Die Einsamkeit des Todbringers (Autor: Greg F. Gifune)
 
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Die Einsamkeit des Todbringers von Greg F. Gifune

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Das ging ja fix: Kaum, nachdem das Echo von Greg F. Gifune beeindruckendem deutschsprachigen Einstand, Blutiges Frühjahr verklungen ist, legt Festa bereits nach. Sehr zur Freude der hiesigen Leserschaft? Oder traut der engagierte Kleinverlag aus Leipzig einem seiner neuesten Zugpferde letztlich doch zu viel zu?

Es ist auf jeden Fall unbestreitbar, dass Gifunes prosaische Qualitäten unter allen Umständen ihresgleichen suchen. Diese herb-bittere Mischung, welche schon im »Blutigen Frühjahr« die Sinne liebkoste, hebt sich definitiv vom Großteil der gegenwärtigen Genre-Vertreter ab. Falls überhaupt, so kann man den Stil des in Massachusetts residierenden Autoren vielleicht mit dem von Altmeister Peter Straub vergleichen – ohne die zumeist lästigen Leerläufe. Trotz allem bleibt Gifune stets erfrischend direkt und konsequent; sind seine Erkundungsreisen hin zu den verworrendsten Ecken der menschlichen Seele unverblümt und grundehrlich. Demzufolge braucht es auch so gut wie keinen übernatürlichen Zusatz; sind die detaillierten Offenlegungen von getriebenen menschlichen Wesen Horror genug.

 

Überraschenderweise startet Die Einsamkeit des Todbringers dann aber doch auffallend phantastisch, bevor der Leser unvermittelt in das sehr reale Dasein von Protagonist Dignon Malloy geworfen wird; seines Zeichens Alkoholiker und stark tablettenabhängig. Seine trostlose und von Einsamkeit dominierte Existenz wird ferner von jenem Molch einer Stadt verstärkt, die dank ihrer seelenlosen Monotonie aus grauen Gebäuden und Rauchspuckenden Fabrikschornsteinen eine perfekte Ergänzung darstellt. Selbst der Ausblick auf die kalten Wogen des Meers bieten lediglich Ernüchterung statt Hoffnung – wenngleich ausgerechnet dort ein sonderbares Wesen aus den eisigen Fluten entsteigt. Eine Frau? Ein Traum?

Von all dem hat Dignon keine Ahnung. Oder von den, seine Existenz umkrempelnden Ereignissen, die mit dem Erwerb eines alten Buches einhergehen: »Mystische Wesen in einer sterblichen Welt«. Spätestens nach dem Lesen des Titels ist es um ihn geschehen; nimmt die geheimnisvolle Natur des Werks Dignon vollends gefangen – wie auch der darin enthaltene Name der einstigen Besitzerin, Bree Harper, die ferner auch ihre Telefonnummer niedergeschrieben hat. Prompt ringt Dignon mit sich selbst: soll er die Frau anrufen? Oder es doch lieber belassen?

Letztlich siegen Neugier und die Möglichkeit, einem weiblichen Wesen nach so langer Zeit zu guter Letzt wieder ein wenig näher zu kommen. Wobei sich Dignon vom Start weg keinen Illusionen hingibt: was würde eine Frau von einem übergewichtigen und arbeitslosen Mann in mittleren Jahren auch schon wollen?

Doch es kommt anders. Bereits nach ihrer ersten Begegnung bildet sich ein unsichtbares Band zwischen ihm und der gleichermaßen attraktiven wie klugen Bree. Bis die ersten finsteren Wolken am Horizont in Form von Brees Ex-Freund aufziehen, der Dignon eindringlich davor warnt, sich auf eine Beziehung mit ihr einzulassen. Doch welchen Grund könnte solch eine Warnung haben? Je weiter sich Dignon mit den „Mystischen Wesen in einer sterblichen Welt“ beschäftigt, desto näher scheint er der Lösung zu kommen – einer gleichermaßen erschreckenden wie unglaublichen Lösung …

 

Nüchtern betrachtet, präsentiert sich »Die Einsamkeit des Todbringers« als fragmentarische Collage einer in derselben Weise getriebenen wie bemitleidenswerten Seele. Allerdings ist die rätselhafte Natur der Geschichte gewollt und zudem mit meisterhafter Feder verfasst. Wie auch schon beim Vorgänger, ist man dem Enigma des Werks binnen weniger Seiten verfallen, welches dank seiner traurigen, mitunter sogar ins Deprimierende abrutschenden Natur sehr bewegend ist und nachdenklich stimmt. Dazu gehören auch teilweise die gelegentlich auftauchenden übernatürlichen Einsprengsel, welche einen rätseln lassen: gibt es sie tatsächlich? Oder sind sie doch nur Teil von Dignons Imagination? Auch hier lässt Gifune sehr viel Freiraum für Interpretationen. Fest steht aber, dass sie die perfekten Glieder der einzelnen Episoden darstellen und den verführerisch-traurigen Hauch sogar noch intensivieren. Dadurch kristallisiert sich die Einsamkeit des Protagonisten noch stärker hervor und sorgt letztlich dafür, dass man sein eigenes Dasein hinterfragt – lange, nachdem man den letzten Satz gelesen hat. Das vielleicht beste Kompliment, das man machen kann.

 

Fazit:

Melancholisch, düster, unheimlich – »Die Einsamkeit des Todbringers« ist eine Perle der modernen Dark Fantasy. Stets irgendwo zwischen dunkler Phantastik und trauriger Charakterstudie pendeln, reißt Gifune den Leser von Beginn an in seinen Bann, der weit über die Seiten hinaus geht. Ein Werk, das Seinesgleichen sucht.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240507072308fb7abcd3
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Buch:

Die Einsamkeit des Todbringers

Originaltitel: Blood in Electric Blue

Autor: Greg F. Gifune

Übersetzung: Michael Weh

Taschenbuch, 256 Seiten

Festa Verlag, 18. August 2011

 

ISBN-10: 3865520987

ISBN-13: 978-3865520982

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 12.11.2011, zuletzt aktualisiert: 05.05.2024 12:12, 12216