deine gesamten Schulden auf dem Markt beglichen hast.« Garell blickte ihm betrübt in die gelbgoldenen Zwergenaugen. »Das kann nur bedeuten, dass du wieder einen Auftrag angenommen hast?«

Aht nickte. »Und du brauchst nicht versuchen, mich davon abzuhalten. Einen solch anspruchsvollen Auftrag werde ich nie wieder bekommen.« Genau wie am Vortag die Stimme seines Sohnes voller Begeisterung war, so war es jetzt die seinige. »Es geht in das Finstere Land. Ein Streifzug in die Dunkle Festung des Eroberers Arbot.«

»Du hast Recht«, sprach Garell leise und traurig, »einen solchen Auftrag wirst du nie wieder erhalten, weil du auf dieser Reise dein Leben verlieren wirst. Solltest du je vorgehabt haben, zu sehen wie dein Sohn erwachsen wird, dann vergiss diesen Auftrag.«

»Ich habe keinen Sohn mehr und ablehnen werde ich diesen Auftrag niemals. Meine Bestimmung ist es, durch die Lande zu ziehen und Gefahren in die Augen zu blicken. Genauso wie du mit Freude zur Hirschjagd gehst, zieht es mich eben hinaus zu den Abenteuern dieses Lebens. Weder du, noch irgend ein anderer auf dieser Welt hat die Macht, mich davon abzuhalten. Hier drinnen«,

Aht schlug sich mit der Faust zweimal auf die Brust, »ist etwas, das ein unbändiges Verlangen nach weiten Reisen hat und dem kann ich nicht widerstehen.«

»Wenn das so ist, dann hoffe ich, dass Nanx mit dir sein wird«, sagte Garell und holte einen silbernen Dolch aus seiner Manteltasche. Auf dem Griff war der Lebensgott Baleen kunstvoll eingraviert. »Nimm den Dolch! Ich fand ihn letzte Woche im Wald.«

Aht nahm ihn mit offenem Mund an sich. »Garell, den habe ich als junger Zwergenbursche verloren. Ich dachte, er wäre mir gestohlen worden.« Alte Erinnerungen stiegen in ihm auf als er sich den Dolch umhängte. Daran, dass er sich mit seinem schlimmsten Rivalen prügelte, weil Aht ihn des Diebstahls bezichtigt hatte. Langsam ließ er seine Hand über die alte Klinge gleiten. Garell musste das Silber während der Woche auf Hochglanz poliert haben. Die stumpfe Klinge sollte bald wieder so scharf wie in Ahts Jugend sein.

»Ich hoffe, er bringt dir das nötige Glück.«

»Das wird er«, antwortete Aht und wischte sich Tränen der Freude aus den Augenwinkeln.

»Tu mir bitte einen Gefallen«, Garell machte Anstalten seinen Bruder zu verlassen, »komm gesund wieder. Ich habe es dir als älterer Bruder niemals gesagt aber ich liebe dich, mein Kleiner.«

Er öffnete die Tür.

»Garell«, sagte Aht und legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter, »wenn ich wieder zurück bin, lassen wir die jungen Tage unseres Lebens wieder aufblühen und gehen zur Jagd.«

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Erstellt: 27.04.2005, zuletzt aktualisiert: 08.01.2015 00:14, 93