Die Tiefen der Zeit (Autor: Vernor Vinge)
 
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Die Tiefen der Zeit von Vernor Vinge

Erzählungen

Rezension von Ralf Steinberg

 

Vernor Vinge sorgte in den letzten Jahren durch seine beiden Romane Eine Tiefe am Himmel und Ein Feuer auf der Tiefe für große Beachtung vor allem im Hard-SF Bereich. Der Professor für Mathematik und Informatik schuf mit seinem strukturierten Universum und den Zonen des Denkens eine zum Teil sehr abstrakte Welt, die dennoch von großer Faszination ist, auch wenn man sich nicht mit Vinges Singularitätslehre auf Du und Du befindet.

Es reicht eigentlich der Satz aus, dass in der Singularität, physikalische (oder andere) Gesetze so nicht gelten, oder nicht ausreichen, die Verhältnisse dort zu beschreiben.

Das Vinge sich mit Singularitäten beschäftigt, mag logisch erscheinen, schließlich sind sie in aller erster Linie mathematische Konzepte. Wie daraus eine literarische Verarbeitung wurde, dokumentiert der Band Erzählungen Die Tiefen der Zeit.

 

In 18 Geschichten nähert sich Vernor Vinge den verschiedenen Aspekten, die besonders in Ein Feuer auf der Tiefe eine Rolle spielen. Der Leser erfährt durch Kommentare des Autors vor und nach den Geschichten nicht nur näheres über deren Entstehungsgeschichte, immer wieder werden sie auch in sein literarisches Werk eingeordnet und zeigen somit auf, wie Vinge langsam, Idee für Idee, seinem großen Thema der technologischen Singularität näher kam.

Ob er nun untersuchte, wie solche Singularität verzögert wird, etwa durch Krieg und deren Nachwirkungen, wie in „Die Unregierten“ oder „Die Tiefen der Zeit“. Welche Richtung geht eine Zivilisation auf der Erde, die durch den Großen Krieg nur kurz in ihrer Entwicklung behindert wird?

Oder ob er in „Die Absonderung“ und „Kampflose Eroberung“ vor allem auch die psychologischen Nachwirkungen solcher komplexren Veränderungen in der Zivilisation, bis hin zum Kontakt mit anderen Zivilisationen erforscht.

Dabei testet Vinge stets Wege aus, die so noch nicht näher beschritten wurden, zumindest soweit er davon Kenntnis hatte. Dabei entstehen spannende Konstrukte wie die Rudelwesen, wie sie Ein Feuer auf der Tiefe und hier in der Erzählung „Die Plapperin“ vorkommen, oder die Entwürfe anarchistischer Gesellschaftsformen, wie in „Die Unregieten“ oder „ Kampflose Eroberung“. Oder jene Rasse aus „Mit der Sünde geboren“, die noch kurzlebiger, intelligenter und aggressiver sind als wir Menschen, die in zwei Jahren Lebenszeit nicht nur keine Zeit zu verschenken haben, sondern auch noch beständig darum kämpfen müssen, zivilisiert zu bleiben.

Vinge offenbart uns mit seinen Kommentaren zu den Geschichten immer auch ein kleines Stück seiner Arbeitsweise, erzählt von seiner Sammlung Karteikärtchen, auf die er die Ideen sammelt und wie aus diesen Ideen, manchmal mit Hilfe anderer, dann irgendwann eine Story wird, mit der er zufrieden ist und die er so auch verkaufen kann. Diese Kommentare machen aus der Kurzgeschichtensammlung ein wirkliches Highlight.

Natürlich nicht nur dadurch. Vernor Vinge ist ein exzellenter Erzähler, der den Leser ohne Mühe durch die unterschiedlichen Szenarien zieht, seien sie auch experimenteller, wie „Weitschuss“, mit eine Sonde als Protagonist, oder „Gewinne einen Nobelpreis!, das Vinge für das Magazin Nature schrieb.

Wenn man das hochspannende Das Cookie-Monster beendet hat, ist man bass erstaunt, tatsächlich fast 800 Seiten Kurzgeschichten gelesen zu haben.

 

Einen großen Anteil an dem hervorragenden Eindruck des Buches hat sicherlich auch die sorgfältige Bearbeitung der deutschen Ausgabe, die mit einer ausführlichen Quellenangabe ausgestattet wurde und auch Rückschlüsse auf die Arbeit der Übersetzer zulässt, wenn etwa erwähnt wird, dass fast alle bisherigen Übersetzungen durch Erik Simon bearbeitet wurden, dessen Qualitätsanspruch so überirdisch hoch, wie berühmt ist. Für Die Tiefen der Zeit führte er sogar Rücksprachen mit dem Autor. Simon übersetzte bereits Ein Feuer auf der Tiefe und wer weiß, vielleicht erscheinen Erik Simons Erzählungen ja irgendwann einmal in einer englischen Übersetzung von Vernor Vinge.

 

Fazit:

Die Tiefen der Zeit ist eine erstklassige Zusammenstellung der Erzählungen von Vernor Vinge mit lesenswerten Kommentaren des Autors. Die Geschichten sind bunt und fesselnd, wie die Fantasie ihres Autors, der damit beweist, dass er zu den ganz großen der SF gehört.

Selten genug kann man den Lobeshymnen zustimmen, die Heyne auf die Backcover seiner Bücher knallt, dieses Buch bildet die grandiose Ausnahme!

 

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Buch:

Die Tiefen der Zeit

Erzahlungen

Autor: Vernor Vinge

Übersetzer: Erik Simon, Hannes Riffel, Sylvia Pukallus, Joachim Körber, Werner Vetter, Franziska Zinn

Taschenbuch, 796 Seiten

Heyne, März 2006

 

ISBN: 3453521323

 

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 16.06.2006, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 2403