Die Berechnung der Sterne (Autorin: Mary Robinette Kowal; Lady Astronaut 1)
 
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Die Berechnung der Sterne von Mary Robinette Kowal

Reihe: Lady Astronaut Band 1

 

Rezension von Matthias Hofmann

 

Es war nur eine Frage der Zeit bis dieses Buch auf Deutsch veröffentlicht werden würde. Aber es dauerte länger als ich dachte, denn das Original ist in den USA bereits im Jahr 2018 erschienen. Damit hat es mehr als drei Jahre gedauert, und das, obwohl Die Berechnung der Sterne von Mary Robinette Kowal gleich im folgenden Jahr nach seinem Erscheinen die wichtigsten Science-Fiction-Preise in der Kategorie »Bester Roman des Jahres« abgeräumt hatte: Nebula, Hugo und Locus.

 

Der Roman gehört in die Kategorie »Alternativweltgeschichte«, denn er basiert auf realer Historie, die in den 1950er-Jahren einen anderen Verlauf nimmt. Genauer gesagt im Jahr 1952, als ein riesengroßer Meteorit an der Ostküste der USA Millionen Menschen das Leben nimmt und ganze Städte ausradiert, inklusive den Regierungssitz in Washington, DC.

 

Weitere Folgen sind nicht nur eine enorme Flüchtlingswelle und ein beschleunigter Klimawandel, sondern das sich anbahnende Horrorszenario einer Erde, die nicht mehr lebenswert ist. Das wiederum fördert das US-amerikanische Weltraumprogramm in verstärktem Maße, denn die Aussicht einer Reise (oder Flucht?) zum Mars erscheint erstrebenswerter denn je. Man hat errechnet, dass der Menschheit noch rund 50 Jahre bleiben, um die Erde zu verlassen.

 

Die Geschichte wird erzählt aus der Sicht von Elma York, einer ehemaligen WASP-Pilotin, die als menschlicher Computer, wie damals besonders begabte Rechenkünstler genannt wurden, für die US-Weltraumbehörde arbeitet. Sie hat einen Doktor in Mathematik und Physik und ist mit dem Ingenieur und Raketenwissenschaftler Nathaniel York verheiratet. Sie ist beseelt von dem Traum, eines Tages als Astronautin ins All zu reisen. Nicht einmal zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist dieses Unterfangen ein Ding der Unmöglichkeit, denn Frauen werden als nicht besonders belastbar für Weltraumflüge erachtet.

 

Die ersten 100 Seiten des Romans zeigen die Auswirkungen und möglichen Folgen der Meteoritenkatastrophe auf und bereiten dem eigentlichen Plot die Bühne: Die Frau Elma York versucht, sich in einer von Männern dominierten Welt durchzusetzen und ihren Traum zu realisieren. Dabei trifft sie auf eine Vielzahl verschiedener Frauen, die ebenfalls Talent besitzen, unter anderem auch schwarze Pilotinnen und weitere »People of Color«.

 

Ihr Gegenspieler ist Stetson Parker, der erste Mann im Weltall, der sie mit aller Macht daran zu hindert versucht, als erster »Lady Astronaut« ins All zu starten. Er kommt auch ihrem Schwachpunkt auf die Schliche. Elma hat Angstneurosen und wird immer wieder von Panikattacken heimgesucht, die ihr öffentliche Auftritte zur Qual werden lassen. Schon damals als Kind hatte ihre Mutter ihr eingebläut: »Was werden denn die anderen denken?«

 

Wer den Film Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen (2016) kennt, der von drei afroamerikanischen Mathematikerinnen handelt, die Anfang der 1960er-Jahre für die NASA komplexe Berechnungen anstellten, wird leichte Echos in diesem Roman finden.

 

»Die Berechnung der Sterne« entwickelt seinen Plot langsam. Während das Fans von großer Action etwas langweilen könnte, schafft ein solches Erzähltempo Raum für Charakterentwicklung. Zwar wirken Elma und Nathaniel etwas arg wie am Reißbrett entworfen, aber sie erscheinen dennoch realistisch. Sie hat Stärken und Schwächen. Er liebt sie bedingungslos und ist da, wenn er gebraucht wird.

 

Den Part des privilegierten weißen Mannes mit toxischer Aura spielt Parker. Er wird nicht als durch-und-durch böse dargestellt, sondern als ein Mann mit mehreren, eher schwierigen Facetten, wobei er kaum gute Seiten zu haben scheint.

 

Mit diesem Roman packt Kowal die ganz großen Themen an und webt sie in eine durchaus spannende Geschichte ein: Diskriminierung von Frauen und nicht-weißen Menschen, Vorurteile und welche Auswirkungen sie haben, Widerstand gegen Unterdrückung, Frauen, die zusammenhalten und sich gegen Männer, die sie von oben herab behandeln, durchsetzen. Insgesamt macht all das »Die Berechnung der Sterne« zu einem modernen, feministischen Science-Fiction-Roman.

 

Das Buch ist der erste Teil eine Serie von sogenannten »Lady-Astronaut«-Romanen. Das ist ein Fakt, den der deutsche Verlag Piper nicht erwähnt. Die Geschichte war ursprünglich auf zwei Teile angelegt, da Kowal beim Schreiben und Recherchieren gemerkt hat, dass der Stoff unter ihren tippenden Fingern immer umfangreicher wurde. Man sollte daher wissen, dass man nur die erste Hälfte der Story vorliegen hat, was einem erst beim Lesen das Nachworts eröffnet wird.

 

In den USA ist inzwischen ein dritter erschienen und für 2022 ein vierter Band angekündigt. Es ist jedoch stark anzunehmen, dass die folgenden Teile in nächster Zeit auch auf Deutsch erscheinen werden.

 

Das Fazit fällt leicht: Mit »Die Berechnung der Sterne« startet des SF-Jahr 2022 mit einem Hochkaräter. Das vielfach ausgezeichnete Werk hat alles, was ein guter SF-Roman braucht. Er schildert ein interessantes Was-wäre-Wenn?-Szenario, bietet facettenreiche Charaktere und beschäftigt sich mit Themen, die für die moderne Gesellschaft wichtig sind. Highly recommended.

 

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Buch:

Die Berechnung der Sterne

Reihe: Lady Astronaut Band 1

Original: The Calculating Stars, 2018

Autorin: Mary Robinette Kowal

Taschenbuch, 506 Seiten

Piper, 3. Januar 2022

Übersetzung: Judith C. Vogt

Titelillustration: Gregory Manchess (Silhouetten)

 

ISBN-10: 3492705979

ISBN-13: 978-3492705974

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B092LNG4LY

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 03.01.2022, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 20475