Air (Autor: Lukas Vering)
 
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Air von Lukas Vering

Rezension von Marianne Labisch

 

Wir befinden uns in einer überaus dunklen Zukunft. Die Welt besteht nur noch aus Beton, Plastik und Glastik. Die synthetische Luft wird von künstlichen Bäumen erzeugt und schmeckt dementsprechend. Das Essen und die Getränke werden ebenso künstlich erzeugt und auch sie munden nicht. Für alles wird intensiv geworben, sodass man kaum noch von einer freien Kaufentscheidung sprechen kann. Selbst das Privatleben wird von Algorithmen bestimmt. Jeder muss passende Partner (zumindest hin und wieder) daten. Um vor schlechten Bewertungen sicher zu sein, geht man mit der entsprechenden Person ins Bett, auch wenn man sie eigentlich nicht besonders mag.

 

Ty Redfern427 ist ein Marketingmensch, dessen Ideen, dem Unternehmen ansehnliche Gewinne bescheren, aber er ist ein unsicherer Mensch, zudem mit dem Makel von Sommersprossen (!) behaftet. Er fühlt sich klein und stellt sein Licht unter den Scheffel, bis er zufälligerweise mitbekommt, dass auch seine unfertigen oder verworfenen Ideen von seinem Rechner geklaut und verwertet werden. Das ärgert ihn so, dass er eines Abends durchdreht und die von ihm beworbenen Lichtqubes in einem öffentlichen Garten zerstört. Er bemerkt nicht, dass er sich dabei verletzt und ist daher verwundert, dass Pamina, eine Frau, die ihm gefällt, die er aber nur aus der Ferne angeschmachtet hat, ihn auf die Seite nimmt und seine Wunde versorgt. Die beiden kommen sich näher, geraten aber durch Air-Konsum in eine Abwärtsspirale.

 

Nach und nach erfährt der Leser, dass Air, die reine klare natürliche Luft ist, die die Menschen, die nur noch synthetische Luft atmen, nicht mehr gewohnt sind. Durch den Air-Konsum können sie die falsche Luft immer schlechter vertragen, was über kurz oder lang zum Tod führt.

Ob so etwas wirklich so funktionieren würde, weiß ich nicht, aber man muss es hier so akzeptieren.

 

Der Autor schildert eine Welt, in der man nicht leben möchte. Irgendeine Macht herrscht hier, die uns aber nicht vorgestellt wird. Sie achtet darauf, dass die Menschen funktionieren. Üben sie lautstark Kritik, wie die Gruppe, für die Pamina arbeitet, werden sie gefangengenommen und sollten sie sich widersetzen, auch gleich getötet.

Selbst in der Zone, in der Tys Bruder ein vermeintlich besseres Leben mit mehr Annehmlichkeiten führt, ist in diesem Punkt nicht anders. Die Bewohner dieses Distriktes werden genauso gefangen gehalten wie die in Tys Bezirks. Auch ihnen ist es untersagt, sich anders zu verhalten als von der Obrigkeit vorgegeben. Gefangenen wird die Festplatte formatiert und sie werden an anderer Stelle eingesetzt.

Diese Formulierung lässt Zweifel daran aufkommen, wie viel an diesen Protagonisten noch menschlich ist. Ob die Festplatte das Hirn ersetzt oder ergänzt, wird nicht weiter ausgeführt.

 

Ich wurde beim Lesen in diese Welt gezogen und finde den Roman für einen Erstling auch gut gelungen, aber es gab auch Dinge, die mich gestört haben. Vering bringt immer neue Charaktere ins Spiel, die ihm so wichtig sind, dass er ihnen ganze Kapitel widmet und dann vergisst er sie. Wir erfahren nicht, wie es mit ihnen weiter geht. Natürlich werden in keinem Roman die Geschichten aller Nebenfiguren bis ins Letzte erzählt, aber mir kamen hier manche Personen zu kurz. So gibt es z. B. einen wohlhabenden Kollegen von Ty. der sich darüber wundert, dass seine Kollegen einfach spurlos verschwinden und Nachforschungen anstellt. Seine Story endet damit, dass er den Mitarbeiter findet, der vor Ty verschwand.

 

Nach welchen Kriterien die Ich-Perspektive gewählt wurde, erschließt sich mir nicht. Ich persönlich würde diese Perspektive immer für die eine Hauptperson reservieren, aber das kann Geschmackssache sein.

 

Zum Schluss hin wurde ein wenig geschludert. Wo Ty auf dem Hinweg noch auf die Unterstützung seines Bruders angewiesen war, kommt er auf dem Rückweg völlig allein klar.

Wo Ty eigentlich bis fast zum Ende als zögerliche Person mit tiefen Gefühlen beschrieben wird, begeht er seine Tat am Ende viel zu leichtfertig und herzlos. Es fließt nicht einmal eine Träne.

 

Was mir außerdem nicht so recht logisch erscheint, ist, dass die Obrigkeit die Menschen nicht gleich so programmiert, dass sie sich wie gewünscht verhalten. Man fragt sich, ob das womöglich gar keine Menschen mehr sind, die hier am Ruder sind. Und ich habe mich gefragt, wofür die Menschen überhaupt noch benötigt werden. Man hat die Natur in den besiedelten Teilen verbannt und scheint auch Angst vor ihr zu haben, dennoch wird sie außerhalb der Städte geduldet und sich selbst überlassen. Wozu sich also Menschen »halten«, die doch nur immer wieder Ärger machen?

 

Handwerklich ist der Roman gut verfasst. Ich wollte immer wissen, wie es weitergehen würde, aber leider hat mich das Ende nicht überzeugt, obwohl es auf die eine oder andere Art abzusehen war, dass es für Ty kein gutes Ende nehmen würde.

 

Weil es handwerklich solide verfasst wurde, ich über die gesamte Länge weiterlesen wollte und mich im Prinzip gut unterhalten fühlte vergebe ich drei von fünf Sternen.

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Buch:

Air

Autor: Lukas Vering

Taschenbuch, 496 Seiten

p.machinery, Juli 2023

Cover und Illustrationen: Lukas Vering

 

ISBN-10: 3957653436

ISBN-13: 9783957653437

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0CCPSLKLL

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 24.11.2023, zuletzt aktualisiert: 24.11.2023 15:44, 22495