Zombie Zone Germany: Elegie (Autor: Janika Rehak)
 
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Zombie Zone Germany: Elegie von Janika Rehak

Rezension von Yvonne Tunnat

 

Elegie ist der erste Roman, aber das 12. Buch in der Reihe Zombie Zone Germany

Das andere sind Novellen oder Anthologien.

 

Die Vorgabe für alle Bände der Reihe lautete: Eine Zombieseuche bricht aus, Deutschland wird eingemauert und wer nicht rechtzeitig rauskommt, muss drin bleiben. Mit all den Zombies und den üblichen verdächtigen Nebenwirkungen der Gesetzeslosigkeit und der schwindenden Ressourcen.

 

Postapokalyptische Romane, egal ob mit oder ohne Zombies, mag ich vom Genre her sehr, was natürlich auch dazu führt, dass ich schon viel aus dem Bereich gelesen habe.

Wer mit so einem Roman bei mir punkten möchte, muss mindestens zwei der folgenden drei Bedingungen erfüllen:

1. mich sprachlich mitnehmen

2. interessante Figuren aufwarten

3. dem Thema Zombie und/oder Apokalypse einen interessanten Aspekt hinzufügen

»Elegie« erfüllt Punkt 1 und 2 voll und kann bei Punkt 3 immerhin im Ansatz etwas bieten. Hier bricht die Zombieseuche in Deutschland (Hamburg) aus und bleibt örtlich auf Deutschland begrenzt. Die anderen Länder schotten sich konsequent ab, helfen nicht, lassen niemanden hinein. Plus, die Maden nehmen einen hohen Stellenwert ein, was ausreichend ekelhaft ist, aber auch einen Detailgrusel hinzufügt, der für mich alleine schon ausreicht, den Roman interessant zu finden.

 

Doch wie in jedem guten Zombieroman geht es eigentlich nicht um Zombies. Es geht darum, was diese Extremsituation mit den Menschen macht, die übrig bleiben. Oftmals werden es Road Movies, jemand ist auf dem Weg irgendwohin. Dieser Aspekt wird hier nur in einer Nebenhandlung gestreift, die meisten Figuren bleiben die gesamte Zeit über in dem abgeschiedenen Herrenhaus, das auf dem Cover zu sehen ist.

 

Anfänglich sind es viele Figuren und nicht alle kann ich sofort zuordnen.

 

Yosh Maibach, 36 Jahre alt, Star-Pianist mit Flügel (kein Klavier!), ist der Hausherr. Die Figur wird sofort für mich greifbar, weil er erstens ausreichend plastische Probleme hat und ich auch auf bereits bekanntes zurückgreifen kann, das ihn als (etwas verpeilten) Musiker ausmacht. Seine jüngere Stiefschwester Kiyomi (20 Jahre) aus Japan lebt zufällig gerade bei ihm zu Hause als die Seuche ausbricht. Yoshs Ehefrau Fenja hingegen ist fern, vermutlich auch tot, und wird entsprechend von Yosh betrauert. Womöglich aufgrund der Extremsituation, aber vielleicht auch nicht nur deswegen, beginnen Yosh und Kiyomi eine Affäre, die auch in genau der richtigen Intensität geschildert wird. Beim Lesen erfahre ich Schlaglichter mit ausreichend Leerstellen für mich zum Füllen. Die beiden sind weder biologisch verwandt, noch sind sie gemeinsam aufgewachsen, aber haben irgendwie doch denselben Vater (der Vater trat so früh in Kiyomis Leben, dass er ihr sozialer Vater ist).

 

Bei einigen anderen Figuren brauche ich länger, bis ich sie zuordnen kann. Besonders im Kopf geblieben ist mir die todkranke Nicole, die aufgrund der Abgeschiedenheit und der fehlenden medizinischen Versorgung aus ihrer Sicht nur noch eine Option hat.

Der sehr subtil geschilderte Fiesling Simon, von seiner Familie ist nur noch eine seiner Töchter übrig, Izzie, ein sehr wortkarger Teenager, die aber dennoch sehr klar in dem ist, was sie will oder auch keinesfalls will.

