Super – Shut Up, Crime! (DVD; Komödie; FSK 18)
 
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Super – Shut Up, Crime! (DVD; Komödie; FSK 18)

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Frank D’Arbo (Rainn Wilson) ist ein Sonderling. Ein naiver Träumer, der seinen Lebensunterhalt als Koch in einem ranzigen Diner bestreitet. Und auch sein bisheriges Dasein kann man nur als bieder bezeichnen – abgesehen von zwei persönlichen Höhepunkten: der Tag, an dem Frank der Polizei half, einen Schmalspurverbrecher zu verhaften und die Hochzeit mit der bildhübschen Serviererin Sarah (Liv Tyler), die er in besagtem Diner kennen- und letztlich auch lieben gelernt hat. Aber ebenjene Ehe ist auch die kritischste Komponente in Franks Leben. Obwohl sich die einstige Drogenabhängige Sarah weniger wegen seiner Attraktivität denn vielmehr ob seiner ehrlichen Art zu Frank bekannt hatte, weiß dieser nur zu genau, dass die hässliche, verführerische Vergangenheit jederzeit und mit erbarmungsloser Härte zurückschlagen kann.

Als das Unvorstellbare schließlich geschieht, kann Frank zunächst nicht viel dagegen unternehmen. Wie vor den Kopf geschlagen, akzeptiert er Sarahs heimlichen Auszug und ihre Flucht in die Arme des schmierigen Nachtclubbesitzers und Drogenhändlers Jacques (Kevin Bacon), der zudem kurz darauf ungeniert den vermeintlichen Konkurrenten heimsucht, um für klare Verhältnisse zu sorgen. Und so folgt nach dem Unvorstellbaren letztlich eben auch das Unvermeidliche; verwandelt sich der stille Frank in ein am Boden zerstörtes Wrack. Hilflos, selbstquälerisch, mit sich, mit Gott und der Welt hadernd. Doch seine flehentlichen Rufe werden erhöhrt – zunächst in Form einer billigen Kirchenshow samt maskiertem Helden »Holy Avenger« (Nathan Fillion), unmittelbar gefolgt vom Zeigefinger des Allmächtigen höchstpersönlich. Wie es scheint.

Fortan weiß Frank, was zu tun ist. In einer Nacht- und Nebelaktion bastelt er sich einen knallroten Superhelden-Dress samt lustigem Logo und stolziert in die Nacht hinaus. Dummerweise sind die ersten Ausflüge in die Unterwelt weniger von Erfolg gekrönt – bis Frank den Wert einer soliden Wasserpumpenzange kennenlernt und auf die gleichermaßen nymphomanisch wie gewaltveranlagte Libby (Ellen Page) trifft, die prompt zum Side-Kick des längst für Schlagzeilen sorgenden »Crimson Bolt« wird – »Blitzie«. Fortan mischen die beiden in Teamarbeit die Kriminellen auf und kommen Jacques immer näher …

 

In einer besseren (Film-)Welt hätte James Gunn, seines Zeichens Drehbuchautor und Regisseur von Super sicherlich keine Klinken putzen müssen, um das, zugegebenermaßen überschaubare Budget (ca. 2,5 Millionen US-Dollar) seines neuesten Spielfilms zusammen zu treiben. Doch inmitten von zumeist uninspirierten Neuaufgüssen, zuckersüßen cineastischen Nichtigkeiten und vollkommen sinnlosen Fortsetzungswellen darf man eben – ähnlich wie bei Frank D’Arbo – keine ausgleichende Gerechtigkeit erwarten. Das Gunn mit seinen beiden Screenplays für Scooby-Doo 2 und dem herausragenden Remake für George Romeros Dawn of the Dead 2004 als erster Drehbuchautor mit zwei hintereinander folgenden Filmen die Nummer 1 der Kinocharts in den Vereinigten Staaten inne hatte? Längst wieder vergessen. Auf der anderen Seite hat dieses (un)bewusste Vergessen der vornehmlich auf dröge Kommerzkost spezialisierten Studios auch etwas Gutes – nämlich dass Gunn nicht von ihnen mitgerissen wurde. Stattdessen ist James Gunn weiterhin ein Künstler geblieben, dessen Ecken und Kanten noch immer scharf und unberechenbar sind statt geschliffen und harmlos. Das solch ein Dasein mitunter kein Leichtes ist – gar keine Frage. In kreativer Hinsicht ist es aber zweifellos das Bessere. Denn die überwiegend finanziellen Limitierungen spornen ebenso – zwangsläufig – die Kreativität an wie sie den Level der Unberechenbarkeit gleich hochhalten; Attribute, die bei etwaigen, dreistelligen Millionenetats und dem Erfüllen sämtlicher Wünsche garantiert abhanden gekommen wären. Man wird nun mal faul und verwöhnt, wenn einem die Auftraggeber jeden Wunsch von den Lippen ablesen und von vorne und hinten echauffieren.

