Die Legende vom letzten König (Autorin: Ellen Kushner, Delia Sherman; Swords of Riverside)
 
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Die Legende vom letzten König von Ellen Kushner und Delia Sherman

Reihe: Swords of Riverside

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Basil St. Cloud ist ein weltfremder Althistoriker. Er unterrichtet an der Universität die Frühzeit der Könige. Ein heikles Thema, vor allem wenn man die gewohnten Bahnen verlässt, schließlich gelten die Könige als wahnsinnige Tyrannen – seit der letzte König von aufständischen Adligen ermordet wurde. Zusätzlich sprach der Adelsrat ein Verbot aus: Man darf nicht über Magie reden. Manche wundern sich im Geheimen warum, denn Magie gibt es nicht und hat es nie gegeben. In letzter Zeit hat es zudem wieder Unruhen in der Bevölkerung des Nordens, der Heimat der Könige und ihrer Zauberer, gegeben und in der Stadt tauchen Hinweise auf einen Geheimbund auf, der die alten Traditionen trotz Verbot aufrecht hält. Als St. Cloud seinen akademischen Konkurrenten Dr. Crabbe zum Disput herausfordert, wird die Angelegenheit zum Politikum, denn es wird um die Magie der Zauberer gehen. Doch einstweilen liegt der Disput noch in ferner Zukunft und St. Cloud beginnt eine Affäre mit Theron Campion, dem Sohn vom Irren Herzog und damit Erben des Herzogtums Tremontaine. Der Student der Rhetorik hat seine eigenen Probleme – unter anderem träumt er stets von einem dunklen Mann, der ihm zum König machen will. Der Schlangenkanzler Arlen wittert Hochverrat und setzt den skrupellosen Lord Nicholas Galing auf die Angelegenheit an.

 

Eine Eigenwilligkeit des Setting zuerst: St. Cloud unterrichtet in der Universität in der Hauptstadt des Reichs. Weder das Reich, noch die Stadt oder die Universität werden benannt – wohl aber der Lehrstuhl um den St. Cloud und Crabbe sich streiten: Es ist der Horn-Lehrstuhl. St. Cloud kommt aus Threons persönlicher Domäne Highcombe und beide tummeln sich im verrufenen Stadtviertel Riverside herum. Das setzt sich bei der Beschreibung der Entitäten fort. Über den Aufbau von Staat, Stadt und Gesellschaft im Allgemeinen erfährt man nur wenig – es gibt einen Adelsrat und das war's im Großen und Ganzen. Wenn es aber konkreter wird, dann können die Autorinnen recht ausführlich werden. Bei Festen werden der religiöse oder historische Hintergrund, die Stimmung, die Anwesenden und ihre Aktivitäten detailliert beschrieben, die Einrichtung von Zimmern oder die Kleidung von Adligen werden immer mal wieder über Absätze ausgebreitet . Das Bild das da gezeichnet wird ist dabei recht heterogen, denn der technologische Stand entspricht (seit einigen hundert Jahren) etwa der vorindustriellen Neuzeit – es gibt Buchdruck, Degen und Dolche, aber weder Pistolen noch Eisenbahnen – doch viele Traditionen erinnern deutlich an das britische Keltentum der Antike (nicht umsonst war das Reich vor dem Sturz der Könige das Vereinigte Königreich) und die Haltung Religion und Magie gegenüber ist sehr rational und aufgeklärt. Bemerkenswert ist die Haltung der Gesellschaft zur Homosexualität – diese gilt als schick und so sind entsprechende Ausschweifungen bei den eh' schon homoerotischen Studenten- und Männerbünden gang und gäbe.

Es gibt zwei phantastische Elemente. Einerseits der fiktive Schauplatz und andererseits die Magie der alten Zauberer, die sich langsam in die Geschichte zurückdrängt. Die Magie ist schwer zu greifen, da die Zauberformeln zu manischem Verhalten oder einer allgemeinen, aber nicht direkt sichtbaren Verbesserung der Lage führt; Feuerbälle oder dergleichen gibt es keine.

