Wenn der Postmann zweimal klingelt von James M. Caine
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Frank ist ein Rumtreiber. Ein zwielichtiger Tunichtgut, der während der Post-Depression der Vereinigten Staaten in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts jeden Job annimmt, den ihm das Schicksal vor die Füße wirft. Nach drei Wochen im mexikanischen Tia Juana sowie einer kurzen, weil vorzeitig beendeten Fahrt mit dem Heuwagen findet sich Frank irgendwo in Südkalifornien wieder – genauer gesagt vor dem Twin Oaks, einer kleinen, unscheinbaren Gaststätte, welche von dem Griechen Nick Papadakis und seiner Frau betrieben wird. Trotz leerer Geldbörse versucht Frank bei dem naiven Besitzer seine fragwürdige Tour, die in einem Gratis-Essen sowie einer Anstellung in Nicks angeschlossener Tankstelle mündet. Aber natürlich gibt sich Frank mit einem erneuten Hilfsarbeiterjob nicht zufrieden. Diktiert von seiner eigenen Gier, plant er im Stillen seinen Gönner gewissenlos über den Tisch zu ziehen – freilich mit Hilfe von unerwarteter Seite. Denn als Frank zum ersten Mal einen Blick auf Nicks attraktive Frau werfen kann, ist es um ihn geschehen – und umgekehrt. Wenngleich sich die Schönheit aus Iowa namens Cora zu Beginn gegen Franks offensive Annäherungsversuche wehrt. Doch letztlich beginnen die beiden eine gleichermaßen leidenschaftliche wie schmerzhafte Affäre, aus der Frank die Erkenntnis ziehen kann, dass Cora in derselben Weise eine Gefangene ihrer eigenen Gefühle wie ihres Ehegelöbnisses ist. Aber je mehr sie von Frank auf seine Seite gezogen wird, desto leichter fällt es ihr, die vorgegebenen Ketten abzustreifen. Schließlich schmieden die beiden ein tödliches Komplott gegen Nick …
Nach all den modernen Romanen, die bislang in der Thriller-Sparte des Festa-Verlags erschienen sind, wirkt Wenn der Postmann zweimal klingelt zunächst ein wenig fehl am Platz – schließlich schrieb James M. Caine den Roman bereits vor achtzig Jahren. Doch spätestens nach dem ersten Kapitel wird man eines Besseren belehrt. Caine gelingt es, mit wenigen Worten eine unglaublich intensive Atmosphäre zu erschaffen. Bei ihm gibt es kein langes Herumsülzen; er kommt stets auf direktem Wege zum Kern der Sache. Verständlich also, warum dieses Werk konstant die Spitzenlisten der besten Thriller und Krimis belegt und bereits sagenhafte fünfmal (!) verfilmt wurde, wobei Bob Rafelsons Adaption aus dem Jahr 1981 mit Jack Nicholson und
Jessica Lange wohl den meisten geläufig sein dürfte. Aber Caines Roman ist weit mehr als nur zeitlos gut. Er ist eine verdammt aussagekräftige Geschichtsstunde, wenn man Caines Prosa etwa mit dem Stil eines Robert Bloch oder Donald E. Westlake vergleicht. Oder auch mit den Arbeiten von Jack Ketchum und Richard Laymon. Ganz gleich, ob es sich dabei nun um Psycho oder Beutezeit handelt – samt und sonders kann man dort Caines Echo vernehmen. Zugegeben, heutzutage mögen diverse Handlungsabläufe – besonders die Polizeiarbeit – unfreiwillig komisch erscheinen, doch nicht mal diese Marginalien können dem rauchigen Lesegenuss einen Abbruch bereiten; zu sehr ist man von der Intensität des Romans eingenommen. Wobei sich ganz gewiss auch Michael Weh mitverantwortlich zeichnet, der das Buch neu übersetzt hat. Und wem danach – verständlicherweise – der Sinn nach mehr Noir und Hardboiled steht, für den hat der wie immer brillante Christian Endres das entsprechende, sehr ausführliche und hoch interessante Essay parat.
Fazit:
Heiß, packend, rasant, intensiv, mörderisch – auch acht Jahrzehnte nach seiner Erstveröffentlichung kann sich James M. Caines »Wenn der Postmann zweimal klingelt« mit den gegenwärtigen Thriller- und Krimi-Giganten messen. Ein grandioses, zeitloses Meisterwerk, welches mit den Jahren nur gereift ist. Pflichtprogramm für Crime-Freunde!
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