Unsere Freunde von ε Eridiani (HerausgeberInnen: Sylvana Freyberg und Ralf Zacharias)
 
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Unsere Freunde von ε Eridiani herausgegeben von Sylvana Freyberg und Ralf Zacharias

Erstkontakt-Storys

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Im Begedia Verlag von Harald Giersche erscheinen immer mal wieder hochwertige SF-Anthologien. Dieses Mal zeichnen Sylvana Freyberg und Ralf Zacharias für die Zusammenstellung der Geschichten verantwortlich und sie konnten eine ganze Reihe bekannter und ein paar weniger bekannte Autorinnen und Autoren für das Thema »Erstkontakt« gewinnen.

 

Das amüsante Vorwort von Andreas Eschbach stimmt auf die Probleme und die Vielfalt des Themas ein.

 

 

Axel Kruse widmet sich in Rock around the Clock einem alten Sujet der Phantastik. Was geschieht mit uns als Mensch, wenn wir von einer anderen Spezies nicht als intelligente Wesen, sondern als Haustier und Spielzeug angesehen werden. Schon Jonathan Swift ließ seinen Helden Gulliver eine entsprechende Erfahrung sammeln. Zwar gelingt Axel Kruse eine kurzweilige Geschichte mit einem ganz eigen Horror-Anteil, aber das war’s dann leider auch schon.

 

 

Mit unterschiedlichen Zeitvorstellungen und -erfahrungen spielt Uwe Hermann in seiner sehr kurzen Story Die Fremden. Hier erlebt eine baumartige Spezies den Besuch von Fremden während sie den Tag der Starre feiern und dementsprechend verpflichtet sind, die Fremden weder zu begrüßen, noch sonst wie mit ihnen zu interagieren. So bekommen die Fremden gar nicht mit, dass der Planet von intelligenten Wesen bewohnt wird und beginnen die Baumartigen zu fällen …

 

Kurz, prägnant erzählt und aus der Idee alles stimmungsvoll herausgeholt – eine ungewohnt ernsthafte Geschichte von Uwe Hermann.

 

 

Die Wienerin Melanie Vogltanz zieht in Defekt einen sehr strengen Schlussstrich unter unsere Zivilisationsprobleme, wenn das auch erst gegen Ende Geschichte deutlich wird.

 

Die Aufzeichnungen der rebellischen Präventionskampfexpertin Gillian Howe berichten von einem Erstkontakt mit Wesen, deren Ähnlichkeiten mit Menschen im weiteren Verlauf der Handlung zu einem Eklat führen.

 

Melanie Vogltanz zeigt auch hier ihr Gespür für den lebendigen Ton ihrer Protagonistin und bleibt ihrem Ruf Happyend-Verächterin treu.

 

 

Eine Geschichte voller Reminiszenzen an Größen der Rockmusik liefert Gerhard Huber in Die kurze Reise der HAWKING.

 

Nach dem Bauplan einer außerirdischen Zivilisation, die die Daten der Voyager-Sonde auswerteten und von irdischer Musik begeistert wurde, baut die Menschheit ein Raumschiff, um das Exo-Sonnensystem Bonaventura zu besuchen.

 

Irgendwie geschieht in dieser Geschichte nicht allzu viel und dient dem Autor vielmehr dazu, seine Musikhelden zu würdigen.

 

 

Seltsame Vorfälle mit Elefanten an für sie ungewöhnlichen Orten erklärt Guido Krain in Der Elefantenantrieb.

 

Mikloff Uglin wollte eigentlich den Clou seines Lebens landen und mit seinem Raumschiff als Erster einen fernen Planeten für seine zahlenden Passagiere erschließen. Doch der Planet ist bewohnt! Irgendwie müssen er und seine abgehalfterte Crew den Kunden aber etwas anderes vorgaukeln …

 

Wie vom Autor gewohnt, ist »Der Elefantenantrieb« eine muntere und humorvoll erzählte Geschichte, die sowohl mit Exotik als auch nachvollziehbaren Problemen spielt.

 

 

Eine ganz andere Art des Erstkontaktes betrachtet Peter R. Krüger in Drei Tage des Erwachens.

 

Health ist der Prototyp einer vollautomatischen Pflegekraft und wir erleben aus seinem Blickwinkel, wie er nach seinem Erwachen die ersten Erfahrungen mit der Welt und seinen Aufgaben sammelt. Doch so einfach ist es gar nicht, eine komplexe KI zu programmieren …

 

Eine nachdenklich stimmende Geschichte, die mit ihrer Thematik aus der Anthologie heraussticht.

 

 

Delter ist der Protagonist der gleichnamigen Geschichte von Frank Lauenroth. Er wurde einer neuen Wabe zugeteilt und soll sie zu einem Schatz führen, von dem nur er weiß. Leider wird er immer vergesslicher und dümmer, je weiter sich das Raumschiff der versteckten Station nähert …

 

Nicht alle Wendungen der Geschichte kommen überraschend, dafür gelingt es dem Autor auf wenigen Seiten eine komplexe insektoide Zivilisation zu erschaffen und mit Delter zudem eine spannende Figur, in deren Entwicklung man gerne noch weiter eintauchen möchte.

