Alexandre Ajas Maniac
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Alexandre Ajas Maniac

Maniac

Filmkritik

von Karin Reddemann

 

Die verstörende Geschichte des von Frauenhaaren und Schaufensterpuppen besessenen Sonderlings Zito (Elijah Wood) kam 2012 in die Kinos. Maniac ist krass. Schockierend. Und kolossal schwer verdaubar, wenn man keine Scheu vor tiefsten menschlichen Abgründen hat.

Filmkritik

Soweit bekannt: Herr Frodo hat keine Leichen im Keller versteckt. Seine findet man im Drehbuch und auf der Leinwand. Gut sichtbar, böse anzuschauen. Der ewige Film-Frodo alias Elijah Wood macht kein Geheimnis daraus, dass er auf finstere Gestalten steht. Sehr gern auf milchgesichtige Durchschnittstypen, die tatsächlich durchgeknallte Mörder sind.

 

Herr »Elijah« Frodo, der liebenswerte tapfere Beutlin-Bursche aus der Tolkien-Trilogie, kann ergo auch ganz anders: Wood spielt den Kannibalen Kevin in Sin City, der Frauen verschleppt, Teile von ihnen bei lebendigem Leib verspeist, – Szene: Lucille zeigt Marv im Kerker ihren Stumpf und sagt, Kevin habe ihr die linke Hand abgegessen–, sie dann tötet, weiter verzehrt und ihre Köpfe als Wandtrophäen sammelt. Er spielt auch Frank Zito. Wenn der Namen nicht sofort die Pforte(n) öffnet, voilá, die Schauer-Schlüsselworte:

Schaufensterpuppen. Schreie. Skalps. »Maniac«.

 

Zitos düstere Geschichte, 2012 als genialer Grusel-Kunst-Mix für das Kino erzählt von Alexandre Aja als Produzent/Drehbuchautor und Frank Khalfoun als Regisseur, ist ein Remake des US-amerikanisch-französischen Horror-/Psychothrillers Maniac (1980, Regie: William Lustig), der zum Subgenre des Slasherfilms zählt. Den fanden viele damals schockierend unappetitlich.

Zu Unrecht zu engstirnig beurteilt. Meinen andere. Ein »Klassiker, der aufgrund der harten Effekte oftmals missverstanden wurde«, sagt Autor Peter Osteried, Experte für Film und Fernsehen, fügt ergänzend hinzu, was ganz klar vor sechsunddreißig Jahren wie auch 2012 zentrale Sache war: Es sei ein Film, der »einen Blick in die Abgründe menschlichen Seins« werfe. Korrekt soweit.

 

Der amerikanische Fernsehmoderator Gene Siskel (1946 – 1999), der als einer der angesehensten Filmkritiker der 1980er-/-90er gegolten hat, bekundete in seiner Sendung Sneak Previews, so entsetzt und angewidert von »Maniac« gewesen zu sein, dass er vorzeitig den Vorführraum verlassen musste. Gut, das war eine recht deutliche Reaktion, vielleicht zu krass, zu empfindlich zumindest aus heutiger Sicht, abgeklärter wurden wir alle, was den Würgereiz betrifft.

 

Zu abgeklärt für das krasse Remake von »Maniac« mit Sicherheit nicht. Es geht (auch) 2012 gut düster und vor allem großartig professionell ab. Alexandre Aja belegt nach The Hills have Eyes (2006), seiner perfekt konstruierten Mischung aus Wes-Craven-Hommage und Eins-A-Qualität (Original: 1977), dass er dem jeweiligen großen Vorbild stets absoluten Respekt zollt. Er geht den gleichen Weg bis tief unter die Haut. Das ist Klasse. Und stößt im Lexikon des Internationalen Films erneut auf Missfallen.

 

»Ein über die Maßen brutaler, lediglich dem Gore-Effekt verpflichteter Abklatsch.«

 

Fies genörgelt, unfair in die Ecke gestellt. Elijah Wood kommt dem Wahnsinn in etwa so genial nahe wie ein Anthony Perkins bei Hitchcock, sein psychotisches Brüten erwischt den Zuschauer eisig. Wood ist ernst, kalt, grüblerisch, unsicher und dann doch sehr direkt.

