Diebeszug (Autor: Dirk Taeger)
 
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Diebeszug

Autor: Dirk Taeger

 

Der Rauch schlängelte sich der Decke entgegen. Die Taverne war gut gefüllt. Der Geräuschpegel im Schankraum war so hoch, daß man Schwierigkeiten hatte sein eigenes Wort zu verstehen. In einer Ecke, die von den anderen Tischen etwas abgeschirmt war, saßen zwei Männer.

 

Dunkelblondes, struppiges Haar zierte den Kopf des einen, der gerade den Bierkrug zum Mund führte. Der andere, mit ungepfegtem, fettigem Haar, redete auf den ersten ein.

 

"Ich sagte dir doch, Heazel, es ist ganz ungefährlich."

 

Der mit Heazel angesprochene lachte heiser auf. "Als du das dass letzte Mal zu mir gesagt hattest, da konnten wir unseren Arsch gerade noch retten, Brag."

 

"Was kann ich dafür", verteidigte sich Brag", daß die Stadtwachen ihre Wachpläne geändert hatten."

 

"Pah, wir können von Glück sagen, daß wir hier sitzen und nicht am Stadttor hängen, Prost."

 

"Na ja," gab Brag kleinlaut zu, "vielleicht hast du recht. Doch diesmal gibt es wirklich keinerlei Risiko." Brag verstummte als eine Schankmaid vorrüberlief. "Der alte Händler geht heute Abend zu eine paar Freunden, um Karten zu spielen. Er hat nicht einmal einen Hund oder Knecht. Es ist ganz ungefährlich." "Das hast du schon einmal gesagt", erwiderte Heazel", wohnt sonst noch jemand im Haus." "Ich habe den Laden schon eine Zehnspanne lang beobachtet und niemanden bemerkt. Außer das Gold in der Ladenkasse und die wertvollen Gewürze." Heazel nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug. Dann winkte er der Schankmaid zu, die sofort zwei neue Mat Bier brachte. Brag wartete gespannt was Heazel sagen würde. Sein Bier interessierte ihn im Augenblick nicht besonders. Heazel blickte auf und sagte: "Nun gut, ein letztes Mal vertraue ich dir Brag und ich will verflucht sein, wenn du mal wieder Mist baust."

 

***

 

Der Mond war schon untergegangen als Heazel und Brag aus der Taverne kamen. Fluchend zogen sie ihre Umhänge dichter zusammen, denn es war nachts schon ziemlich kalt geworden auf Yjan-Calliorns Straßen.

 

Die beiden Männer hatten sich heute mit dem Trinken zurückgehalten. Erst wollten sie ihren Diebeszug hinter sich gebracht haben, dann war immer noch genügend Zeit, das erbeutete Gold zu versaufen.

 

Dennoch ganz nüchtern waren sie nicht. Es dauerte nicht allzu lange, da hatten sie das Objekt ihrer Raffgier erreicht.

 

Im Schatten des gegenüberliegenden Gebäudes schauten sie zum Laden hinüber. Ein in dicken, goldenen Lettern geschriebenes Schild über dem Laden verkündete: Avals Gewürzladen - Erlesen Waren aus allen Teilen Talastans.

 

Haezel lachte in sich hinein. Brag hatte nicht zuviel versprochen. Es schien wirklich ein guter Fischzug zu werden. Beide Männer schauten sich kurz an, dann schlichen sie über die leergefegte Straße.

 

***

 

Sarah schlief in ihrem Zimmer, das über dem Laden lag. Sie war erst gestern von einem Besuch bei ihrer Tante zurückgekehrt. Dort hatte sie einen ganzen Mond über ihre Zeit verbracht.

 

Sarah wachte auf, als sie unten etwas poltern hörte. Sie setzte sich auf und lauschte. Ihr Vater konnte es nicht gewesen sein, der müßte noch mit seinen Freunden Karten spielen.

 

Sarah entschied sich nachzusehen, was im Laden los war. Vielleicht hatte sich eine Katze verirrt. Sie zog einen Umhang über ihr Nachthemd und schlüpfte in die Hausschuhe, dann verließ sie das Zimmer.

 

An der Treppe angelangt, die hinunter in den Laden führte, blieb sie stehen und horchte.

 

Sie konnte nichts wahrnehmen, so entschloß sie sich, die Treppe hinabzusteigen. Der Verkaufsraum lag im Halbdunkel da. Der Mond, der durch das Fenster hereinschien erhellte die ganze Szene. Sarah roch den Pfeffer, Koriander , Zimt und all die anderen Gewürze, die hier verkauft wurden.

 

An der untersten Treppenstufe angekommen trat sie in den Verkaufsraum ein. Plötzlich wurde sie von hinten ergriffen und eine Hand legte sich um ihren Mund. Sarah versuchte ihre Panik niederzukämpfen. Eine Stimme raunte in ihr Ohr: "Kein Mucks, sonst ist es um dich geschehen."

 

Von anderswo zischte eine Stimme: "Du Idiot, Brag. Du hast doch gesagt, daß niemand hier wäre."

 

Der Mann der sie festhielt, erwiderte: "Woher sollte ich den wissen, daß das Luder hier ist." Dann sagte er zu ihr: "Ich nehme jetzt meine Hand weg und komm' ja nicht auf die Idee zu schreien. Dann schlag ich dich nieder." Sprachs und drehte sie um, um in ihr Gesicht zu sehen.

 

"Was machst du hier", fragte Brag. Er sah ihr in die Augen und trotz des trüben Lichts glaubte er einen Grünschimmer in ihnen zu sehen.

