5150 Elm’s Way (DVD; Horror; FSK 18)
 
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5150 Elm’s Way (DVD; Horror; FSK 18)

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Frage: Wie gut kennen SIE Ihren Nachbarn? Gräbt er mit seiner Schaufel wirklich nur den Garten um? Oder hat er womöglich doch gänzlich andere Intentionen? Und wo wir schon dabei sind – wie steht es um die restlichen Anwohner? Das Viertel, in dem Sie leben? Ist es wirklich so friedlich wie es der Eindruck vermittelt? Keine kriminellen Subjekte und/oder Schlimmeres?

Die Antwort: nicht wirklich. Niemand, absolut niemand dürfte wohl hundertprozentig wissen, was in Nachbars Garten oder hinter verschlossenen Türen passiert. Und das sorgt schon ein wenig für Unwohlsein. Die vertraut gewordene Heimschaft als Brutstätte für Angst, Gewalt und Tod? Nichts weiter als ein cleverer Versuch von smarten Autoren und Filmemachern Unwohlsein in uns herbeizuführen? Sicher. Aber längst hat die Realität die Fiktion eingeholt. Man erinnere sich nur an den schockierenden Fall der Natascha Kampusch oder die unglaubliche Enthüllung des Josef F., der seine Tochter jahrzehntelang in seinem Keller eingesperrt und sexuell missbraucht hat – und schon verwischt das Erfundene mit dem Wahren und sorgt für ein ungutes Gefühl im Bauch.

Eben hier setzt der aus dem kanadischen Quebec stammende Thriller- und Horrorautor Patrick Senécal seine Werke an; fernab von fiktiv erdachten Großstädten und übernatürlichen Monstren. Für ihn entspringt das wahre Grauen in den ruhigen Vorstädten mit ihren freundlichen Bewohnern; wuchert es in der Idylle zwischen sorgsam getrimmten Vorrasen, Wochenend-Grillpartys und benzinsparenden Familienautos.

In eben solch einen vermeintlich ruhigen Mikrokosmos werden der Zuschauer sowie Protagonist Yannick (Marc-André Grondin) in der Adaption von Senécals Roman 5150, Rue des Ormes katapultiert. Und wie dem jungen Filmstudenten Yannick, wird man binnen weniger Minuten in den gleichen Glauben gewogen: nämlich dass an solch einem ruhigen, pittoresken, sauberen Örtchen unmöglich Schlimmes geschehen kann … oder?

Mit diesem Gefühl der Sicherheit begibt sich Yannick – ganz der Filmstudent eben – samt seiner Kamera auf eine weitere Radtour; quer durch jene Kleinstadt, in die er ob seines Studiums gezogen ist. Es scheint die Sonne, überall nette Menschen … und dann geschieht es. Eine Unachtsamkeit, und er stürzt vom Drahtesel. Blutend und dummerweise ohne Handy beschließt er, das nächstbeste Haus aufzusuchen – und entdeckt in der Einfahrt: ein Taxi!

Doch kaum, nachdem die Hoffnung in Yannick entfacht ist, schwindet sie bereits wieder. Denn der Besitzer des Taxis, Jacques Beaulieu (Normand D'Amour) wiegelt ihn ab. Dafür bietet er Yannick zumindest an, einen seiner Kollegen telefonisch zu verständigen – unter der Voraussetzung, dass dieser vor dem Haus wartet. Doch dieses Versprechen sieht sich der Student nicht in der Lage einzuhalten. Auf der Suche nach einem Badezimmer oder zumindest einem Waschbecken, um seine Wunden provisorisch zu versorgen, ignoriert Yannick die eindringliche Bitte seines Helfers, der daraufhin zu dessen Peiniger wird. Denn das, was sich hinter der so unspektakulären Fassade eines beschaulichen Einfamilienhauses verbirgt, darf unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit dringen. Auch wenn Beaulieu sein „Werk“ als vollkommen nötig und keineswegs anstößig empfindet. Sein Werk, dass ist die konsequente Eliminierung beziehungsweise Beseitigung von schlechten Menschen. Jeglicher Art. Eine Besessenheit, welche er sogar Ehefrau Maude (Sonia Vachon), Teenager-Tochter Michelle (Mylène St-Sauveur) und der kleinen Anne (Élodie Larivière) eingeimpft hat, und die ihrerseits hingebungsvoll ihrem mutigen und von der Gesellschaft missverstandenen Oberhaupt nacheifern. Doch mit der Ankunft von Yannick und dessen Einsperrung in eine isolierte und fensterlose Dachkammer bekommt die Überzeugung innerhalb der Beaulieu’schen Familie erste Risse. Ist es wirklich richtig, ihn gefangen zu nehmen? Was spricht dagegen, ihn nicht einfach mundtot zu machen? Was dafür?

