Pulsarnacht (Autor: Dietmar Dath)
 
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Pulsarnacht von Dietmar Dath

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Was wäre, wenn … eines Tages alles anders wäre?

 

Die Menschen der Zukunft haben sich weit von dem entfernt, was wir als »Mensch« kennen – und doch haben sie immer noch die alten Bedürfnisse, träumen die alten Träume, kämpfen die alten Kämpfe. Bis sich eines Tages die »Pulsarnacht« ankündigt, ein astronomisches Ereignis, nach dem sprichwörtlich nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Und wer das Geheimnis dieser Pulsarnacht kennt, kann die letzten Rätsel des Universums lüften …

 

Rezension:

Ob Dietmar Dath einfach nur einen Beitrag zur Maya-Weltuntergangsstimmung von 2012 beisteuern wollte? Herausgekommen ist der wohl beste deutsche Romanbeitrag zur SF der letzten Jahre und spielt in einer Liga mit Die gelöschte Welt von Nick Harkaway und Quantum von Hannu Rajaniemi.

Wem Dath schon durch einen seiner Texte begegnet ist, wird die Bandbreite abschätzen können, die auch Pulsarnacht auszeichnet.

Dath holt nicht nur zum großen Rundumschlag aus und zeigt uns mal eben ganz locker, wie abgefahren eine ferne Zukunft sein kann, er verbindet seine Utopie zudem noch mit so ziemlich allem, was auch uns gerade so umtreibt.

Das ist anspruchsvoll, ohne Frage. Und obschon es hammerharte Actionszenen und Raumschlachten gibt, bilden sie mit den diversen sozialen und politischen Szenen eine große und bunte Welt, die so ziemlich jede graue Zelle kitzelt.

 

Der Leser wird zunächst mitten in eine wirklich ferne Zukunft geworfen. Es wimmelt nur so von Fremdwörter, die man zwar im Glossar nachschlagen kann, die man aber auch aus dem Kontext ermitteln kann. Oder einfach überliest, denn Dath gelingt es mit einer grandiosen Figurenvorstellung fast aus dem Stand heraus, zu fesseln, ob man nun die technischen Finessen versteht oder nicht.

Das Raumschiff STENELLA und seine Besatzung hat den Auftrag, das letzte noch fehlende Körperteil eine Admiralin zu finden, die sich auf diesem Weg einem Gesetz zur Lebenszeitbegrenzung entziehen, oder nach einem blutigen Bürgerkrieg, den Linienkriegen, einfach nicht erreichbar sein will.

Neben dieser bereits seltsamen Mission überfällt Dath den Leser mit einer Vielzahl ähnlich futuristischer Details. So ist das Raumschiff lebendig, im Raum gefaltet und dadurch sehr groß, während die Besatzung an zwei Händen abzuzählen ist. Unter ihnen befindet sich auch ein Nichtmensch, der sich von Käfern ernährt, die als stets erreichbare Snacks fast überall im Schiff herumflattern.

Die Menschen verfügen über eingebaute Computer, die nicht nur die Reflexe und das Denken verbessern, sondern auch mal schnell eine Schutzhaut erzeugen können. Von der Möglichkeit ganz abgesehen, den ganzen Menschen wiederherstellen zu können, wenn er vor seiner Zeit getötet wird.

Ist man gerade noch fasziniert davon, wie großartig die Figuren beschrieben werden, ist die Hälfte von ihnen auch schon tot.

Und schwupps kommen die nächsten erstaunlichen Figuren. Die drei Anführer der Verliererseite des kosmischen Bürgerkrieges leben in der Verbannung. Auf einem lebenden planetoiden Wesen in der Umlaufbahn eines Pulsars. Schnell wird klar, dass die politischen Nebenwirkungen des Bürgerkrieges noch lange nicht vergessen sind. Im Gegenteil. Irgendwie scheint das kosmische Gefüge inklusive der Beziehungen zwischen den Rassen, auf der Kippe zu stehen. Die Legende von der Pulsarnacht durchzieht die Stimmung, ganz unabhängig davon, wo und wann sich die jeweiligen Protagonisten befinden.

 

Dath verbindet in einem fort politische Dimension mit Privatem. Die Beziehungen der Figuren sind Ausdruck ihrer Anstrengungen. Die Präsidentin der Menschen baut sich ganz unmerklich ein Imperium und dennoch dreht sich vieles bei ihr um ganz bestimmte Menschen. Der Dissident würde am liebsten in ein inneres Exil fliehen und muss sich im Angesicht seiner Liebe erneut mit Verantwortung auseinandersetzen und zu jenen Entscheidungen stehen, die er einst traf.

Gefühle als Motive politischer Ambitionen - das dathsche Geflecht aus Leben, Technik und kosmischer Dimension schlingt sich fest um den Leser. Da stört es kaum, dass die Höhepunkt fast unspektakulär versandet und man mehr mit den Auswirkungen zu knabbern hat, die das mühsam Gelernte einfach umstürzen.

Aber die Pulsarnacht selbst ist eben nicht das Wesentliche in dem Roman, sie weht eher als Hintergrundstimmung durchs All. Es geht Dath offenbar nicht um ein sensationelles kosmisches Ereignis, so spektakulär es auch klingen mag. Bis zum Ende der Geschichte bleibt er vielmehr an seinen Figuren dran. Lässt sie Stellung beziehen oder fliehen, je nach dem, wie sie mit den Ereignissen umgehen wollen. Dadurch wird die ferne Zukunft bei aller Exotik um ein Vielfaches lebendiger. Erst durch diese Nähe nimmt man die Feinheiten wahr, mit denen Dath Kommentare abzugeben scheint. Seien es erzkapitalistische Aliens oder welche, die im Gandalf-Style Hinweise verschlüsseln. Seien es Breven genannte Fabeln, über deren Hintersinn die Figuren miteinander kommunizieren wollen oder sei es nur die Negation von Geschlechterproblematik, Konsum und selbst von Demokratie.

Ja, man kann den Roman problemlos in einen zeitkritischen Kontext sehen. Dath ist alles zuzutrauen. Und nun auch das Verfassen eines begeisternden SF-Romans, denn bei aller Vernetzung und Überladung liefert »Pulsarnacht« auch einen sehr gut erzählten Hard-SF Plot. So oft findet man Gedanken zu zeitlichen Problemen von Ortsangaben im Universum nicht. Oder Überlegungen, wie eine Gesellschaft mit Fastunsterblichkeit den Kinderwunsch reguliert. Und ganz nebenbei liefert Dath auch noch den Beweis, dass man Sprachdiskriminierung meiden kann.

 

Ein Lob auch noch an den Heyne-Verlag, der mit der Einbandgestaltung nicht nur Mut bewies, sondern auch die Fähigkeit, alte Pfade zu verlassen.

 

Fazit:

»Pulsarnacht« ist ein Meilenstein deutscher SF. Hier hängt nun die Messlatte - möge es viele fruchtbare Texte geben, die sie anstürmen!

 

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Buch:

Pulsarnacht

Pulsarnacht von Dietmar Dath

Autor: Dietmar Dath

Taschenbuch, 431 Seiten

Heyne, 10. Dezember 2012

 

ISBN-10: 3453314069

ISBN-13: 978-3453314061

 

Erhältlich bei: Amazon

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024043022261515bb5a67
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Erstellt: 03.05.2013, zuletzt aktualisiert: 27.06.2023 19:37, 13029