 

"Ich wohne hier", erwiderte Sarah mit leicht zittriger Stimme. Was wollten die Männer von ihr.

 

"Erzähl' keinen Unsinn Kind", sagte Brag, "hier wohnt der Kaufmann Aval ganz allein und der ist heute Kartenspielen gegangen. Wer bist du also?"

 

"Ich bin seine Tochter." Brag wurde zornig. "Erzähl keinen Unsinn, ich habe den Laden über eine Zehnspanne beobachtet und nur der Kaufmann wohnt hier."

 

"Ich war eine zeitlang auf dem Land, bei meiner Tante."

 

Heazel war inzwischen herangetreten und sagte zu Brag. "Ich wußte doch, daß man dir nicht trauen kann. Um ein Haar hättest du es vermasselt. Und nun?"

 

"Ich wüßte schon, was wir machen könnten", erwiderte Brag. Er sah lüstern auf Sarah. Heazel bemerkte es und stieß ihn an: "Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Fessele sie und dann laß uns die Kasse endlich aufbrechen."

 

Sarah wurde an die Ladentheke gezerrt, gefesselt und bekam zuletzt noch einen Knebel in den Mund. Danach ließen sie die zwei Diebe liegen und machten sich mit ihren Messern an der Ladenkasse zu schaffen.

 

Sarah wußte, daß es noch eine Ganze Weile dauern würde, bis sie die Kasse aufgebrochen haben würden. Ihr schauerte, wenn sie daran dachte, was sie mit ihr danach anstellen würden.

 

Sie konzentrierte sich auf ihre Fesseln und langsam schien alles um sie herum in weite Ferne gerückt zu sein. Die Seile, die um ihre Handgelenke und Füße gewickelt waren, begannen sich zu bewegen, wie Schlangen, die unter den Bann eines Fakirs geraten waren. Langsam zogen sie sich zurück, versuchten ihre unnatürliche Verknotung aufzuheben. Dann fielen beide Stricke von ihr ab. Sarah blieb still und lauschte. Die Diebe schienen nichts bemerkt zu haben.

 

Sie sprang auf und versuchte zur Treppe zu gelangen. Fast hatte sie sie erreicht, da legte sich eine Hand um ihren Fußknöchel und sie stürzte. Grob wurde sie herumgerissen.

 

"Du kleines Luder! Noch einmal wirst du das nicht versuchen."

 

Eine flache Hand traf ihr Gesicht. Es brannte fürchterlich und Blut troff aus der aufgesprungen Lippe.

 

"Sei nicht so grob mit ihr, Brag."

 

"Ach, laß mich in Ruhe... argh!"

 

Sarah hatte genau zwischen die Lenden gezielt. Brag krampfte sich zusammen. Sarah kam frei und zog sich die Treppe hoch. Abermals wurde sie am Knöchel zurückgezogen. Sie strampelte und schrie wie verrückt. Dann drehte sie sich herum und schlug auf ihren Gegner ein. Dieser stieß sie von sich. Als Sarah auf den Boden aufschlug, wurde ihr die Luft aus den Lungen gepreßt. Japsend blieb sie liegen.

 

"Diesmal werde ich es dir zeigen, Luder!" Brag stand über ihr. Er zog sie hoch und schlug ihr ins Gesicht.

 

Sarah fehlte die Kraft zu schreien, nur ein Wimmern entrang sich ihrer Lippen. Sie wußte nicht wie lange es so weiterging. Nur, daß durch einen fernen Nebel eine Stimme zu ihr drang.

 

"Hör' auf damit, Brag. Wir sind Diebe keine Mörder."

 

"Das Luder hat mir in die Eier getreten."

 

"Laß sie in Ruhe."

 

Sarah wurde an der Wand abgesetzt und jemand beugte sich über sie.

 

"Du, Brag?"

 

"Ja." "Sie ist blind."

 

"Waas?"

 

"Wir haben es die ganze Zeit mit einer Blinden zutun gehabt."

 

"Du spinnst."

 

"Komm' her, überzeug' dich selbst."

 

Ein weiter Schatten beugte sich über sie. "Aber wie konnte sie dann..."

 

Aus einen verborgenen Winkel ihres Geistes kam es hervor. Sarahs Elend, Verzweiflung und Wut hatten es hervorgebracht. Instinktiv wußte sie, wie sie mit ihm umgehen mußte. Explosionsartig mit einem Schrei aus Sarahs Kehle entlud es sich. Aus jeder Pore Sarahs kam es und hüllte ihre Peiniger ein. Ein Feuer loderte so stark wie hundert Sonnen und verbrannte die Männer zu Staub.

 

***

 

Sarah wußte nicht, wie lange sie dagelegen hatte, als eine Hand sacht über ihre Haare strich.

 

"Sarah, hörst du mich?"

 

"Vater, bist du es?"

 

"Ja, ich habe gespürt, daß irgendetwas nicht stimmt. So bin ich früher zurückgekommen. Was ist passiert?"

 

Sarah erzählte ihm alles. Wenn sie nicht blind gewesen wäre, hätte sie seine blaugrünen Augen da und dort aufblitzen sehen können.

 

Als ihr Vater sie behutsam auf den Arm nahm, um sie zu Bett zu bringen, sagte er. "Ich werde morgen ordentlich putzen müssen. Hier liegt ne' Menge Staub rum."

 

© 1992 by Dirk Taeger

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404271757140f7ab1eb
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Erstellt: 28.07.2005, zuletzt aktualisiert: 27.09.2016 09:58, 825