Tarzan (Klassiker der Comicliteratur Bd. 8)
 
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Tarzan

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 8

Rezension von Christian Endres

 

Würde ich halbnackt von Baum zu Baum durch die Nachbarschaft springen und allen schönen Frauen nachstellen, die in diesem grünen Vorstadt-Dschungel für einen Kaffeeklatsch mit Freunden auf der Veranda sitzen oder sich um die Goldfische im Gartenteich kümmern, dann würde man mich über kurz oder lang mit einer kleinen, vergitterten Zelle bekannt machen und völlig zu Recht nie wieder auf die Menschheit los lassen. Wie ungerecht das bei genauerer Betrachtung letztlich dann aber doch wieder ist, merkt man, wenn man den Gedanken konsequent zu Ende spinnt und einen anderen Gesellen mit ebensowenig Kleidung und einer eben solchen Vorliebe für das Springen von Baum zu Baum betrachtet: Edgar Rice Burroughs Tarzan, in diesem Fall von Burne Hogarth und Joe Kubert in Szene gesetzt, spendiert man für ein ähnliches Verhalten wie von mir oben beschrieben nämlich sogar einen Platz in der Klassiker der Comicliteratur ...

 

Der achte Band der Klassiker-Bibliothek teilt sich bis auf die letzte Story in zwei große Geschichten aus dem Jahre 1972 auf, wobei die zweite große, von Joe Kubert geschriebene und gezeichnete Story mit der Herkunftgeschichte Tarzans noch einmal in vier Episoden gegliedert werden kann. Nachfolgend also nicht das Inhaltsverzeichnis, wie es die FAZ abgedruckt hat, sondern wie die Geschichten im Einzelnen und ohne diese Zweifach-Gliederung tatsächlich heißen:

 

Tarzan bei den Affen

Geschichte seiner Herkunft

Die Rache eines Sohnes

Eine Frau für den Affenmenschen

Zivilisation

Das Land der Riesen

 

Tarzan bei den Affen von Burne Hogarth ist die Nacherzählung des ersten Tarzan-Romans von Edgar Rice Burroughs und gleichzeitig die letzte Arbeit Hogarths an der Serie um den Dschungelhelden. Doch auch Joe Kubert hat sich der Herkunftsgeschichte des Affenmenschen angenommen, weshalb dieser Band ein direkter und deshalb unheimlich interessanter Vergleich zwischen diesen beiden Meistern des Abenteuer-Comics ist, die sich sowohl um die Story, als auch um deren zeichnerische Umsetzung gekümmert haben. Man hat innerhalb der FAZ-Redaktion also wieder einmal alles richtig gemacht, indem man sich für die auf den ersten Blick gleiche, bei näherer Betrachtung aber bis auf den Grundtenor grundverschiedene Geschichten zum Abdruck in diesem Klassiker-Band entschieden hat, der von seiner Optik, seiner Interpretation und seiner Feinheiten, ja sogar der Art des Storytellings trotz gleicher Vorlage von Edgar Rice Burroughs nicht unterschiedlicher sein könnte. Die letzte Geschichte im Band über das Land der Riesen, indem riesige Kreaturen den Dschungel bevölkern, erschien damals direkt im Anschluss an Kuberts Adaption der Herkunftsgeschichte des Affenmenschen, so dass nichts dagegen spricht, sie zwecks Füllung der restlichen Seiten in den Band mit aufzunehmen. Sicherlich hätte es noch anderes Material (vielleicht sogar einige Seiten von Foster, Manning oder Kane) gegeben, das sich zwecks Veranschaulichung der Vielseitigkeit angeboten hätte, doch wollen wir nun nicht päpstlicher als der Papst sein.

 