Insgesamt wird der konkreten Beschreibung des Schauplatzes recht viel Raum gewährt, aber der Mangel an größeren Strukturen – sieht man von der Akzeptanz der Homosexualität ab – lässt das Setting weitgehend ein Ambiente bleiben.

 

Die Anzahl der auftretenden Figuren ist sehr hoch – es gibt knapp zwanzig Figuren, die Plot-relevant sind und etliche benannte Statisten, von denen einige wiederum dem Leser aus dem Roman Die Dienerin des Schwertes (s. U.) bekannt sein könnten; man wünscht sich ein Dramatis Personae um wenigstens grob alle Figuren einordnen zu können. Bei dieser großen Zahl können die meisten Figuren natürlich nur sehr begrenzt detailliert ausgeführt werden – ein oder zwei Charakterzüge, ein Kippen in der Haltung, mehr ist selten machbar, daher wirken einige der weniger wichtigen Figuren klischeehaft. Bei den wichtigeren Figuren wird dieses vermieden, weil entweder ausreichend differenziert wird oder Klischees verwendet werden, die unüblich für die Fantasy sind.

Im Mittelpunkt der Ereignisse stehen Dr. Basil St. Cloud und Theron Campion. St. Cloud ist ein junger Gelehrter aus Highcombe. Er sollte eigentlich Jura studieren, doch er entschied sich für die Altgeschichte, genauer gesagt, die Zeit der Vereinigung der Reiche. Zwar kann er seinen Konkurrenten Dr. Crabbe nicht ausstehen, weil dieser opportunistische Speichellecker nur Bekanntes wiederkäut (und selbst dabei Fehler macht), doch St. Cloud ist weltfremd und kaum am Tagesgeschehen interessiert und so ist es sein Freund Rugg, der ihm die Idee eines Disputes nahe bringt. Gewinnt St. Cloud, kann man ihm den Horn-Lehrstuhl kaum mehr verweigern und der ehrgeizige Wissenschaftler kann sich an die Revolutionierung der Geschichtswissenschaft machen. Zunächst hat sich der Spießbürger St. Cloud jedoch in den adligen Theron verliebt und beginnt eine Affäre mit ihm. Theron studiert zwar schon seit Jahren, doch da er recht wankelmütig ist, wechselte er in der Vergangenheit häufiger das Studienfach. Der junge Mann ist eine zerrissene Seele: Einerseits will er den Ansprüchen seines Umfeldes, vor allem seiner Mutter Sophia und seiner Tante der Herzogin Katherine, genügen, doch andererseits ist er launisch, nicht sonderlich verantwortungsbewusst und oft genug wird ihm gesagt, er solle der Familie keine Schande bereiten, eben weil frau genau dieses von ihm erwartet. Entsprechend spielt er mehr den Adligen, als er es tatsächlich ist und wenn der bürgerliche St. Cloud ihn wegen der adligen Arroganz kritisiert, verträgt Therons schwaches Selbstbewusstsein dieses kaum – er spielt dann den beleidigten Adligen. Eigentlich ist Theron nur ein unsicherer, spät pubertierender Junge.

 

Einen klaren Plot gibt es nicht, dafür ein Gewirr von mehr oder weniger gleichwertigen Plots, die sich in der Handlung und den Themen überschneiden. Da ist zunächst St. Clouds Disput mit Crabbe. Hier bei handelt es sich um einen Rätselplot mit Elementen eines Rivalitätsplots: Gab es in der Vergangenheit wirklich Magie? Wie kann man das beweisen? Damit verknüpft ist die Verschwörung der Nördler und die Untersuchungen Nicholas Galings. Dann ist da die Liebesgeschichte zwischen Basil und Theron, die wieder eng mit Therons Entwicklungsgeschichte verbunden ist – wird Theron glücklich mit Basil? Wird er seinen angestammten Platz in der Gesellschaft einnehmen? Dann gibt es noch einige Nebenplots um den zickigen Studenten Henry Fremont, den gradlinigen Justis Blake, eine Art Sittengemälde der homosexuellen Gesellschaft und anderes.