 

Freilich, DEN Innovationspreis wird Gunn für »Super« auch nicht nach Hause karren. Und wem zwangsläufig Matthew Vaughns Überraschungshit

Kick-Ass (2010) einfällt – der unter ähnlich widrigen Umständen entstanden ist – der liegt gar nicht mal so sehr daneben. Doch große Geister denken manchmal eben doch gleich – mit Zeitverzögerung. Schließlich verfasste Gunn sein Drehbuch nahezu ein Jahrzehnt früher. Ganz zu schweigen von »Kick-Ass«-Erfinder Mark Millars Bestätigung, dass hier keiner von dem anderen abgeschrieben hat. Aber während Vaughns grandioses Werk dem Mainstream voller Überzeugung beide Stinkefinger entgegenhält, zieht »Super« gleich komplett blank. Prinzipiell müsste man den Film auch aus dem reichhaltigen Fundus bisheriger Superhelden-Verfilmungen außen vor lassen. Zugegeben, unsere Helden tragen in »Super« Kostüme und Masken, sind aber eigentlich vom klassischen Heroen-Dasein meilenweit entfernt. Für Frank D'Arbo ist es vielmehr eine aufbrausende, kathartische Vergeltung gegenüber jener Welt, die ihn von Kindesbeinen mies behandelt hat. Und seine Partnerin Libby? Die ist mitunter sogar noch soziopathischer; sind Sex und Gewalt für sie untrennbar miteinander verbunden. Doch sind es gerade diese, natürlich überdreht vorgetragenen Macken, welche den beiden (Anti-)Helden Tiefe und somit auch Glaubwürdigkeit verleiht. Denn so fragwürdig Franks Taten mitunter auch sein mögen – etwa wenn er einem arroganten Drängler mit seiner getreuen Wasserpumpenzange den Schädel perforiert –, letztlich sind sie Teil einer nachdenklich stimmenden Odyssee; Elemente innerhalb einer Selbstfindung inmitten einer aus den Fugen geratenen Welt, bei der auch der letzte eingestehen muss, dass die Unterschiede zwischen Sozi- und Psychopath verdammt gering sind. Wem angesichts dieses Aspekts jener schmale Grat einfällt, den Travis Bickle in Martin Scorseses Taxi Driver (1976) beschritten hat, der irrt nicht. Aber trotz der ungehemmten Gewalt und dem gelegentlichen Anbändeln mit den Grenzen des guten Geschmacks ignoriert James Gunn glücklicherweise niemals die erwähnte menschliche Komponente, die sich schlussendlich in einem überaus warmherzigen und auch sehr nachdenklich stimmenden Epilog manifestiert, den man innerhalb der massenfreundlichen Konkurrenz mit der Lupe suchen müsste. Schön.