 

Die Zombies sind allgegenwärtig und sorgen natürlich für das Setting, aber eine Hauptrolle spielen sie nicht. Sie dienen unter anderem dazu, Tod und Leben gegenüberzustellen, ein Motiv, das sich u. a. durch den Roman zieht, als ewige Dualität.

 

In der Luft lag ein sauer-scharfer Geruch. Kein guter, aber ein lebendiger Geruch.

Die Dinger da draußen rochen anders.

 

Der Geruch des Todes klebt auch gern mal an den Lebendigen und auch das Motiv des Geruchs durchflechtet den Roman und taucht immer wieder auf, mal implizit, mal auch sehr explizit.

Nicht nur beim Geruch wird der Unterschied zwischen Leben und Tod gezeigt, auch beispielsweise hier:

 

Schmerz war Leben. Leben war gut.

 

Schön fand ich auch:

 

Dort oben saß eine Fliege. Fliegen mochten Verwesungsgestank.

 

Beeindruckt war ich, als eben jene Fliege vier Seiten zuvor als Detail im Raum bereits eingeführt wird, das zeigt mir, wie gut die Autorin ihren Plot und ihre Szenen im Griff hat. Das ist mir wichtig, gerade wenn eine eher unkonventionelle Erzählart gewählt wird.

 

Etwas weniger direkt wird zum Beispiel der Geruch von Kiyomi eingeführt.

 

Ihr Atem roch nach Wein und Erdbeeren. Wie konnte sie nach alldem immer noch nach Erdbeeren riechen?

 

Dieser Geruch nach Erdbeeren begleitet Kiyomi übrigens recht nachhaltig. Ich vermute, bei einer zweiten Lektüre würde mir dazu allerhand einfallen, beim ersten Lesen war ich zu sehr auf die vordergründige Handlung, weniger auf das Zwischenzeilige fokussiert, jedenfalls größtenteils.

 

Mal hier, mal da wird in phantastischen Romanen versäumt, das Verwundertsein der Figuren ausreichend hervorzuheben, wenn etwas Unglaubliches geschieht. Oder man hält sich zu sehr damit auf, was die Handlung am entscheidenden Punkt zum Stillstand bringt. Dieser Roman ist nicht konventionell chronologisch erzählt und greift immer wieder auf Rückblenden zurück. Es wird die Szene geschildert, in der die Leute der Hausgemeinschaft, u. a. Yosh die Reportagen im Fernsehen anschauen, in denen der Beginn der Zombie-Seuche gezeigt wird. Kiyomi kommt dazu, sie hat ja auch noch die Sprachbarriere zu bewältigen.

 

»Ist das ein Film?«, fragte Kiyomi.

 

Genauso würde ich vermutlich ebenfalls reagieren.

Passend dazu wird mehrfach das Bild verwendet: Die Welt war zu einem Horrorfilm geworden.

 

Der Titel bezieht sich auf das unvollendete Stück, das Yosh für seine Frau Fenja begonnen hat. An Elegie macht sich einiges fest. Eigentlich zeigt Yosh unvollendete Stücke grundsätzlich niemandem, erst recht keinen wildfremden Personen. Hier lässt er es aber zu und das zeigt ihm, wie sehr sich die Welt verändert hat. Ein Detail nur, ein schräges dazu, aber eines, dass sehr gut zu Yoshs Charakter passt.

 

Kiyomi erhält später einen Rückblick, der sie als Person sehr plastisch macht. Ihr Verhältnis zu ihrem Vater macht sie für mich echt, sehr nachvollziehbar und sympathisch.

An einer Stelle sagt er in Kiyomis Beisein mehr zu ihrer Mutter:

 

»Yoshio ist brillant.«

In diesem Moment begriff Kiyomi, dass sie sich in diesem Leben nie wieder anzustrengen brauchte. Egal, was sie tat, egal, was sie versuchte, immer würde da dieser Junge sein, blass, brillant und so viel besser als sie.

Yosh wurde berühmt, Kiyomi wurde lediglich älter und sie ignorierte beides, so gut es ging.

