Weltenträumer (Autor: Sergej Lukianenko)
 
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Weltenträumer von Sergej Lukianenko

Rezension von Carina Schöning

 

Mit „Weltenträumer“ setzt der russische Bestseller-Autor Sergej Lukianenko seinen Zweiteiler über den ehemaligen Computerverkäufer Kirill Maximov fort. Die Handlung spielt nur wenige Tage nach den Geschehnissen im Vorgänger „Weltengänger“.

 

Vor kurzer Zeit musste Kirill entsetzt feststellen, dass scheinbar sein ganzes Leben ausgelöscht worden ist. Weder seine langjährigen Freunden noch seine Arbeitskollegen haben ihn wieder erkannt und auch Personalpapiere und Akten sind irgendwie verschwunden. Erst nach und nach findet er heraus, was mit ihm wirklich passiert ist: er wurde in ein Zöllner-Funktional verwandelt. Zwar ist er ab diesen Augenblick an seine „Zollstelle“, einen alten Wasserturm in der Nähe der Metrostation Alexejewskaja gebunden, aber ein verbesserter Gesundheitszustand, jede Menge Fachwissen und dazu eine einträgliche Einnahmequelle von Steuern und Zöllen sind die positiven Aspekte seiner neuen Existenz.

Kirill kann sich damit aber nicht abfinden und beginnt nach Sinn und Zweck des Ganzen zu forschen. Er stößt auf einen unheimlichen Masterplan und löst sich letztendlich aus Frust und Enttäuschung von seiner Funktion.

 

Nun ist Kirill in „Weltenträumer“ auf der Flucht. Der Mord an dem Hebammen-Funktional und den angesehnen Kurator Kotja ist nicht ohne Folgen geblieben. Anscheinend sind Soldaten aus der Parallelwelt Arkan nach Erde 2 gereist und verfolgen ihn nun. Auf einer Bahnhofstation in der Ukraine Richtung Charkow kann er ihnen nur mit viel Glück entkommen. Seine Geschichte kennt dank der Tageszeitung der Funktionalen mittlerweile jeder, dennoch erhofft sich Kirill Hilfe von der Schmiedin und Zöllner-Funktional Wassilissa. Sie will sich jedoch auch nicht mit den Funktionalen anlegen und kann ihm nur eine Fluchtmöglichkeit durch die Parallelwelt Janus anbieten. Dort herrscht zurzeit Winter und halb erfroren kommt Kirill wieder auf Erde 2 an. Mitten in der polnischen Stadt Elblag läuft er dann von der Zollstelle direkt in die Arme des tot geglaubten Kurators Kotja. Doch statt Kirill nachtragend zu sein, bietet er ihm eine neue Chance an.

Nach langer Dienstzeit hat auch Kotja mittlerweile genug von seiner Funktion und versucht gegen das System zu rebellieren. Kirill soll als Vermittler in die religiös geprägte Welt Feste reisen und eventuelle Verbündete im Kampf gegen die Funktionalen suchen.

 

„Weltenträumer“ ist wie der Vorgänger eine interessante Mischung aus verschiedenen Science Fiction und Fantasy-Themen mit einer guten Portion moderner Gesellschaftskritik. Wer jedoch „Weltengänger“ oder den wesentlich besseren Roman „Spektrum“ kennt, wird wahrscheinlich von Lukianenkos neuestem Werk eher enttäuscht sein. Obwohl sich die Zutaten nicht verändert haben, sind Mischung und Ausarbeitung hier nicht ganz so gelungen. Die Handlung verläuft dabei gewohnt episodenhaft und der sympathische Mittelschicht-Loser Kirill stolpert von der einen Parallelwelt in die Nächste. Diese sind zwar sehr interessant beschrieben und abwechslungsreich gestaltet, aber Kirills Reise wirkt doch insgesamt etwas planlos und spannungsarm. Die Ereignisse werden zum Teil zu schnell und lieblos abgehandelt. Hinzu kommt der komische und unsinnige Aspekt, dass Kirill zwar seine Fähigkeiten als Zöllner-Funktional im ersten Teil verloren hat, aber in brenzligen Situationen genau durch diese wieder gerettet wird?

Leider wird auch das Potenzial von Handlung und Szenario nicht immer voll ausgenutzt. So wartet man als Leser z.B. vergebens auf das Eingreifen des mächtigen Kurators Kotja und kann über einige Reaktionen von Kirill nur den Kopf schütteln. Zum Schluss wird das Ganze immer verworrener. Statt alle offenen Fragen zu den Funktionalen und ihrer geheimnisvollen Zwei-Klassen-Gesellschaft zu beantworten und den Zweiteiler sinnvoll zu beenden, werden neue Fragen aufgeworfen und das Hintertürchen für eine weitere Fortsetzung offen gelassen. Ohne viel verraten zu wollen, fällt der Schluss doch sehr unbefriedigend aus und man hat teilweise den Eindruck, dass das letzte Drittel des Romans nur möglichst schnell und lieblos herunter geschrieben wurde.

Sprache und Erzählstil sind dabei gewohnt locker und leicht verständlich gehalten. Obwohl das sicherlich Geschmackssache ist. Viele Leser können mit der sehr ausschweifenden und detaillierten Erzählweise des russischen Autors nicht viel anfangen. Abseits der schwachen Handlung erzählt er hier und da über Kleinigkeiten im Alltag oder diskutiert ausführlich über die verschiedensten Themen wie Freundschaft, Liebe, Lebenssinn, Schicksal etc. Auch sein bekannter Humor kommt zum Glück nicht zu kurz und so werden z.B. in der religiös geprägten Welt Feste kleine und putzige Yorkshire-Terrier zu gefährlichen Kampfhunden ausgebildet.

 

Insgesamt jedoch fällt „Weltenträumer“ im Vergleich zum Vorgänger „Weltengänger“ qualitativ ab. Der mittelmäßige Science Fiction Roman kann trotz einiger spannender Momente und Ideen nicht wirklich überzeugen und ist daher nur Kennern und Fans des ersten Teils zu empfehlen.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425104930eb09cc72
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Weltenträumer

Autor: Sergej Lukianenko

Deutsche Erstausgabe 2008

Russische Originalausgabe 2008

Übersetzung Christiane Pöhlmann

Heyne Verlag

Paperback, 493 Seiten

ISBN 978-3-453-52460-6

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 21.08.2008, zuletzt aktualisiert: 22.04.2024 09:04, 7141