Das Imago-Projekt (Autor: Robert Corvus; Feuer der Leere 2)
 
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Das Imago-Projekt von Robert Corvus

Reihe: Feuer der Leere Band 2

 

Rezension von Sabine Seyfarth

 

Die Menschheit ist unterwegs, sie hat ihre Planeten aufgegeben und in 28 Generationenraumschiffen fliegt sie als Nomadenvolk durch die Galaxien. Dieser Hintergrund ist wunderbar gewählt, denn die Raumschiffe sind die Rettungsboote verschiedener von Menschen besiedelter Planeten und haben dem zufolge unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen. Hintergrund dieses Zigeunerlebens ist die Unabhängigkeit von einem festen Stützpunkt, der durch Naturgewalten ebenso vernichtet werden kann wie durch Feinde. Feinde gibt es: die Giats. Sie vervollständigen den Hintergrund der Geschichte, indem sie als Begründung für die Bewaffnung und die Angst der Menschen stehen.

 

Imago ist der zweite Roman in diesem Sujet. Während im ersten Band Feuer der Leere noch der Kampf nach außen sehr dominant war und direkte Kampfszenen die Auseinandersetzung mit den Giats schilderten, steht diesmal eher der Kampf im Inneren im Mittelpunkt. Gesehen wird dies meist aus der Perspektive einer Frau, die sich, von der naiven Vorstellung einer Koexistenz ausgehend, zu einer wirklichen Diplomatin entwickelt und Lösungen vorschlägt, auf die der Leser sicher nicht kommen wird. Ich wurde davon überrascht, obwohl meine Wünsche schon in eine ähnliche Richtung gingen.

 

Von den 28 Raumschiffen wurden im ersten Band vornehmlich zwei geschildert: die MARLIN, auf der eine Art Militärdemokratie existiert, die auf einem ziemlich ausgeklügelten Wahlsystem aufbaut und der SQUID, einem lebenden Raumschiff, dessen Motivation, Menschen in sich aufzunehmen und zu versorgen, völlig unklar ist. Angedeutet wird allerdings in »Feuer der Leere« schon, dass es ein Raumschiff gibt, dessen Gesellschaftsstruktur den anderen Mitgliedern des Schwarms nicht gefällt. Die ESOX beherbergt einen Zentralcomputer, der das Leben im Raumschiff steuert. Alle Menschen im Schiff sind mit ihm verbunden. Sind sie noch Menschen? Die anderen Schiffsführer sehen das nicht so. sie sind der Meinung, dass man diesen »versklavten« Menschen helfen müsse, ihr Menschsein zu erhalten. Die ESOX wurde überfallen und der Zentralcomputer lahmgelegt, damit eine Zwangsamputation der Menschen in diesem Schiff durchgeführt, die Tote und Schwerverletzte hervorbrachte. War diese Aktion gerechtfertigt? Hat man das Recht, eine Gesellschaft gegen ihren Willen zu »befreien«? Was macht uns zu Menschen?

 

Das »Imago-Projekt« beginnt in der Zeit nach dem »Befreiungsschlag«. Die ESOX steht unter Beaufsichtigung durch Kommissare der anderen Schiffe. Natürlich gibt es dann auch eine Untergrundorganisation. Und die Frage: Wieweit darf man gehen, wenn es um die Freiheit geht, so zu leben wie man es möchte? Ab wann wird aus einem Freiheitskampf Mord? Wer ist im Recht? Und wie bestraft man Massenmord? Wozu dient Strafe? Ist Rache auch ein Teil der Strafe oder geht es eher um Einsicht und Neuanfang?

 

Allein diese Fragestellung ist also schon zutiefst philosophisch und eigentlich auch sehr aktuell. Ich finde es faszinierend, wie es Robert Corvus gelingt, hier beide Seiten des Konflikts zu zeigen und damit zur Diskussion herauszufordern.

 

In der SQUID werden die Menschen auch verändert, sie werden von dem lebenden Gewebe durchsetzt. Sind sie mehr oder weniger Mensch als die auf der ESOX? Ist es die Angst vor dem riesigen Lebewesen, seinen Möglichkeiten, die Gravitation zu manipulieren, dass man es nicht angreift oder hat man vor der biologischen Veränderung weniger Angst als vor technischer »Verbesserung«? All diese wichtigen Fragestellungen sind in eine spannende Handlung verpackt.

 

Es gibt einen Erstkontakt und der wird von zwei Seiten vorbereitet. Einmal ist der Leser dabei, wenn der Schwarm auf eine Zivilisation trifft, die ihre Planeten »verbraucht« hat und sie erkunden den letzten noch existierenden Planeten des Sonnensystems, der auch menschenleer ist. Wo sind die Menschen? Zum Zweiten gibt es nach jedem Kapitel ein »Speicherbild« – hier ist der deutliche Bezug zum Titel und auch zum Cover. Ein Wissenschaftler speichert Eindrücke, Bilder, aus seinem Leben ab. Dabei erfährt der Leser die Geschichte einer Zivilisation. »Imago« heißt nicht nur »Bild«, sondern ist auch die Bezeichnung für das erwachsene geschlechtsreife Insekt nach der Verpuppung oder der letzten Häutung. Was ist der Mensch nach seiner letzten Häutung? Vielleicht nur noch Energie in einer Dyson-Sphäre?

 

»Imago« ist ein SF-Roman für jeden Fan. Es gibt sowohl Exkurse in die Wissenschaft, die die Hardcore-Fans erfreuen, als auch ethische und philosophische Betrachtungen für die Socialfiction-Fans. Jeden Fan aber wird die spannende Handlung begeistern.

 

Es wäre schön, noch mehr von den anderen Schiffen zu erfahren, zu denen bisher nur einige Andeutungen gemacht wurden. Stoff bietet dieses Sujet jedenfalls für jede Menge interessanter Geschichten, die der Autor sicher auch zu erzählen vermag.

 

Fazit:

Ein Roman, der herausfordert, unterhält und überrascht. Eine absolute Empfehlung!

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Buch:

Das Imago-Projekt

Reihe: Feuer der Leere Band 2

Autor: Robert Corvus

Piper, 3. April 2018

Taschenbuch, 496 Seiten

 

ISBN-10: 3492704824

ISBN-13: 978-3492704823

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B077BWMTCG

 

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 14.09.2020, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 18982