Optisch ist das Buch über den Helden des Urwalds zudem gleich aus zweierlei Gründen ein Vergnügen und hat einen ganz besonderen Reiz: Zum einen zeigen die beiden Hauptgeschichten natürlich zwei grundverschiedene, nichtsdestoweniger überragende und auch heute noch atemberaubend gute Zeichenstile, die in ihrer zeitlichen Entstehung unglaublich eng beieinander liegen, bis auf einige Grundzüge der Geschichte aber nichts gemein haben – schon gar nicht optisch. Kubert und Hogarth stehen für zwei völlig verschiedene Arten von Zeichnern, und ich für meinen Teil kann ehrlich gesagt nicht entscheiden, welcher mir besser gefällt (wobei, um der Wahrheit die Ehre zu geben, in diesem Format Kuberts klarer Strich mit weniger Text naturgemäß einen hauchdünnen Vorsprung hat). Zum anderen hat man mit Hogarth und Kubert eigentlich zwei der drei Zeichner, welche die Comicabenteuer von Tarzan und damit das Genre der Abenteuercomics im Gesamten nachhaltig geprägt haben, in ein und dem selben Band versammelt, was dem oben angesprochenen Vergleich doppelt interessant macht, da hier wirklich fast alle unangefochtenen Zeichengötter des Abenteuercomics versammelt sind (der dritte im Bunde wäre übrigens Hal Foster, den wir schon von Prinz Eisenherz, dem dritten Band der Klassiker-Reihe, der jedoch von der Verkleinerung her keineswegs so gut weg kam wie sein Kollege aus dem Urwald, kennen sollten, und dessen Karriere als Comic-Zeichner ebenfalls mit Tarzan begonnen hat).

 

Dass Andreas Platthaus gut recherchierte Einleitungen verfassen kann, hat er gleich mit dem Vorwort mit dem ersten Band der Klassiker-Reihe rund um Superman, den Mann aus Stahl, bewiesen. Dass mir seine stimmungsvollen, mit Informationen gespickten Texte von allen FAZ-Feuilleton-Redakteuren, die an dieser Reihe beteiligt waren und Einführungen beigesteuert haben, am besten gefallen, habe ich ebenfalls schon oft genug erwähnt. Es überrascht daher nicht, dass das Vorwort zum vorliegenden Tarzan-Band einmal mehr grandios geschrieben ist und eigentlich alles über Figur, Schöpfer und Comickünstler sagt. So stelle ich mir ein Vorwort zu einer Reihe vor, die sich durchaus auch an Neuleser richtet, und deren Aufgabe es ist, solchen die farbenfrohen Geschichten schmackhaft zu machen und die Faszination, aber auch die Mühen, Überlegungen und die Arbeit hinter den Werken näher zu bringen und mit Fakten zu belegen.

 

Ein wenig seltsam mutet es in meinen Augen an, dass Edgar Rice Burroughs auf dem Buchrücken und dem Titel des Bandes als Autor angegeben ist. Sicher, er hat Tarzan in seinen Groschenheftromanen geschaffen, und sein erstes Buch liegt den beiden Geschichten zu Grunde, aber genau genommen hat er nichts mit den Comics zu tun. Das ist mir aber auch schon bei einigen anderen Bänden aufgefallen, und ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, die Schöpfer der jeweiligen Figuren so hervorzuheben, als wäre der Band lediglich von ihnen verfasst/gezeichnet worden, das sei nun einfach einmal dahin gestellt ...

 

Fazit: Stories, Artwork, Vorwort, Preis-Leistungs-Verhältnis – hier stimmt bis auf die handwerkliche Qualität des Produkts einfach alles. Einmal mehr ist es der Redaktion gelungen, dank einer hervorragenden Auswahl an Geschichten den Facettenreichtum einer Figur, damit aber auch einer ganzen Serie, ja einer ganzen Sparte von Comics – und damit wiederum einer breiten Palette vergangener, aktueller und künftiger Unterhaltungsliteratur – darzustellen.

 

Bis auf die nach wie vor wenig sorgfältige Verarbeitung (Stichwort Papierqualität) und die mangelnde gestalterische Vorüberlegung (Stichwort Format und daraus resultierende Verkleinerungen der Originalseiten) ist Tarzan ein immens starker Klassiker-Band und reiht sich neben den Peanuts und den Fantastischen Vier in den vorderen Positionen der bis zu diesem Zeitpunkt erschienen Bände ein und wird trotz manchmal etwas schwer zu lesender Schrift und dem ab und dann etwas unsauberem Druckbildes der in die Jahre gekommenen Vorlagen des Hogarth-Abenteuers seinem Klassiker-Anspruch voll und ganz gerecht.

 

Wer sich also nicht von den beschriebenen technischen Mängeln abschrecken lässt, die diese Reihe seit dem ersten Band begleiten, und schon immer mal in einen klassischen Tarzan-Comic reinlesen wollte, ist hier goldrichtig und wird mit dem achten Band der Klassiker der Comicliteratur seine Freude haben.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240522055926837225ce
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Comic:

Tarzan

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 8

Autor:

Verlag: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Format: Softcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3899810899

Anzahl Seiten: 256

Erhältlich bei Amazon

weitere Infos:


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Erstellt: 23.10.2005, zuletzt aktualisiert: 31.12.2023 11:30, 1439