Agnosia – Das dunkle Geheimnis (BR; Horror; FSK 16)
 
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Agnosia – Das dunkle Geheimnis

Filmkritik von Torsten Scheib

 

Rezension:

Agnosia – das klingt nach reißerischem Titel ohne tieferen Sinn. Außer, geneigte Käufer anzulocken, versteht sich. Stichwort »Suspiria« von Giallo-Altmeister Dario Argento. Doch Halt! Nach einem kurzen Blick gen Wikipedia weiß man, dass dem nicht so ist. Agnosie ist nämlich ein neuropsychologisches Symptom und eine Form dieser Krankheit die so genannte »Seelenblindheit«, eine visuelle Störung, die es dem Gehirn unmöglich macht, visuelle Reize verarbeiten zu können. Und ebenjene Seelenblindheit hat auch die Protagonistin des Films heimgesucht. Hm-hm, dass hört sich doch mal nach einem wirklich guten Aufhänger an. Allerdings ist es nicht ausschließlich die Idee, welche einen Film ausmacht, sondern vielmehr auch die Geschichte darum. Das Fleisch auf den Knochen sozusagen. Und weil es sich bei »Agnosia« ferner um eine spanische Produktion handelt, ist es mehr als gestattet, die Ansprüche gleich mal höher als gewöhnlich anzusetzen – Werke wie Pan’s Labyrinth, [Rec], [Rec]² oder auch zuletzt Kidnapped haben schließlich deutlich unterstrichen, dass sich das Königreich der iberischen Halbinsel längst als hochwertiger Garant für Grusel und Schrecken etabliert hat.

 

»Agnosia« verfrachtet den geneigten Zuschauer zurück ins ausklingende 19. Jahrhundert. In einem ländlichen Teil des Landes hat der Erfinder Arthur Prats (Sergi Mateu) zusammen mit der nur vordergründig liebenswürdigen Geschäftsfrau Prevert (Martina Gedeck) potenzielle Käufer eingeladen, um ihnen die Vorzüge eines revolutionären neuen Zielfernrohrs schmackhaft zu machen. Allerdings laufen die Dinge aus dem Ruder – und das in doppelter Hinsicht: die Vorführung wird zum Fiasko und zum ersten Mal zeigt sich die schreckliche Agnosie-Krankheit bei Prats’ kleiner Tochter, Joana.

Sprung in die Zukunft: Sieben Jahre später hat die Gier nach Prats’ Erfindung bei Prevert inzwischen eine Energie angenommen, die sie auch nicht davor zurückschrecken lässt, jenes Geheimnis mittels krimineller Machenschaften an sich zu reißen. Prats selbst kümmert sich mittlerweile ausschließlich um seine Tochter (Bárbara Goenaga), deren Zustand lediglich ein isoliertes Leben fast völliger Dunkelheit akzeptiert. Und Joana ist es auch, die zum Mittelpunkt des von Prevert geschmiedeten Komplotts werden lässt. Ein Doppelgänger soll den Platz von Joanas Verlobten, Carles Lardín (Eduardo Noriega) einnehmen und der jungen Frau das Geheimnis der größten Invention ihres Vaters entlocken. Die Wahl fällt dabei auf den leicht introvertierten Vincent (Félix Gómez), der zunächst als Hilfskraft im Hause Prats beginnt – bis sein großer Auftritt gekommen ist und er in die Rolle des Verlobten schlüpft. Allerdings hat die Prevert eine entscheidende Schwachstelle übersehen: die Zuneigung des Betrügers zu seinem Opfer …

 

»Vom Produzenten von »Pan’s Labyrinth« und Das Waisenhaus« verkündet das Cover zu »Agnosia« großspurig. Logisch, dass man automatisch an Guillermo del Toro denken muss, jenen oscarprämierten Regisseur, der uns regelmäßig mit kleinen und großen Meisterwerken des Unheimlichen beglückt. Doch hatte del Toro mit diesem Film nichts zu schaffen, sein Co-Produzent von einst (Álvaro Augustín) dagegen schon. Hätte er lieber mal auf seinen einstigen Kollaborateur gewartet! Denn die vollmundig versprochene Mischung aus Prestige, Memento und Inception ist definitiv zu hoch angesetzt. Zu verworren und vor allem zu schleppend quält sich der Film durch seine 109 Minuten, die man unbedingt hätte straffen müssen. Sicher, unheimliche Thriller wie »Agnosia« leben unter anderem von ihrer gemächlicheren Vorgehensweise, doch hier ist es einfach zu viel des Guten. Dabei sind die Ansätze für große und fesselnde Filmkunst mehr als vorhanden, überzeugt der zweite abendfüllende Spielfilm von Regisseur Eugenio Mira besonders in Sachen historischer Genauigkeit, solider Inszenierung und passender, düsterer Atmosphäre.

 

Auch sind die schauspielerischen Darbietungen im Grunde über jeden Zweifel erhaben, wobei besonders die als hilflos-fragile Joana agierende Bárbara Goenaga ebenso überzeugen kann wie ihr Gegenpart, der erneut beweist, warum man die Münchnerin Martina Gedeck a) wohl kaum noch in Fernsehfilmen der Woche antreffen wird, und sie b) zu den besten deutschen Schauspielerinnen ihrer Generation gehört. Doch wie bereits erwähnt, nützen die besten Ansätze herzlich wenig, wenn es bei der Story zu sehr hapert. Das gleich vier Autoren mit dem »Agnosia«-Script befasst waren, dürfte ein weiteres Beispiel von »zu viele Köche verderben den Brei« sein. So bleibt die durchaus zu erahnende Magie ausnahmslos unter der Oberfläche verborgen und bekommt traurigerweise keine Gelegenheit, sich adäquat zu entfalten. Wirklich sehr schade. Leider muss man auch in Sachen Blu Ray einige Abstriche machen. So klar und sauber die Tonspur daherkommt, so sehr schwächelt das Bild der blauen Scheibe, das höchstens (gutes) DVD-Niveau erreicht. Auch das Zusatzmaterial ist etwas dürftig ausgefallen, gibt es neben unverwendeten Szenen und der obligatorischen Trailershow lediglich einen halbgaren Beitrag zu den Dreharbeiten.

 

Fazit:

»Agnosia – Das dunkle Geheimnis« besitzt alle Ansätze für ein stimmiges, finsteres Meisterwerk, verspielt sie aber mit zunehmendem Verlauf durch eine mehrfach sehr zähe und/oder unausgegorene Story. Freunde von dunklen Mystery-Thrillern sollten daher auch erst einmal Probe schauen.

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BR:

Agnosia – Das dunkle Geheimnis

Original: Agnosia

Spanien, 2010

Regisseur: Eugenio Mira

Format: Widescreen

Sprache: Deutsch (DTS-HD 5.1), Spanisch (DTS-HD 5.1)

Untertitel: Deutsch

Region: Region B/2

Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1

Umfang: 1 BR

FSK: 16

Universum, 1. Juli 2011

Spieldauer: 109 Minuten

 

ASIN: B004UWZ96Y

ASIN DVD: B004UWZ96E

 

Erhältlich bei: Amazon

DarstellerInnen:

Martina Gedeck

Eduardo Noriega

Barbara Goenaga

Sergi Mateu

Félix Gómez


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Erstellt: 24.09.2011, zuletzt aktualisiert: 21.12.2023 16:17, 12111