Rezension von Cronn
Es gibt Filme, die den Oscar gewinnen wegen ihrer opulenten Ausstattung. Es gibt Filme, die vordergründig durch ihr gelungenes Sounddesign überzeugen. Und dann gibt es immer wieder auch noch Filme, die den Schwerpunkt auf Charakterzeichnung und Atmosphäre legen. Wenn diese Filme einen Oscar gewinnen, müssen sie in der Tat etwas Besonderes darstellen.
Im vorliegenden Streifen Nomadland ist das tatsächlich der Fall.
»Nomadland« ist kein Film, der ein Publikum überzeugen will, das auf Marvel-Action oder Fast-And-Furious-Krawalll steht. Aber sicherlich findet sich auch unter diesem Publikum der ein oder andere, der an »Nomadland« Gefallen finden könnte, sofern er sich darauf einlässt. Warum das so ist, soll die nachfolgende Rezension aufzeigen.
Verlagsinfo:
»Nomadland« erzählt die Geschichte von Fern (Frances McDormand), die wie viele in den USA nach der großen Rezession 2008 alles verloren hat. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch einer Industriestadt im ländlichen Nevada packt Fern ihre Sachen und bricht in ihrem Van auf, ein Leben außerhalb der konventionellen Regeln als moderne Nomadin zu erkunden. Der Film zeigt auch die echten Nomaden Linda May, Swankie und Bob Wells als Ferns Mentoren auf ihrer Erkundung der weiten Landschaften des amerikanischen Westens.
Diese knappe Inhaltszusammenfassung beschreibt lediglich den Kern des Films, wird ihm aber nur oberflächlich gerecht. Eine ausführliche Kritik soll die Faszination des Streifens nun genauer aufzeigen.
Kritik:
Als im Jahr 2008 die Rezession viele Amerikaner obdachlos machte, wagten einige davon einen mutigen Schritt. Sie wurden moderne Nomaden, zogen los, um als Saisonarbeiter ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das dem Film zugrunde liegende Buch Nomadland von Jessica Bruder lieferte die Vorlage, auf der das Drehbuch basiert.
Die Schauspielerin Francis McDormand ist der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Films. Ihr ausdrucksstarkes Gesicht, ihre unglaublich authentische Präsenz machen »Nomadland« zu einem tief beeindruckenden Streifen. Es ist kaum möglich, ihre Leistung hoch genug zu preisen. Die Momente der Stille, ein kurz zu einem bemühten Lächeln verzogenes Gesicht, der Blick in sich gekehrt – es ist atemberaubend wie Frances McDormand der Figur Leben einhaucht. Die meisten anderen Schauspieler sind tatsächliche Nomaden, die größtenteils sich selbst spielen. Auf diese Weise erhält der Spielfilm einen dokumentarischen Charakter, ohne vollauf zum Dokudrama zu werden.
Die Aufnahmen des Kameramanns zeigen die atemberaubende Landschaft Amerikas, mal in beeindruckenden Panoramen, mal mit Blick für Details an Kakteen, etc. Die Kamera wird oft ein Begleiter von Fern, wandert neben ihr, überholt sie gar und schafft so ohne viel Dialoge eine Stimmung von Fernweh, Einsamkeit, Abgeschiedenheit oder auch Gemeinschaft.
»Nomadland« lebt von seinen Bildern, aber auch von der Geschichte der Nomaden. Dabei wird nur an einer Stelle ein kritisches Wort zur Rezession von 2008 verloren. Die Regisseurin Chloe Zhao überlässt es dem Zuschauer, sich sein eigenes Bild zu machen. Das Nomadendasein wird nicht glorifiziert, aber auch nicht in düstersten Farben gemalt. Erstaunlich oft ist in den Bildern die Freiheit zu spüren, die Ungebundenheit, besonders als Fern sich bewusst gegen ein Leben im Haus entscheidet.
Fazit:
»Nomadland« ist ein beeindruckender Film über das Unterwegs-Sein, über Freiheit, über Arbeit im modernen Amerika, aber auch über die Schattenseiten dieser Lebensweise.
Chloe Zhao ist hier ein zutiefst bewegender Film gelungen, der poetisch wie ein Gedicht wirkt. Der sparsame Einsatz von Klaviermusik und Dialogen trägt dazu bei.
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