Ähnlich weit gestreut liegen denn auch die Spannungsquellen: rasante Verfolgungsjagden, blutige Messerduelle und Schlägereien, düstere Intrigen, pikareske Listen, Rätsel und Romantik – es ist eigentlich von nahezu allen denkbaren Arten etwas dabei. Daraus erwächst auch ein großes Problem für den Roman, denn die Spannungsquellen verstärken einander nicht in der Wirkung, wie dieses etwa Hannah Tinti mit dem Kontrast zwischen harscher Brutalität und pikareskem Humor in Die linke Hand gelang, sondern bremsen einander aus. Hinzu kommt, dass die Themen nicht unbedingt originell sind: Das Buch beginnt im Winter und endet im Frühling, dass dieses ein Hinweis auf die Renaissance der Magie ist, liegt auf der Hand: Es ist ein klassisches thickening. Die Rückkehr des verborgenen Königs ist auch nicht so neu, eben so wenig, dass das Wohlergehen des Landes mit dem Blut der Könige verbunden ist. Interessanter ist dann schon die Verwendung des Themas: Schicksalsmacht gegen Menschenkraft.

Auch dem Plotfluss kommt das Gewirr nicht zu gute: Zu Vieles beginnt gleichzeitig, zu Vieles entwickelt sich zu langsam; erst ab der Hälfte des Romans beginnen die Spannungsquellen zu wirken. Das Buch fordert einiges an Geduld vom Leser. Man wünschte sich, die Autorinnen hätten zwei Romane daraus gemacht.

Hier ein Wort zu Die Dienerin des Schwertes. Eigentlich wurde die Dienerin vier Jahre nach Die Legende vom letzten König geschrieben (es ist der im Nachwort angekündigte Roman), doch das Geschehen ist etwa fünfundvierzig Jahre zuvor angesiedelt. Es passt daher durchaus, dass Goldmann die Legende nach der Dienerin veröffentlichte. Die Verbindungen zwischen den Romanen sind recht locker: Katherine, Therons Tante, ist in der Dienerin die Hauptfigur, doch in der Legende nur eine Nebenfigur, und die Zeit und Last der Verantwortung haben sie zudem sehr verändert; ähnliches gilt für die anderen Verknüpfungen.

 

Erzähltechnisch ist der Roman recht konventionell, sieht man von den vielen Plots ab. Es gibt eine Handvoll von Handlungs- und Erzählsträngen, die aus personaler Perspektive erzählt werden; es sind dabei so viele Perspektivfiguren, kurze Szenen und viele Wechsel, dass der Unterschied zur auktorialen Erzählhaltung gering ist. Die Stränge verlaufen progressiv, mit Ausnahme der Nachforschungen der Historiker.

Der Stil neigt aufgrund vieler aufgedeckter Gedankengänge zum Umgangssprachlichen – Historizität sollte man dabei nicht erwarten. Die Sätze sind zwar variabel, neigen aber zur Länge; Schachtelsätze werden allerdings selten verwendet und selbst diese bleiben leicht verständlich.

 

Fazit:

Der ehrgeizige Althistoriker Basil St. Cloud und sein Geliebter Theron Campion stehen im Zentrum eines Geschehens, das nicht nur die Welt der Wissenschaft revolutionieren könnte und daher von gewissen Adligen argwöhnisch beobachtet wird. Die Legende vom letzten König ist ein schwer zu bewertender Roman. Viele verschiedene Gewürze geben eben nicht automatisch ein gutes Gericht ab – man wünschte sich, die Autorinnen hätten sich auf die originellen Aspekte der Geschichte konzentriert. So ist ein Buntes Allerlei herausgekommen, bei dem für die meisten Leser etwas dabei ist, das aber kaum einen Leser zur Gänze befriedigen wird.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240507140939a503c266
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Roman:

Titel: Die Legende vom letzten König

Reihe: Swords of Riverside

Original: The Fall of the King

Autor: Ellen Kushner/Della Sherman

Übersetzer: Karlheinz Dürr

Verlag: Goldmann

Seiten: 668 - Broschiert

Titelbild: Roma B. Kukalis

ISBN-13: 978-3-442-46865-2

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 27.04.2009, zuletzt aktualisiert: 05.05.2024 12:12, 8638