Nur ganz allmählich kriegt auch Yannick die immer größer werdenden Dispute mit, während er weiterhin in der winzigen Dachkammer dahinvegetieren muss wie ein Nutztier. Immer mehr gleitet der junge Student hinab in eine Scheinwelt aus Wahn und Illusion, aus der ihn ausgerechnet sein Entführer immer wieder herausreißt. Mit Hilfe eines Schachspiels, auf dessen Spielfläche sich schon bald entscheidet, ob Yannick überleben oder sterben wird …

5150, Elm Street ist ein Film, der von Anfang an seine Stärken aus zwei Dingen bezieht: einer subtilen, geradezu unspektakulären Inszenierung und hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Das subtile Element wirkt dabei keineswegs hinderlich sondern bewirkt das Gegenteil. Geradezu unbemerkt dreht Regisseur Éric Tessier an der Spannungsschraube, und ehe es sich der geneigte Zuschauer versieht, findet er sich nervös und nägelkauend auf seinem Fernsehsessel wieder. Anders, als bei so vielen ähnlichen Produktionen, wird einem der Terror, die Gewalt und das Entsetzen nicht ins Gesicht geklatscht (wodurch nicht selten eher das Gegenteil des gewünschten Effekts eintritt) sondern in kleinen, handlichen Dosen verabreicht. Das Resultat ist eine Welt, die man zu kennen glaubt, in Wahrheit allerdings ein Ort des Abstoßenden ist. Maßgebend geprägt von den ausnahmslos überzeugenden, hierzulande wohl weitestgehend unbekannten Schauspielern, von denen insbesondere Antagonist Beaulieu beziehungsweise Normand D'Amour eine Ausnahmestellung zugesprochen werden muss. Den schmalen Grat zwischen fürsorglich-biederem Familienoberhaupt und getriebenem Wahnsinnigen meistert er mit Bravour. Dabei sind es gerade die eher hintergründigen Gesten und Bemerkungen, die seine Person so bedrohlich machen und gleichzeitig glaubwürdig die Balance eines bis ins Mark gespaltenen Individuums reflektiert. Ein Anachronismus, der sich ebenfalls in dem gelungenen Finale wieder findet; häufig das größte Ärgernis bei ähnlich gearteten Psychothrillern, sich hier jedoch stimmig in den wohldurchdachten Plot einfügend. Gleichfalls als äußerst positiv zu werten sind die Ausflüge in Yannicks, von Verzweiflung und geistiger Abdriftung geprägte, Traumwelt. Wie rasch man sich dabei Beulen und Schrammen holen kann, bewiesen schon ganz andere Regisseure, etwa Peter Jackson mit In meinem Himmel. Doch Tessier erliegt gottlob nicht den Verlockungen der computergenerierten Möglichkeiten. Stattdessen hält er sich an die strikten Vorgaben der Handlungsstränge aus der realen Welt und transportiert erneut Überzeugendes.

Fazit: Die bürgerliche Fassade hinter der sich Unaussprechliches abspielt – ein gerne und oft verwendetes Genremotiv, welches von Regisseur Éric Tessier beziehungsweise dem (bislang) unbekannten Autoren Patrick Senécal großartig aufpoliert und umgesetzt wurde. Mit einfachen, aber effektiven Mitteln schleicht sich der Schrecken lautlos heran, bis man ihm kaum noch entrinnen kann. Sehr zu empfehlen!

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DVD:

5150 Elm’s Way

Originaltitel: 5150, rue des ormes

Kanada, 2009

Regie : Éric Tessier

Format: Dolby, PAL, Widescreen

Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Region: Region 2

Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1

FSK: 18

WVG Medien, 24. September 2010

Spieldauer: 106 Minuten

 

ASIN: B003RAKNTI

 

Erhältlich bei Amazon

 

Darsteller:

Marc-André Grondin

Normand D'Amour

Sonia Vachon

Mylène St-Sauveur

Élodie Larivière


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Erstellt: 10.01.2011, zuletzt aktualisiert: 10.09.2023 10:58, 11440