November (Autor: Thomas Olde Heuvelt)
 
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November von Thomas Olde Heuvelt

Rezension von Matthias Hofmann

 

Am 1. November 2023 erschien, und das macht marketingtechnisch perfekt Sinn, der neue Roman des niederländischen Autors Thomas Olde Heuvelt auf Deutsch im Wilhelm Heyne Verlag mit Sitz in München. Das Buch heißt nämlich schlicht November.

 

Der Name ist Programm. Im Monat November beginnen alljährlich die sogenannten »Dunklen Tage«. Sie betreffen die Bewohner der Bird Street im fiktiven kleinen Städtchen Lock Haven, im nordöstlichen US-Bundesstaat Washington. Sie dauern den gesamten Monat an und bedeuten nichts Gutes für die Familien Lewis de Silva, Wachowski, McKinley und Aikman. Denen geht es ansonsten das restliche Jahr über elf Monate gut. Eigentlich richtig prächtig, bis auf … eben … im November.

 

In diesem düsteren Monat zieht krasses Unheil auf. Die Bewohner der Bird Street haben eine Art Pakt mit dem Bösen geschlossen, der schon seit Generationen andauert. Im Grunde sind alle mehr oder weniger sehr glücklich. Sie sind so richtig reich und wohlhabend. Sie sind in ihren Berufen, Hobbys und Begabungen unwahrscheinlich erfolgreich. All das hat jedoch seinen Preis. Abgerechnet wird jährlich im November. Da versammeln sich alle Erwachsenen am zweiten Tag des Monats in der imposanten Villa der McKinleys. Man trinkt und isst, aber der Höhepunkt (oder Tiefpunkt, je nachdem wie man es sieht) ist der Besuch des Mannes, den sie als »Buchhalter« bezeichnen.

 

Der Buchhalter verlangt ein Opfer pro Jahr, damit es den Bewohnern der Bird Street weiterhin so phänomenal gut geht. Es muss im November passieren und echtes menschliches Leben sein. Eine Kuh, mit der ein Vorfahre schon mal zu tricksen versucht hat, wird nicht akzeptiert. Im Lauf der Zeit ist man dazu übergangen, die Opferprozedur als Sterbehilfe zu kaschieren. Man tötet in einer würdevollen Zeremonie Menschen, die unheilbar krank sind und sowieso sterben wollen. Dabei werden sie in den an die Bird Street angrenzenden Wald gebracht und zielgerichtet getötet. Irrlichter und diverse andere Unheimlichkeiten im düsteren Wald sorgen für Unbehagen und Bedenken, ob die Seelen dieser Opfer wirklich ihren ewigen Frieden gefunden haben.

 

Die Geschichte der Bewohner wird in zwei Teilen aus Sicht der vierköpfigen Familie Lewis da Silva erzählt. Abwechselt erfährt man die Handlung aus Perspektive der Eltern Luana und Ralph sowie der Kinder Kaila und Django. Teil 1 spielt 2022, da ist Kaila noch 15. Im zweiten Teil, der 2023 spielt, also zur Veröffentlichung der niederländischen Originalausgabe ein Jahr in der Zukunft, wird sie 16 Jahre alt und hat das Alter für die Einweihung in den Kreis der Erwachsenen, die vom unheilvollen Pakt wissen, erreicht.

 

»November« ist der dritte große Horrorroman von Thomas Olde Heuvelt. Echo, sein zweiter Roman, hat mich nicht vom Hocker gerissen. Er war zu geschwätzig, zu wacklig konstruiert und insgesamt viel zu umfangreich. Mit »November« ist er zu dem Konzept seines erfolgreichen Debüts Hex zurückgekehrt. Die Geschichte der Einwohner von Black Spring, die seit 300 Jahren von einer alten Hexe terrorisiert werden, da diese von ihren Vorfahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist, ist wirklich spannend und unterhaltsam und kann als Highlight der Horrorliteratur der 2010er-Jahre gewertet werden.

 

In seinem dritten Streich geht es wieder um eine Gruppe von Menschen, die mit einer Art Fluch zu kämpfen haben. Die Namen sind so zahlreich, dass dem Roman ein Verzeichnis der Bewohner der Bird Street vorangestellt ist. 20 Namen plus drei Ehemalige sowie zwei Alpakas (namens Seepy und Sappy) und zwei Windhunde (namens Helmut und Schwarzwald) sind jede Menge Holz. Diese Liste ist auch nötig, denn zum Einstieg in das Werk wird man mit jeder Menge Charaktere konfrontiert, sodass man die Übersicht zur Orientierung und Einordnung der ganzen Schar gut gebrauchen kann.

 

Was anfangs etwas mühsam ist, ein Figurenensemble, irgendwo zwischen Thomas Manns Die Buddenbrooks und J. R. R. Tolkiens Der Hobbit (okay, ich übertreibe ein wenig bewusst an dieser Stelle), wird von Heuvelt ganz gut gemanagt. Nach ein paar Kapiteln findet man sich gut zurecht und wird von der Geschichte in einem Sog mitgerissen, der einen guten Horrorroman ausmacht.

 

»November« ist gekonnt strukturiert. Als Leser erfährt man mit jedem Kapitel ein bisschen mehr der Verstrickungen der Geschichte und ihrer Protagonisten. Themen wie moderne Sterbehilfe, Egoismus, Depression oder Selbstmord werden mit einer spannenden Story verwoben, die stellenweise manch zartes Gemüt auf eine harte Probe stellen dürfte.

 

Auch stilistisch hat Heuvelt alles im Griff. Aus meiner Sicht ist »November« sein bisher reifstes Werk und nach dem Rückschritt mit »Echo« definitiv eine positive Weiterentwicklung in die richtige Richtung. Der Roman wirkt nicht so, als ob ihn ein Europäer geschrieben habe, denn der American-Way-of-Life-Faktor ist so stark, dass ihn viel mehr ein US-Amerikaner verfasst haben müsste. Dadurch zementiert Heuvelt weiter seinen Ruf als »niederländischer Stephen King«. Deshalb können Fans des Manns aus Maine hier unbedenklich zugreifen. Und alle anderen auch, denn »November« ist aus krassem, spannenden Gruselgarn gestrickt, das prächtig unterhält, an der einen oder anderen Stelle den Atem anhalten lässt und nachdenklich macht.

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Buch:

November

Original: November, 2022

Autor: Thomas Olde Heuvelt

Taschenbuch, 640 Seiten

Heyne, 1. November 2023

Übersetzung: Janine Malz

Titelillustration: Davy van der Elsken

 

ISBN-10: 3453321448

ISBN-13: 978-3453321441

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0C171D111

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 12.01.2024, zuletzt aktualisiert: 30.03.2024 19:30, 22649