Ehrengarde (Autor: Dan Abnett; Gaunt’s Ghosts 4)
 
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Ehrengarde von Dan Abnett

Reihe: Warhammer 40.000 – Gaunt’s Ghosts Band 4

 

Rezension von Jörg Pacher

Romane zu Rollenspielen gibt es ja mehr als genug, was aber noch nie bedeutetet hat, dass wir es mit Qualität zu tun kriegen. Glaubt man der englischsprachigen Szene, so ist Dan Abnett einer der wenigen, der es schafft überzeugende Bücher zu Spielen zu schreiben. Und tätig ist er ausschließlich in den Welten von Warhammer.

 

Das Warhammer-(40K-)Universum ist ohnehin ein besonderer Fall, hat es sich doch stärker in den Mainstream gefressen, als es seine Wurzeln jemals getan haben.

 

Diese Wurzeln liegen ziemlich deutlich in den zynisch-britischen 2000AD-Comics der Achtziger Jahre. Von all den unsympathischen 2000-AD-Helden sollte Judge Dredd eigentlich der bekannteste sein, aber natürlich wollen wir auch nicht Marshal Law oder Nemesis the Warlock vergessen. Einen schönen Dosis Metal derselben Dekade gehört ebenso zu den Wurzeln von Warhammer, wobei es hier jedoch eher um Death denn um Hair Metal geht.

 

Sowohl in den Comics als auch auf den Plattencovern der Thatcherjahre wurde eine bestimmte Ästhetik hochgehalten, die besagte: nur weil man etwas darstellt oder abbildet, muss man das nicht unbedingt gut finden oder sich gar damit identifizieren. Und so wirkt es, also würden hier faschistische Systeme und Todesmaschinerien zu Ende gedacht werden, die Autoren oder Zeichner aus dem Alltagsleben extrapolierten.

 

Enter Dan Abnett. Der Autor ist der Liebling der (reiferen) Warhammer-Fans und tatsächlich beginnt „Ehrengarde“ mit einem der fesselndsten ersten Sätze ever:

 

„They’d strung the king up with razor wire in a city square north of the river.”

 

Zumindest auf Englisch. Denn auf Deutsch klingt der Beginn doch ein wenig verquerter:

 

„Sie hatten den König mit Stacheldraht in der Stadt auf einem Platz nördlich des Flusses aufgeknüpft.“

 

Nachdem man sich als Leser der deutschen Übersetzung über diesen ersten Holpler gewagt hat, rückt die Sprache ohnehin bald in den Hintergrund. Hier gilt es schließlich militärische Sciencefiction zu verdauen, und oft erscheint es so, als wäre „Ehrengarde“ zuerst genau das und erst danach ein Warhammer-Roman.

 

Aber lassen wir uns einmal Zeit für einen kurzen Überblick über die Handlung: Kommisar-Oberst Gaunt und sein Tanither-Regiment, Mitglieder der Imperialen Garde, kämpfen auf der Schreinwelt Hagia gegen Chaostruppen um bedeutende Pilgerstätten. Als die Zitadelle - auf Geheiß des Oberkommandos – endlich (und überstürzt) erobert wird, stellt sich das jedoch als eine Falle heraus. Der Anführer der Chaostruppen, Pater Sünde, scheint noch einiges geplant zu haben und einige von Gaunts verwundeten Männern werden von religiösen Träumen verfolgt, oder besser gesagt, geleitet…

 

Vierhundert Seiten Platz also für jede Menge Gefechte und auch jede Menge Einflüsse. Der Häuserkampf gemahnt in seiner Dreckigkeit an Schilderungen aus dem Zweiten Weltkrieg, der Dschungelkampf dagegen an Vietnam-Filme. Fast erwartet man, dass die Tanither, das Surfbrett auspacken, wenn sie im Dschungel zum Fluss runter gelassen werden.

 

In dieser eklektischen Mischung, bekommt freilich auch das Warhammer-Universum seinen Platz. Nur die Charaktere selbst müssen ein wenig zurückstecken. Aber sie sind ja auch nicht hier, um sich zu entwickeln, sondern um für den Gott-Imperator Krieg zu führen und wenn selbst (oder gerade) die höheren Grade zu Statisten verkommen, gibt das nur die Totalität des rettenden Imperiums wieder.

 

Die Verteilung des Anstands scheint aber auch aus dieser Perspektive ein wenig simpel gelöst: je weiter oben in der Hierarchie, desto egoistischer, unfähiger und dekadenter sind nämlich die Feldherren und nie deutet Abnett den geschickten Ausweg an, dass deren Motive einfach für die Untergebenen mit weniger Übersicht übers Gesamtbild nicht nachvollziehbar sind.

 

Während Motivationen also nicht so Abnetts Metier sind, beweißt er dagegen umso mehr Gespür bei der Detailschilderung gotischer Elemente des archaischen Sciencefiction-Universums. Wenn der Blick des Erzählers über rosa Basalt oder die Werkzeuge eines Steinmetz’ schweift, dann könnte es sich kaum authentischer anfühlen tatsächlich dort zu sein. Um es in Filmsprache auszudrücken: Dan Abnett ist ein großartiger Requisiteur und wäre er Kameramann, er hätte den Blick für die richtigen Einstellungen.

 

An diesen großartigen Stellen merkt man, dass er ursprünglich aus dem Bereich Comics kommt.

 

Dramaturgisch ist der Aufbau des Romans aber gerade wegen des Anlegens eines Filmmassstabes dann doch ein wenig verunglückt. Bis im Vierhundertseiter wirklich etwas passiert (was dem ersten Plot Point entsprechen würde), vergehen glatt 100 Seiten. Das folgt zwar streng dem dreiaktigen Dramamodell, aber im Gegensatz zu einem 90-Minuten-Film, wird man hier dann doch ein wenig zu lange auf die Wartebank geschoben, wenn man ein Viertel ausharren muss, bis es zur ersten Wendung kommt.

 

Selbst der Klappentext scheint erst an diesem Punkt richtig anzuspringen, als würde die Geschichte hier erst richtig anfangen (und zwar nach der erwähnten Falle).

 

Da es auf den ersten hundert Seiten statt einen Blick in die Charaktere deren viele gibt, die zwar vorgestellt werden müssen, sich dann aber doch nicht recht zu unterscheiden, fühlt man sich dann beinahe wieder an kleine Miniaturen erinnert. Aber die sind ja auch schön und erfüllen ihren Zweck.

 

„Ehrengarde“ ist eindeutig dort am stärksten, wo es sich nach Warhammer 40K anfühlt und nicht nach dem Sampling diverser Kriegsfilmszenarien. Und es fühlt sich dort am stärksten nach Warhammer an, wo der Blick aufs Unbelebte schwenkt, auf die Kulissen und Requisiten. Sobald Charakter im Mittelpunkt stehen, wird das Buch ein wenig beliebig.

 

Das ändert aber nichts daran, dass es sich hierbei um spannendes Lesefutter handelt. Was wirklich neues sollte man zwar nicht erwarten, aber für einen Roman zum Spiel ist „Ehrengarde“ tatsächlich außergewöhnlich gelungen.

 

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Buch:

Ehrengarde

Reihe: Warhammer 40.000 – Gaunt’s Ghosts Band 4

Original: Honour Guard, 2001

Autor: Dan Abnett

Taschenbuch, 415 Seiten

Heyne, Januar 2006

Übersetzer: Christian Jentzsch

 

ISBN-10: 345352148X

ISBN-13: 978-3453521483

 

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Erstellt: 08.06.2006, zuletzt aktualisiert: 22.08.2023 13:24, 2358