Und so fügen sich auch die, bisweilen an bessere Amateurproduktionen erinnernde, Ausstattung und (Hand)kameraaufnahmen mit fortschreitender Dauer immer besser in das Gesamtbild ein und verleihen »Super« einen gleichermaßen erfrischend wie realen Anstrich samt vollends überzeugender urbaner Note. Dass James Gunn ferner auf ein ganzes Arsenal von namhaften Freunden und Kollegen zurückgreifen konnte, die im Grunde für ein Handgeld (wenn überhaupt) vor die Kameras traten, macht das Ganze noch schöner. Und so findet man sogar noch in den kleinsten Nebenrollen bekannte Namen, etwa den stets zuverlässigen Gregg Henry als Detective, Linda Cardellini als Verkäuferin einer Tierhandlung oder Nathan Fillion, dessen Cameo als »Holy Avenger« einfach nur als genial bezeichnet werden kann. Aber auch jene, denen größere Parts eingestanden wurden, dürfen nicht versäumt werden. Etwa Rainn Wilson, dem Außenseiter- und Nerdrollen keineswegs fremd sind (z. Bsp. In Six Feet Under) und der demzufolge auch den traurigen Antihelden Frank D’Arbo perfekt verkörpert. Und wie viel Spaß muss dann erst wohl die oscarnominierte Ellen Page gehabt haben? Nach Blockbustern wie Inception (2010) hat sie zum Glück nicht ihre Independent-Wurzeln vergessen und lebt sie mit Inbrunst und Begeisterung aus. Gleich mit ihrer ersten Szene gibt die zierliche junge Kanadierin ungeniert Vollgas und legt daraufhin sogar noch ein paar ordentliche Scheite ins Feuer. Und was ist Jacques, Franks Gegenspieler? Eigentlich dürfte mit der Erwähnung des Schauspielers – Kevin Bacon – alles gesagt sein. Der unfreiwillige Erfinder der Bacon-Zahl hat schon immer tolle Schurken abgegeben. Sein Jacques ist da keine Ausnahme. Einzig Liv Tyler fällt ein bisschen ab. Trotz aller Bemühungen und Rehaugen-Blicke schafft es die einstige Halbelbin nicht, ihre Rolle überzeugend zu gestalten.

Apropos überzeugende Gestaltung: Was die, ähm, Kostümierung dieses 2-Disc-Sets betrifft, so muss man vor Koch Media schlichtweg den Hut ziehen. So etwas Fesches hat es schon lange nicht mehr gegeben. Nicht nur, dass die Verpackung (was für ein cooles Cover!) wie ein Buch – oder passender, eine Graphic Novel – aufgemacht ist und man den lästigen FSK-Flatschen mühelos abziehen kann (Danke!), gibt es im Innern ferner ein Comicheft-ähnliches Booklet, welches neben den Abenteuern des »Holy Avengers« außerdem ein paar interessante Infos über Stab und Besetzung parat hat.

Dass Disc 1 den – fast schon als selbstverständlich zu erachtenden – Audiokommentar von Gunn und Wilson (sehr lohnenswert) zu bieten hat, ist da fast schon kaum einer Rede wert. Wer danach aber die zweite DVD in den Player legt, dem dürften angesichts dieses Füllhorns an Extras die Augen übergehen. Neben dem Blick hinter die Kulissen gibt es Pressekonferenzen, ausführliche Interviews und James Gunns Besuch im Berliner Comicladen Grober Unfug zu bewundern. Definitiv kein Füllmaterial, sondern lohnenswerte und kurzweilige Extras also, die aber letzten Endes trotzdem gegen ein Feature verblassen: den sämtlichen Folgen von PG Porn, Gunns berühmt-berüchtigter Webserie voller pechschwarzem Humor sowie bekannten Gesichtern aus der Film- und Pornobranche. Frei nach dem Motto: Für Leute, die alles an Pornographie lieben … außer dem Sex. Wer die Serie noch nicht kennt, wird definitiv froh sein, sie kennen zu lernen. Darum – und nicht nur deswegen: Mille Grazie, Koch Media!

 

Fazit:

Ausufernd, gewalttätig, manchmal sogar ein wenig abstoßend, zugleich aber überraschend menschlich und rührend – mit »Super« definiert James Gunn den klassischen Superhelden-Mythos (nur vordergründig) neu und verleiht ihm neben einer ordentlichen Portion Schonungslosigkeit eine Tiefe, die man anderswo vergeblich sucht. Ganz großes Kino!

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240510075523a6ac92e0
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DVD:

Super – Shut Up, Crime!

Originaltitel: Super

USA, 2010

Regisseur: James Gunn

Format: Dolby, DTS, PAL

Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (DTS 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1), Englisch (DTS 5.1)

Untertitel: Deutsch

Region: Region 2

Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1

Umfang: 2 DVDs

FSK: 18

Koch Media, 27. Januar 2012

Spieldauer: 92 Minuten

 

ASIN (DVD): B0063NT8TW

ASIN (Blu Ray): B0063NT8W4

 

Erhältlich bei Amazon

 

Darsteller:

Rainn Wilson

Liv Tyler

Kevin Bacon

Ellen Page

Gregg Henry

Michael Rooker

Linda Cardellini

Nathan Fillion

Sean Gunn


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Erstellt: 18.02.2012, zuletzt aktualisiert: 10.09.2023 10:58, 12375