 

Optisch ist er ein gänzlich anderer Typ als Joe Spinell (1936–1989), der den Frank Zito in der Verfilmung von 1980 spielt. (Spinell, auch als Zeichner bekannt geworden, arbeitete damals am Drehbuch mit.) Der italienischstämmige Schauspieler sah aus wie der Kerl von einem Mann, dessen Unmut man ungern kennenlernen will, und damit war er prädestiniert für Böse-Jungs-Rollen (Der Pate, Taxi-Driver, Nightshift …).

 

Ergo wirkte Spinell natürlich schon auf den ersten Blick markanter, bedrohlicher als der 1,68-cm-kleine Wood, mit seinen babyblauen Augen, der schon als Kind so ein »liebes Energiebündel« (Woods Mutter Deborah) war. Dem man »unseren Frodo« bedingungslos abnimmt. Den man, wenn man ihn beguckt, so herzlich drücken möchte.

 

Wenn er nicht grad einen verrückten Serienkiller gibt. Und das kann er zweifellos. Wood, artig im Auenland und so gar nicht braver Junge sonstwo da draußen, ist wandlungsfähig, das beweist er als der aus der Linie geratene Student Matt Buckner in Hooligans (2006), als Doktorand Martin auf Mördersuche in Oxford Murders (2008). Das beweist er auch (wohl noch) als Produzent: 2010 gründete Elijah Wood gemeinsam mit zwei Freunden die Horrorfilm-Firma The Woodshed, später in Spectre Vision umgetauft. Bis dato wurden vier verschiedene Filme gedreht, in Open Windows (2014) und Cooties (2015) spielte Wood jeweils die Hauptrolle.

Und er beweist es einmal mehr und durchaus schwer beeindruckend als Frank Zito.

 

Zito in Maniac ist ein Sonderling mit schrecklichen und zugleich traurigen Kindheitserinnerungen, geprägt vor allem durch seine Mutter, einer Prostituierten. Zu den Schaufensterpuppen, die er restauriert, hat er ein krankhaft inniges Verhältnis. Nachts lauert Zito, von Unruhe getrieben, Frauen auf, skalpiert sie und schmückt mit den blutigen Haar-Trophäen seine Puppen. Dann verliebt er sich in die Fotografin Anna, und vorübergehend scheint sein Wahn irgendwie kontrolliert zu sein.

 

Klare Fehlprognose. Frank verliert die Nerven, halluziniert, mordet wieder. Im Original von 1980 überlebt Anna, im Remake findet auch sie, nachdem sie sein entsetzliches Geheimnis entdeckt hat, einen grausamen Tod. Im Kampf kann sie ihn zwar schwer verwunden, aber er skalpiert sie bei vollem Bewusstsein und schleppt sich allein zurück in seine Wohnung.

 

Dort hat er die Vision, dass seine Schaufensterpuppen lebendig werden und die Gestalt der jeweiligen Opfer annehmen, deren Haare sie tragen. Anna erscheint im Brautkleid. Sie stürzen sich auf Frank und zerreißen ihn. Eine Spezialsondereinheit findet ihn am nächsten Morgen tot vor.

 

Im Original liegt er mit einem Dolch im Bauch auf dem Bett. Nachdem die hier von Anna gerufenen Polizisten sich von ihm abgewandt haben, öffnet er die Augen.

 

Zweifellos ist der blutige Power-Schluss mit schwerstem Psycho-Touch in beiden Versionen Horror pur im perfekten Bild.

 

Für Wood gilt (noch) mehr. Zur glücksbringenden Sicherheit hat der sich zur Erinnerung an den Herrn der Ringe eine Tätowierung auf die rechte Taille stechen lassen, das Wort Neun in Elbischer Sprache. Passt so gar nicht zu einem psychopathischen Serienkiller. Ist auch besser so.

 

Frodo Forever. Eben.

 

Nach oben

Platzhalter

Alexandre Ajas Maniac

Jahr: 2012

Regie: Franck Khalfoun

Horror

 

Erhältlich bei: Amazon

Darsteller·innen:

  • Elijah Wood

  • Liane Balaban

  • Sal Landi

  • Megan Duffy

  • Jan Broberg

Filmkritik im Fantasyguide:

Maniac


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 16.11.2021, zuletzt aktualisiert: 09.04.2024 17:46, 20326