Auf dunklen Schwingen (Autorin: Janine Cross; Die Drachentempel-Saga, Bd. 1)
 
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Auf dunklen Schwingen von Janine Cross

Reihe: Die Drachentempel-Saga, Bd. 1

Rezension von Christel Scheja

 

Seit Vampire und andere Wesen der Nacht Autorinnen zu neuartigen Liebesromanen zwischen Lust und Leidenschaft inspirieren, haben auch wieder Themen in die Fantasy Einzug gefunden, die nicht nur von ungefähr an die erotischen Dominanzspiele des Sado-Masochismus erinnern.

Auspeitschungen, Demütigungen und so manches andere sind plötzlich wichtige Elemente im Zusammenspiel von Männern und Frauen, um eine Gefahr zu bannen oder eine Gesellschaft zu retten. Was Autoren wie Tanith Lee vor zwanzig Jahren nur vage andeuteten wird von neuen Talente wie Anne Bishop in deutliche Worte gefasst.

Aber es erscheinen immer wieder auch Werke unter diesem Label, die nur oberflächlich mit Sex und Leidenschaft zu tun haben. Dazu gehört „Die Drachentempel“-Saga von Janine Cross, deren erster Band „Auf dunklen Schwingen“ nun auf Deutsch vorliegt.

 

Zarq wächst in einer streng hierarchischen Welt auf, in der alles seinen festen Platz und seine Ordnung hat. Sie bekommt schon früh zu spüren, dass sie als Kind von Leibeigenen nicht viel zählt und nicht nur der Willkür der Herren, sondern ihrer eigenen Gemeinschaft ausgeliefert ist. An der Spitze der Rangordnung stehen die Drachenmeister, Kriegsherren, die die giftigen und mächtigen Kreaturen beherrschen und mit ihnen die Brutstätten und Siedlungen verteidigen. Ihnen und ihren Kämpfern dienen die Handwerkergilden in absolutem Gehorsam.

Frauen indes stehen am unteren Ende der Hierarchie und es gibt viele Regeln, die sie beachten müssen. So dürfen sie mit ihren unreinen Säften nicht den Erdboden verunreinigen, kein Geld besitzen oder auch nicht ihr Wort nicht erheben sowie Mitspracherecht in Gemeindeangelegenheiten fordern. Zwar finden sich Paare zusammen, verkehren dürfen sie aber nur zum Zweck der Fortpflanzung in bestimmten Verschlägen.

Zarq beobachtet alles schon als Kind mit einer gewissen Distanz. Daran ist zum Teil auch ihre Mutter schuld, deren Großmutter vom magiekundigen und fleckhäutigen Dschungelvolk der Djimbi abstammt. Sie vergöttert ihre ältere Tochter Waiva, während Zarq meistens sich selbst überlassen ist, und nach einem Vorfall mit dem Drachenmeister die Sehnsucht nicht los wird, wieder das Gift der mächtigen Kreaturen fühlen zu dürfen.

Doch das wird ihr verwehrt. Erst als ihre Familie getötet und ihr Clan zerschlagen wird, Zarq selbst nur knapp mit dem Leben davon kommt, erhält sie im abgelegenen Drachenkonvent von Tieron selbst die Chance, die mächtigen Wesen zu pflegen und ihrem Ziel ein Stück näher zu kommen, denn bis an diesen entlegenen Ort reicht die Macht des Imperators und seines Drachentempels nicht. Noch nicht...

 

Angepriesen wird „Auf dunklen Schwingen“ als erotisches Werk, das ist es aber eigentlich nicht. Lust und Leidenschaft werden zwar an einigen Stellen des Buches zu wichtigen Handlungselementen, aber doch eher nüchtern und pragmatisch als voller knisternder Erotik betrachtet. Es ist nichts Prickelndes an Erektionen innerhalb eines kultischen Schauspiels - und das ist nur das erste Beispiel dieser Art, dem nur wenige andere folgen. Und so gut wie keine haben etwas mit Liebe und Erfüllung zu tun.

Statt dessen konzentriert sich Janine Cross auf die Ausgestaltung ihrer stark mit Tabus und verboten behafteten Kultur, die sich zwar nicht genau zuordnen lässt, aber doch ein wenig an ähnliche Völker zwischen Zivilisation und Naturverbundenheit in Südostasien erinnert. Die Menschen leben in archaischen Gesellschaften in einer zwar paradiesisch warmen aber doch lebensfeindlichen und gefährlichen Umgebung, betrachten die Ureinwohner als Primitive und unterwerfen sich selbst einem starren Geflecht an Regeln.

Verstöße gegen die vom Drachentempel ausgesprochene heilige Ordnung werden grausam und unerbittlich geahndet, was sehr stark an das Verhalten der Samurai in Japan erinnert.

Es ist jedenfalls keine heile und schöne Welt, die Janine Cross schildert. Sie spart nicht an harten und manchmal sogar grausamen Szenen. Schon mit neun Jahren ist Zarq durch solche Erlebnisse kein Kind mehr.

Sie kennt nur früh ihren Weg, der weniger durch ihren freien Willen, als durch ihre Erlebnisse mit dem Gift der Drachen und eine gewisse Abhängigkeit bestimmt wird. Sie denkt dabei auch in erster Linie an sich und weniger an das Wohl der anderen - so wie sie es auch in bitteren Erfahrungen gelernt hat. Das macht sie nicht unbedingt zum strahlenden Mittelpunkt des Buches, sondern zu einer Figur, bei der man nicht weiß, ob man sie mögen oder verabscheuen soll.

Leider gelingt es der Autorin nicht so ganz, die Kultur plastisch und glaubwürdig vorzustellen, da sie sich zu sehr mit kleinen Details aufhält. Vieles bleibt schwammig und unklar - was natürlich auch ein stilistisches Mittel sein kann, da sie strikt aus der Ich-Perspektive ihrer Heldin schreibt, die die Welt und gewisse Zusammenhänge zwischen Macht und Ohnmacht auch erst nach und nach entdeckt. Hin und wieder treten durch die Erzählweise Längen auf, und man fragt sich, warum die eigentliche Handlung nicht voran kommt.

Heraus kommt ein Buch, das zwar faszinierende Ansätze hat, aber vermutlich erst mit der Fortsetzung beweisen kann, ob es hält, was es verspricht. Nur eines ist sicher - dem Klappentext, der eine Mischung aus „Gor“ und erotischer Fantasy verheißt - sollte man nicht trauen. Denn der Roman ist alles andere, nur nicht das.

 

„Auf dunklen Schwingen“ wendet sich an alle Leser, die in erster Linie an exotischen Kulturen und eigentümlicher wie erdverbundener Magie interessiert sind und denen es auch nichts ausmacht, wenn die Handlung durch Beschreibungen von Alltäglichkeiten und Ritualen manchmal ein wenig ins Stocken gerät. Wer lockere Unterhaltung mit einem Schuss schwülstiger Leidenschaft erwartet, wird allerdings bitter enttäuscht werden.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024050313254549b88959
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Auf dunklen Schwingen

Reihe: Die Drachentempel-Saga, Bd. 1

Autorin: Janine Cross

Original:

The Dragon Temple Saga 1: Touched by Venom, USA/Kanada 2005

broschiert, 512 Seiten

Heyne, erschienen April 2008

ISBN 978-3-453-52429-3

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Wolfgang Thon

Titelbild von Paul Youll

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 14.05.2008, zuletzt aktualisiert: 01.05.2024 16:16, 6498