Zwei von ihnen (Autorin: Joanna Russ)
 
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Zwei von ihnen von Joanna Russ

Reihe:

Rezension von

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Irenee Waskiewiewicz floh einst im Jahre 1953 als Sechzehnjährige aus dem Mief der US-amerikanischen Moral zu einem Mann, der sie anders behandelte: Ernst Neumann.

Ernst ist aber kein normaler Mensch, sondern arbeitet für eine extratemporäre und auch extraterrestrische Behörde, dem Center.

Gemeinsam erledigen sie fortan Missionen.

 

Eine davon führt sie auf den Planeten Ka'abah. Die dortige Gesellschaft ist streng muslimisch. Man lebt unter der Erde, die Frauen abgeschottet in ihren Harims, darauf bedacht ihre Weiblichkeit zu entwickeln – eine Umschreibung dafür, ihren Ehemann zu dienen.

Irenee lernt dort die Frau ihres Gastgebers kennen Zumurrud und ihre Tochter Zubeida. Während Zumurrud von ihrem Mann mittels Medikamenten von aufrührerischen Gedanken abgehalten wird und stark depressiv erscheint, springt Zubeida noch voller Elan umher und will Dichterin werden. Doch genau das ist keine Zukunft, die auf Ka'abah für eine Frau voherbestimmt ist. Ihr Vater denkt schon darüber nach, wie er das Kind auf den richtigen Weg bringen kann.

 

Die verlogene patriarchalische Gesellschaft, ganz besonders aber Zubeida Selbstbewusstsein, erinnern Irenee an ihre eigene Jugend, an ihren Käfig. Sie will den Frauen dort helfen …

 

Joanna Russ entwirft in Zwei von ihnen mit wenigen Szenen eine deutlich muslimisch geprägte Gesellschaft. Irenee weist immer wieder auf die ihr seltsam und vor allem frauenfeindlich erscheinenden Sitten hin. Das wird recht deutlich in einer Filmdrehszene. Ein offensichtlich schwuler Filmstar spielt ein junges Mädchen, das von ihrem Liebhaber verfolgt wird. In der Pause flirtet er mit dem Bruder von Zubeida. Das Café und die Straße überhaupt sehen Frauen nur am Tag ihrer Hochzeit. Selbst die Liebesfilme, nach denen die Frauen dort schwärmen und Zukunftsträume entwickeln, sind komplett von Männern produziert.

Zynisch erscheint auch die beständige Erklärung, das sich männliches Wesen und weiblichen Wesen zu einem Ganzen ergänzen würden. Dabei wird der Frau aber stets die Schuld gegeben, wenn etwas schief läuft. Gehorcht sie ihrem Mann nicht, unterdrückt sie ihre weibliche Seite. Erzieht sie ihre Kinder nicht entsprechend der Regeln, schadet sie deren männlicher Seite. Russ spitzt das Sklavinnenleben der Frauen auf Ka'abah schmerzhaft zu.

 

Letztlich kann Irenee nur Zubeida mitnehmen. Bald erkennt sie durch das Mädchen, dass sie sich eigentlich die ganze Zeit immer noch in einem Käfig befindet. Sie ist die einzige Agentin des Center, weil Ernst das durchgedrückt hat. Sie ist das protegierte Liebchen, mehr nicht. Ohne Ernst bekommt sie nur einen Schreibtischjob, die echte Frauenarbeit eben.

Um sich auch innerlich von ihm zu lösen, muss sie auf ihn schießen. Sie erhoffte sich, bei ihm eine gleichberechtigte oder gar leitende Rolle als Frau zu spielen. Doch sie muss erkennen, dass das Center nichts weiter darstellt, als eine weitere von Männern beherrschte Domäne. Schlimmer noch, sie steht im Zentrum von Raum und Zeit.

 

Aber »Zwei von ihnen« endet mit einer positiven Vision. Aus den Knochen (der Geschichte oder der gescheiterten Frauen), aus dem Flüstern der verrückten Frauen, also jene, die für sich selbst einstanden und gegen die Männerherrschaft rebellierten, wächst langsam etwas.

 

Das Problem des Romans ist seine Sperrigkeit. Joanna Russ kennt keine Gnade mit ihren LeserInnen. Knallhart wird man in eine experimentell erscheinende Sprache geworfen. Ungewohnt ist der Präsenz, Erklärungen folgen sehr viel später. Alles wirkt zunächst wirr und verdreht. Bis man in den Plot der Geschichte und vor allem in Irenees Erkennen eintaucht, hat die Autorin weniger geduldige LeserInnen bereits verloren. Das ist schade, weil zum einen Irenees Konflikt ein eher untypisches SF-Thema darstellt und zum anderen die Auseinandersetzung mit einer diskriminierenden Gesellschaftsform aktuell wie nie ist.

 

Fazit:

»Zwei von ihnen« von Joanna Russ ist kein einfach zu lesender Science-Fiction Roman. Wer die hohe sprachliche Einstiegshürde überwindet, dringt in eine weibliche Wirklichkeit vor, die von Mauern und raffinierten Fesseln geprägt ist. Ein Ausbruch ist möglich, doch dafür benötigt es einen klaren Blick und Joanna Russ’ Griff an der Augenbinde ist brutal.

 

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Buch:

Zwei von ihnen

Original: Two of them, 1978

Autorin: Joanna Russ

Übersetzerin: Alexandra Bartoszko

Cover: Michael Hasted

Taschenbuch, 208 Seiten

Heyne, 1990

 

ISBN-10: 3453042786

ISBN-13: 978-3453042780

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 19.04.2016, zuletzt aktualisiert: 08.08.2023 16:01, 14437