 

Ein weiterer, sehr bemerkenswerter Moment ist, als Yosh Kiyomi gegenüber feststellt:

 

»Er hat uns beiden dasselbe Märchen erzählt.«

 

Hier wird eben doch trotz der fehlenden Blutsverwandtschaft ein Aspekt deutlich, der dem Inzest nahekommt, denn in der Regel schläft man nicht mit jemandem, der denselben Vater hatte. Ja, Kiyomi und Yosh kennen sich kaum, sind quasi Fremde, aber den Vater, den kennen sie beide, der hat beide geprägt.

Das Märchen spielt außerdem eine zentrale Rolle, das nehme ich jetzt aber mal nicht auseinander.

 

Später erfährt die Hausgemeinschaft durch Vero, die dort wieder eintrifft, was in Hamburg los war und sie und ihre beiden Gefährten überlebt haben. Hier kommt dann eine Beobachtung der Zombies, die in anderen Romanen eher implizit als explizit behandelt wird:

 

Die Toten wanderten ab. Sie hatten die Stadt praktisch leer gefressen, Totes traf nur noch auf Totes. Sie taten, was jedes Raubtier tat, wenn nichts mehr übrig war. Sie suchen einen neuen Futterplatz.

 

Das kommt mir bei anderen Romanen sogar oft zu kurz. Wieso sind Großstädte dort immer noch voller Zombies, auch Jahre nach dem Ausbruch, obwohl es da schon lange nichts mehr zu essen gibt?

 

Die Bühne für dieses Stück ist recht klein und bezieht sich auf das Herrenhaus und die Umgebung, wobei man später durch eine zurückkehrende Figur, Vero, mehr erfährt.

 

Mehrfach gesagt wird, dass es in Hamburg angefangen hatte. Plus, es hat mit den Maden zu tun. Das wird auch mehrfach betont und Maden spielen in einigen haarigen Szenen dann auch eine wimmelnde Rolle.

 

Durch Veros Erzählung erfahren wir, was an der Dänischen Grenze los ist:

 

Niemand verlässt Zombie-Deutschland.

 

Auf Seite 64 von 262 kommt eine ganz nette Zusammenfassung der dann gültigen »Besetzung« des Herrenhauses, da kann ich die Figuren aber schon besser auseinanderhalten:

 

Da wäre der psychisch labile Starpianist, seine kleine Schwester, mit der er nebenbei vögelt. Ein Teenager, der nicht redet, Simon, und der Psycho, den wir im Wald aufgesammelt haben.

 

Ich habe schon einigen von dem Roman erzählt, immerhin ist die Autorin in der SF-Szene keine Unbekannte mehr, seit ihre Kurzgeschichte Onkel Nate und die Kunst, aus dem Fenster zu sehen in diesem Jahr für den KLP und den DSFP nominiert wurde.

»Auf Zombie-Romane stehe ich aber nicht so«, kommt dann als Antwort.

Erstens: Echt nicht?

Zweitens: Es geht nicht um Zombies. Geht es in guten Zombie-Romanen (oder Serien) eigentlich nie. Es geht um die Menschen.

So auch hier. Die Zombies verändern selbstverständlich die Lebenswelt der Menschen, schränken die Optionen ein, verändern sie. Das Leben wird anders. Der Alltag kippt um.

Eine Figur wie Yosh habe ich in so einem Szenario noch nicht begleiten dürfen, das sind meist andere, viel zupackendere und pro-aktivere Charaktere.

Daher birgt dieser Roman für mich als Genre-Liebhaberin tatsächlich etwas Neues. Plus, er ist einfach gut geschrieben, besonders die sich wiederholenden und verstärkenden Motive sind gelungen.

Und die Figur des Simons ist super-gruselig, gerade weil sich das nur allmählich aufbaut.

Lese-Empfehlung!

 

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Buch:

Zombie Zone Germany: Elegie

Autorin: Janika Rehak

Herausgeberin: Claudia Rapp

Taschenbuch, 310 Seiten

Amrûn, 2021

Cover: Christian Günther

 

ISBN-10: 3958694691

ISBN-13: 978-3958694699

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B09M8RNDMG

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 06.07.2022, zuletzt aktualisiert: 09.02.2023 16:58, 20986