Das Nachthaus (Autor: Jo Nesbø)
 
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Das Nachthaus von Jo Nesbø

Rezension von Ellen Norten

 

Diese Rezension erschien zuerst auf Kultura Extra.

 

Realität oder Wahnsinn?

Drei Teile, drei Geschichten, die fast das Gleiche erzählen und die zu einem Roman zusammenlaufen. An diesem Buch ist einiges gewöhnungsbedürftig. Zunächst habe ich einen Krimi erwartet, denn Nesbø steht für Thriller und spannende Kriminalromane. Doch weit gefehlt, hier kommen Horrorelemente zum Tragen, wie sie bei Stephen King zu finden sind und einige der Handlungen sind klar dem Phantastik-Genre zuzuordnen.

 

Es gibt einen Protagonisten, den jugendlichen Richard, der in einer US-amerikanischen Kleinstadt lebt. Er, der Ich-Erzähler ist erstaunlich selbstkritisch. Er schildert sich als rücksichtslos und brutal seinen Mitschülern gegenüber, doch scheint in ihm ein freundlicher, sympathischer Mensch zu stecken, der mit seiner aggressiven Schale nicht vereinbar ist. Richard ist ein pubertierendes Mysterium, das sich in seiner Außensicht beschreiben kann und er sieht noch mehr.

 

Die Wut war wie ein Schneeball ins Rollen geraten, ich hatte längst die Kontrolle verloren.

»Hörst du, Jack, du Kakerlake?«, fuhr ich fort. »Du bist echt widerlich, deshalb will auch niemand mit dir zu tun haben. Jack, die Kakerlake, Jack, die Kakerlake.«

Sein Mund öffnete sich, aber er schaffte es nicht, mir zu widersprechen, wenn er das denn vorgehabt hatte.

(…)

In diesem Moment geschah etwas Merkwürdiges.

Fatsos (zweiter Name für Jack) gebeugter Rücken öffnete sich, und etwas wuchs heraus.

Ich kann es nicht anders erklären, aber durch den Rücken seines Pullovers schob sich etwas Dünnes. Wie Plastikfolie oder der Stoff eines durchsichtigen Regenschirms. Und während sich dieses Material entfaltete wie das Dach eines Cabriolets, legte sich etwas Schwarzes, Glänzendes um seinen Körper. Wie die Schale einer Haselnuss. Oder eines Insekts. Denn mittlerweile konnte ich erkennen, dass das, was ihm aus dem Rücken wuchs, Flügel waren.

Seite 69

 

Spannend an diesem Roman ist, wie Nesbø die verschiedenen und doch ähnlichen Handlungen zusammenbringt und erklärt. Wir erfahren einiges über Richard, dessen Mutter anscheinend in seinem Elternhaus verbrannt ist, angezündet von seinem Vater. Diese traumatischen Erinnerungen bedingen wohl die verzerrte Wahrnehmung der Realität und wer sich darauf einlassen mag, ist gut bedient und erlebt ungewöhnlich spannende, wie auch gruselige Lesemomente.

 

Allerdings erscheint mir der Schluss des Romans rückblickend auf die oft grauenhaften und beklemmenden Szenen fast zu heiter, er klingt zu sehr nach Happy End. Und noch etwas fällt mir hier auf. Die EKT-Behandlung (Elektrokonvulsionstherapie), eine Behandlung mit Stromstößen unter Narkose wird mir hier zu sehr als Wundermittel gepriesen. Stromstöße sind mir noch aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erinnerlich, wo psychisch kranke Menschen mit dieser Behandlung gequält, wenn nicht gar bleibend geschädigt wurden. Das Buch beschreibt hier einen sehr positiven Weg, bei dem ich nicht weiß, ob dies der Realität entsprechen könnte.

 

Alles in allem aber ein spannendes Buch mit ungewöhnlichem Inhalt.

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Buch:

Das Nachthaus

Original: Natthuset, 2023

Autor: Jo Nesbø

Übersetzer: Günther Frauenlob

gebundene Ausgabe, 288 Seiten

Ullstein Verlag, 2022

 

ISBN-10: 3550050739

ISBN-13: 9783550050732

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0CDGR1ZMY

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 12.04.2024, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51, 22942