Die Magierin (Autorin: Samantha Shannon; Der Orden des geheimen Baumes 1)
 
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Die Magierin von Samantha Shannon

Reihe: Der Orden des geheimen Baumes Teil 1

 

Rezension von Matthias Hofmann

 

Im Bereich der Fantasy ist der neue Roman von Samantha Shannon eine Art aussterbende Spezies. Es handelt sich bei Der Orden des geheimen Baumes um einen alleinstehenden Roman. Es ist kein Auftakt einer Trilogie oder gar eines mehrbändigen Zyklus’.

 

Die deutsche Ausgabe spiegelt dies nicht wider, da die Originalausgabe rund 800 Seiten umfasst. Das war offenbar zu mächtig. Oder vielleicht auch eher die Lizenz zu teuer? Jedenfalls hat der Verlag Penhaligon aus dem singulären Original-Ziegelstein zwei deutschsprachige Bücher von immerhin rund 500 Seiten gemacht, die im Abstand von einem Monat erschienen sind. Der erste Teil bekam den Untertitel Die Magierin.

 

Die Autorin war bislang mit der Bone-Season-Serie erfolgreich. »Der Orden des geheimen Baumes« ist ihr vierter Roman und war im Original ein vielgelesener Bestseller. Dadurch wurde er in den einschlägigen Internetforen entsprechend von vielen Stimmen gehypt. Scannt man durch die Stimmen der Leserschaft, so erscheint diese vor allem weiblich zu sein. Das verwundert nicht, schließlich geht es laut Klappentext um »mächtige Frauen«, die die Welt lenken, »ob als Königin, Magierin oder Drachenreiterin«. Und Drachinnen gibt es auch.

 

In ihrem Essay Damsels Undistressed, veröffentlicht im März 2020 auf der Webseite Unbound, schreibt Shannon von dem Trend der steigenden Beliebtheit von Neuinterpretationen alter Erzählungen, die dadurch geradezu eine Renaissance erfahren. Als sie im April 2015 den Roman »Der Orden des geheimen Baumes« zu schreiben begann, war eines ihrer Ziele, die Legende vom Heiligen Georg, der mit dem Drachen kämpft, zu bearbeiten. Vom Drachentöter Georg, der eine Prinzessin rettete, die dem bösen Ungeheuer geopfert werden sollte, hörte sie zum ersten Mal in der Grundschule.

 

Die Story besteht aus drei Grundelementen: einem mutigen Ritter, einer Prinzessin in Not und einem Drache, der beide umbringen will. Im Grunde ist es eine dieser uralten Plots, in denen unausweichliche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Als Shannon älter wurde und sie den Feminismus für sich entdeckte, sah sie den Heiligen Georg mit anderen Augen. Insbesondere die Passivität der Prinzessin begann sie zu nerven und sie beschloss, bei ihrer Aufarbeitung des Stoffes, der weiblichen Protagonistin eine Stimme zu geben.

 

Es dauerte fast vier Jahre, jede Menge Recherche, aber vor allem viel Liebe zum Detail, um eine reichhaltige neue Welt zu erschaffen, wie es Samantha Shannon für ihren Roman getan hat. Mehr »World Building« geht nicht. Böse Zungen könnten behaupten, das Maß wäre voll. Und in der Tat, es werden jede Menge Charaktere (lebend und tot) aufgeboten, verschiedene Kontinente, alte Legenden, die allesamt mit einem überbordenden Verzeichnis im hinteren Teil des Buchs aufgelistet werden. Dazu gibt es zwei detailreiche Landkarten und ein Glossar, das den leseerprobten Schmökertanten eine helle Freude sein dürfte, aber für das durchschnittliche Fantasylesepublikum eine enorme Anstrengung bereiten dürfte. Man ertappt sich immer wieder dabei, wie man hin- und her blättert, um Namen und Begriffe nachzuschlagen, oder um Orte auf den Landkarten zu finden.

 

Die Handlung ist aufgeteilt auf vier Personen, zwei Frauen und zwei Männer, wobei die Männer und ihre Handlungsstränge eher langweilig sind. Da ist Ead Duryan, die eigentlich Eadaz du Zala uq-Nara heißt, eine Novizin vom Orden des geheimen Baumes, die undercover als gewöhnliche Kammerzofe am Königlichen Hof von Sabran IX dient, die interessanteste Figur. Des Weiteren Tané, die als Waise zur Drachenreiterin ausgebildet wird und die beiden Männer Arthelot Beck, engster Freund von Sabran IX, und Niclays Roos, ein Anatom und Alchimist, der von Sabran IX verbannt wurde.

 

Die Welt ist aufgeteilt in West und Ost, sowie etwas Süd und Nord. Im Westen kann man Drachen nicht ausstehen und sieht sie lieber tot als lebendig. Im Osten ist es genau das Gegenteil, dort werden diese Fabelwesen geschätzt und es gibt eine kooperative Koexistenz.

Über allem hängt eine uralte Bedrohung des Namenlosen Einen, ein Riesendrache, ein sogenannter Wyrm, dessen Auferstehung das Ende der Welt bedeuten könnte.

 

Das ist die absolute Kurzfassung des Plots, der natürlich jede Menge Seitenstränge, eine gute Portion Intrigen, Überraschungen und eine Prise Mord und Totschlag bietet. Während der Roman alle Zutaten bietet, die gute Lektüre haben muss, hat er das Problem, dass er so detailverliebt ist, dass man mindestens 200, eher aber 300 Seiten, braucht, um das Gefühl zu haben, dass man in der Handlung und damit der erfundenen Welt angekommen ist. Man wird schlicht von zu vielen Details erschlagen und laviert sich eher mühsam durch den ersten Teil des Buchs. Wenn es ein Fantasyroman, der in der letzten Zeit neu erschienen ist, verdient hat, das Etikett »akribisch« aufgedrückt zu bekommen, dann dieser.

 

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass das Werk an manchen Stellen zu ausschweifend, und damit zu lang, geraten ist. Man hätte gerne einhundert Seiten straffen und streichen können und würde nichts vermissen.

 

Da es sich bei »Der Orden des geheimen Baumes: Die Magierin« nur um den ersten Teil eines Ganzen handelt, möchte man natürlich wissen, wie die Geschichte zu Ende geht. Die von Shannon angekündigten feministischen Aspekte halten sich auf den ersten 500 Seiten in Grenzen. Dass ein Königinnenreich wie das von Inys über Generation nur von Königinnen bzw., einem Matriarchat regiert wird und ähnliches, ist nichts spektakulär Neues.

 

Das Buch sei allen empfohlen, die sich gerne in Fantasywelten lesetechnisch festfressen, völlig darin eintauchen wollen und denen ein solcher Roman nie lang genug sein kann. Wer dann noch ein Faible für Adelshäuser und deren Gepflogenheiten hat sowie Drachen mag, ist hier goldrichtig.

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Buch:

Die Magierin

Reihe: Der Orden des geheimen Baumes Teil 1

Original: The Priory of the Orange Tree [S. 1-404], 2019

Autorin: Samantha Shannon

Hardcover, 544 Seiten

Penhaligon, 21. September 2020

Übersetzung: Wolfgang Thon

Karten: Emily Faccini

 

ISBN-10: 3764532394

ISBN-13: 978-3764532390

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B086V7FRG3

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 19.11.2020, zuletzt aktualisiert: 05.05.2024 12:12, 19181