Spielregeln
12 Seiten umfasst das Regelheft, was nach mehr klingt, als es ist: Mit einer angenehm großen Schriftgröße und reichlich Beispielillustrationen sind sie schnell gefüllt. Schnell wird klar: Das Spiel ist zwar unkompliziert, aber eher komplex, die Altersempfehlung (ab 12) daher weise gewählt.
Begründet liegt das vor allem in der Siegbedingung: nicht Stärken entscheiden, sondern Schwächen. Wer einen der vier zivilisatorischen Bereiche vernachlässigt, hat daher keine Chance – eine Falle, in die jüngere Spieler in übertriebenem Enthusiasmus für einen starken Bereich all zu leicht tappen könnten.
Spielverlauf
Aufgebaut ist das Spiel schnell: Auf einer Seite des Spielplans – entweder identisch mit dem klassischen Plan von 1997 oder auf dem neuen Alternativplan werden auf einigen vorgegebenen Feldern Tempelmarken gesetzt, auf die ein Schatzstein gelegt wird. Alle übrigen Zivilisationsmarken kommen in den Beutel, die Spieler ziehen ihren Startvorrat von 6 Marken und bekommen ihre Anführer, los geht es.
Pro Runde hat ein Spieler zwei Aktionen, um Marker zu legen, Anführer zu setzen, Marken zu tauschen oder – nur zwei Mal im Spiel – per Katastrophen-Marker eine ausliegende Zivilisationsmarke zu zerstören; beim Legen von Markern können in bestimmten Fällen Monumente oder Zivilisations-Gebäude errichtet werden.
Wichtig ist es, Marken quasi unter Aufsicht des eigenen, passenden Anführers zu platzieren – d.h. angrenzend an ein bereits bebautes Gebiet, das mit dem Anführer verbunden ist. Das ist nämlich die einfachste und direkteste Art, Siegpunkte zu ergattern: rot für Tempel, blau für Landwirtschaft, schwarz für Bevölkerung und grün für Markt. Ebenso gibt es Siegpunkte für Anführer, die sich in einem zusammenhängenden Gebiet – genannt Königreich – mit einem farblich passenden Monument befinden.
So lange das Spiel friedlich bleibt, gehen die Runden sehr schnell, doch was wären antike Reiche ohne Konflikte? Derer gibt es zwei Arten. Wenn ein Anführer in ein Königreich gesetzt wird, wo ein anderer Spieler bereits seinen Anführer des gleichen Typs eingesetzt hat, kann es natürlich nur einen Geben. Durch Tempel auf dem Plan und aus der Hand unterstützen die Spieler ihre Anführer, der Verlierer muss weichen, der Gewinner dagegen ergattert einen roten Siegpunkt.
So durch eine neu gelegte Marke gar zwei Königreiche verbunden werden, ist Konflikt zwischen den jeweiligen Anführern natürlich vorprogrammiert. In diesem Fall werden sie durch Marken der passenden Farbe unterstützt; neben dem Verlierer müssen auch dessen Gefolgs-Marken weichen; entsprechend ihrer Zahl gibt es Siegpunkte der passenden Farbe für den Gewinner.
Außerdem kann es sein, dass ein Königreich so erweitert wird, dass es mehr als einen Tempel mit Schatz enthält. Ist das der Fall, darf der Spieler eines etwaigen Händler-Anführers alle Schätze außer einem einstreichen – sehr nützlich, da Schätze effektiv Joker-Siegpunkte repräsentieren.
Am Ende einer Runde, wenn ein Spieler seine beiden Aktion genutzt hat, füllen alle Spieler ihren Markenvorrat auf, ehe der nächste an der Reihe ist. Ist das nicht mehr möglich, endet das Spiel; ein schnelleres Ende kann sich ergeben, falls weniger als drei Schätze auf dem plan verbleiben.
Egal, wie das Spiel endet: Die Uhr ist vermutlich entsprechend der Herstellerangabe um ein bis zwei Stunden vorgerückt. Die Spieler dürfen noch ihre Siegpunkte jeder Farbe zählen, wobei sie Schätze beliebig zuteilen dürfen – in der Praxis natürlich immer zur schwächsten Farbe. Die niedrigsten Werte werden verglichen, der Spieler mit der dabei höchsten Punktezahl gewinnt: Seine Zivilisation steht auf den besten Beinen, da sie keine Schwachstelle hat.
Spielspaß
Das Spiel ist eher taktisch, allerdings lässt sich der Glücksfaktor des zufälligen Ziehens der Zivilisationsmarken auch durch die besten Taktik-Tricks nicht immer ganz ausgleichen. Für die Spannung hat genau das jedoch so seine Vorteile. Ein Spieler etwa, der nur Marken einer Farbe hat, könnte einen entsprechenden Konflikt provozieren: Dabei kann er die Marken in großer Zahl einsetzen und damit – womöglich noch unter Gewinn von Siegpunkten – „austauschen“. Und das bringt natürlich Dynamik ins Spiel.
Mit 3 oder 4 Spielern ist das Spiel deutlich interessanter als zu zweit. Im reinen Duell ist es einfach zu offensichtlich, wann man in einer Farbe dringend auf Punktejagd gehen muss, weil der Gegner gerade dick in ihr gepunktet hat – das verleitet zu einer Strategie des Gegenhaltens. Bei mehr Spielern verschiebt sich der Fokus dahin, auch wirklich primär auf die eigene Ausgeglichenheit zu achten – mit nur 2 Aktionen pro Runde ist ständiges Gegenhalten da praktisch unmöglich.
Dass man mehr als vielleicht 2 Partien nacheinander spielt, halte ich für nicht all zu wahrscheinlich: Spieler, die gerne etliche Stunden am Stück komplexe Spiele spielen, packen meiner Erfahrung nach meist gleich Civilisation oder ein anderes lange dauerndes Spiel aus. Wer es trotzdem tut, sollte zwischen den Partien die Sitzreihenfolge ändern – nach meinem Gefühl hat vor allem der letzte Spieler in Vierer-Partien doch einen leichten Nachteil.
Fazit
Der Unterschied zwischen Spiele- und Filmindustrie liegt wieder mal auf der Hand: Eine Neuauflage eines guten Spiels ist eben kein Remake mit völlig neuen Gesichtern, sondern – allenfalls optisch geliftet – noch das gleiche Spiel. „Euphrat & Tigris“ war vor 10 Jahren ein unkompliziertes, doch einigermaßen komplexes taktisches Spiel und ist das auch heute. Dank wirklich schnellem Aufbau gerade dann besonders nett, wenn es mal in der Familie oder unter Freunden ein wenig anspruchsvoller sein soll.
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