Kolumne: Skandal! Ich bin nicht nominiert!
 
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Kolumne: Skandal! Ich bin nicht nominiert!

Autor: Holger M. Pohl

 

Da werden die Nominierungen für einen nicht ganz unbekannten deutschen SF-Preis bekannt gegeben und meine wunderbare Geschichte ist nicht nominiert! Das ist ein Skandal! Ich komme nicht umhin, hier einen Akt der Verschwörung zu wittern!

 

Meine Geschichte hat doch nun wirklich fast alles, aber auch wirklich fast alles, um zumindest nominiert zu werden. Von Gewinnen will ich ja noch gar nicht reden, obwohl das in der Folge nur richtig und logisch wäre.

Was hat dieses so genannte Komitee geritten meine Geschichte zu übersehen? Waren die Mitglieder blind? Sind sie inkompetent? Oder einfach schlichtweg dumm? Wahrscheinlich von allem etwas und dazu kommt, dass sie selbstverständlich Analphabeten sind. Meine Geschichte ist perfekt. Das muss denen einfach einleuchten, sonst sind sie fehl am Platz. Sie verdient für Stil die Note 1; die handwerkliche Ausführung ist die 1+; Orthographie und Grammatik über jeden Zweifel erhaben. Das muss, das will und das werde ich denen klar machen. Mit jedem brachialen Mittel, das mir einfällt. So nicht! Nicht mit mir, liebe Leut!

 

Wie? Ich sollte mal überlegen, ob meine Geschichte einfach nicht gut genug war? Blödsinn! Natürlich ist sie das! Das Komitee und die Leser haben einfach keine Ahnung, das ist alles. Ahnung habe nur ich und davon sehr viel!

Überhaupt, was interessieren mich die Leser und das, was sie wollen? Wenn ich eine Geschichte schreibe, dann hat die Leser das zu interessieren. Sie müssen mich einfach respektieren, das erwarte ich von ihnen! Es kann und es darf nicht sein, dass sich jemand nicht für meine Geschichte interessiert. Wenn ich etwas schreibe, dann hat das Gewicht. Und jeder, der darüber hinweg geht, ist einfach ignorant. Ich entscheide, was und wie ich schreibe, und das hat den Leser dann zu berühren. Denn was ich gut, toll und wichtig finde, das hat auch der Leser als gut, toll und wichtig zu empfinden. Punkt und Basta!

 

Was meine Geschichte vielleicht nicht hat, das ist einen gewissen Unterhaltungswert. Na und? Was interessiert mich der Leserwunsch, gut unterhalten zu werden! Das ist doch nun wirklich zweitrangig oder vielleicht sogar nur drittrangig. Ich schreibe doch nicht der guten Unterhaltung wegen. Solche Leserbedürfnisse gehen an mir vorbei. Da stehe ich einfach drüber! Die sind einfach von gestern und das bringt die SF nicht weiter vorwärts. Ich, der Autor, sage wo es lang geht, und ich bin der Einzige, der entscheidet, was die SF vorwärts bringt. Der Leser hat meinen Bedürfnissen und Erwartungen zu folgen. Eine handwerklich perfekte Geschichte ist daher das Nonplusultra – nicht eine unterhaltsame Geschichte. Daher sind mir beim Leser erfolgreiche Geschichten auch höchst suspekt. Die können nach meinen Maßstäben einfach nicht gut sein.

 

Ich bin daher am überlegen, ob ich die Nominierungsliste und dann gegebenenfalls die anschließende Preisträgerliste nicht anfechte. Denn so nicht! Nicht mit mir, liebe Leut! Ich kann, ich will und ich werde diesen Nominierungs-Skandal nicht auf sich beruhen lassen. Hier muss es Mittel und Wege geben, diesem inkompetenten und analphabetischen Komitee seine Grenzen aufzuzeigen. Und ich werde natürlich all jene, die meine Geschichte noch nicht gelesen haben, per einstweiliger Verfügung dazu verpflichten sie zu lesen. Und wenn ich schon dabei bin, schicke ich gleich eine weitere einstweilige Verfügung hinterher: jedwedes Feedback, jedwede Rezension, jedwede Kritik müssen natürlich positiv sein. Weil was ich schreibe ist einfach gut, toll und wichtig. Und selbstverständlich nominierungs- und preiswürdig. Geht das endlich in Eure dummen Analphabeten-Köpfe?

 

Gut, dann will ich mal wieder von meinem Trip runterkommen und realistisch werden. Ganz ehrlich, was ist von einem Autor zu halten, der sich so echauffiert? Der andere Analphabeten nennt und ihnen Inkompetenz vorwirft, weil sie eine seinem Empfinden nach so hervorragende Geschichte eben doch nicht so hervorragend finden und sie deswegen nicht nominieren? Das zeugt von Selbstverliebtheit und einem gehörigen Maß an Selbstüberschätzung gepaart mit Arroganz: „Wenn Ihr nicht erkennt, dass meine Geschichte so gut ist, dass sie hätte nominiert werden müssen, dann versteht Ihr nichts vom Geschäft. Im Gegensatz zu mir!“

Jemand mit einem gesunden Ego würde über der Sache stehen. Und schweigen. Oder sich denken: „War eben doch nicht so gut. Also auf ein Neues!“

 

Geschichten schreibt man für den Leser und ihn muss die Geschichte überzeugen. Überzeugt sie nicht, ruft sie keine Nachhaltigkeit hervor, berührt sie den Leser nicht, dann ist daran nicht der Leser oder ein Komitee schuld, sondern einzig und ausschließlich der Autor. Er hat etwas falsch gemacht. Es ist doch vermessen zu erwarten – oder gar zu verlangen! –, dass die Leser die Geschichte als gut empfinden, nur weil ich sie für mich als gut empfinde! Leser sind eigenständig denkende Menschen. Wenn ihnen meine Geschichte gefallen soll, dann ist es meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass sie das auch tut.

Tut sie das nicht, dann habe ich entweder für die falschen Leser geschrieben oder die falsche Geschichte.

Aber manche Autoren machen es sich da sehr einfach: Schuld haben immer die anderen. „Denn ich bin schließlich perfekt!“

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042609113809763617
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Erstellt: 02.07.2011, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 11943