 

 

Uwe Post scheint seit einiger Zeit damit zu hadern, dass seinen Geschichten, in welche Richtungen er sie auch dreht, der große Erfolg verwehrt bleibt. Momentan versucht er es anscheinend mit der Drosselung seiner satirischen Ader auf halbe Kraft. So wirkt Terra Halbpension über weite Strecken, als verzichte der Autor bewusst darauf, das volle komödiantische Potential der Szenen auszuschöpfen, wie er es in seinen früheren SF-Kurzgeschichten fast spielerisch tat.

 

Die kleine Groteske über Nele, die einem qualvollen Tod durch Verstrahlung nach einer Atombombenapokalypse dadurch entgeht, dass sie sich von einem außerirdischen Touristentransferbus mitnehmen lässt und an Bord einen insektoiden Verhinderungsagenten kennenlernt, entwickelt zunächst einen lockeren Drive, um dann plötzlich ziemlich abrupt zu enden, ohne dass Neles finaler Entschluss abzusehen war oder zum Rest der Geschichte passt. Vielleicht handelt es sich ja auch um einen verworfenen Romananfang, der hier für die Anthologie aus der Schublade geholt wurde.

 

 

Alexandra Trinley wandelt mit Die Sehenden – Auf gute Nachbarschaft auf den Spuren von Philip K. Dick.

 

Sie lässt uns an den Gedanken dreier Katzen teilhaben, die ihren Menschen beobachten und dabei auch auf etwas zu sprechen kommen, das von ihm unbemerkt den Wald und die Dunkelheit beherrscht …

 

Mit ihrer fremdartigen Stimmung und der Katzen unterstellten zynischen Lässigkeit bringt die Autorin eine weitere exotische Facette in die Geschichtensammlung.

 

 

Danach erscheint Ralf Boldts Erstkontaktgeschichte Cosmic K9 deutlich klassischer, obwohl der Ansatz einer Polizeieinheit, die aus Teams von Menschen und Hunden besteht, durchaus ungewöhnlich ist.

 

Bei einer Außenmission kann Souki, die tierische Partnerin des Icherzählers, eine ganz besondere Rolle spielen …

 

Keine schlechte Story, aber trotz der interessanten Figurenkonstellation treibt sie in ruhigem und oft befahrenem Wasser.

 

 

Die Titel prägende Geschichte von Thorsten Küper, Nachmittag bei unseren Freunden auf ε Eridiani, ist mit 40 Seiten die längste der Anthologie.

 

Die Erde hat gerade noch einmal Glück gehabt. Eine tentakelbewehrte Alienrasse hat plötzlich den Krieg gegen die Menschen beendet und auf Entwicklungshilfe umgeschaltet, weil sie das Konzept von Kindern faszinierend fanden.

Inzwischen sind drei Jahre vergangen und eines der alten Kriegsraumschiffe wurde zu einem Austragungsort für einen ganz speziellen Wettkampf umgebaut. Die Eridiani sind nicht nur hyperintelligent und sehen aus wie riesige graue Kaugummi, sondern lieben zudem die Kindersendung »Nachmittag bei unseren Freunden auf Epsilon Eridani«. Doch die aktuelle Show ist anders. Der US-Präsident besteht darauf, dass sein Sohn an den Spielen teilnimmt. Der ist 19 und durch einen Unfall auf das intellektuelle Niveau eines Sechsjährigen gesunken. Der Produzent der Show, Caleb Ditric, beschließt, das beste aus der Situation zu machen …

 

Erneut beweist Thorsten Küper, dass er problemlos einen fesselnden Thriller-Plot, ein ausgefeiltes Worldbuilding und das Spiel mit aktuellem Zeitgeschehen zu verbinden weiß. Die deutlichen Verweise auf Ex-Präsident Trump bilden dabei nur einen der Bezüge zur traurigen Realität. Eine weitere erstklassige Story des Meisters und ein Höhepunkt der Anthologie.

 

 

Arno Behrend erzählt in Das Jubiläum von einem denkwürdigen aufeinandertreffen zweier Rassen. Während die Bewohner von Anka Wasserbewohner sind, leben die Rendegan an Land. Für die Anka war es ein langer Weg in den Weltraum, doch als man das leuchtende Objekt im Orbit erreichte und daraus das Raumschiff Drei Himmel baute, begann ein neues Zeitalter. Denn man reiste zu den Schöpfern der Sonde und begann eine Austausch zu beiderseitigem Vorteil …

 

Der Twist deutet sich zwar früh an, die Geschichte lebt aber von der konfliktbelasteten Atmosphäre zwischen den beiden Kulturen.

 

 

Auch Gabriele Behrend lässt in ihrer Geschichte Meerwasser ein aquatisches Wesen zu Wort kommen. In einer wundervoll lyrischen Erzählung erleben wir die Begegnung zwischen dem Wesen und einer Frau.

 

Ein erotischer wie emotionaler Hochgenuss und die wohl einprägsamste Erstkontaktgeschichte zumindest in dieser Anthologie. Die Autorin hat in den letzten Jahren immer wieder durch ausgezeichnete Geschichten und mit ihrem Roman Salzgras und Lavendel für Aufsehen gesorgt und »Meerwasser« dürfte ihren Ruf weiter steigern.

 

 

Den Abschluss des Bandes bildet eine Übersetzung aus dem Englischen von Mitherausgeberin Sylvana Freyberg und Verleger Harald Giersche.

 

John Dodd liefert mit Geschichte wird geschrieben von … eine schaurige Metapher für das Schreiben und dem Erzählen einer Lebensgeschichte.

 

Eine Gruppe Glücksjäger folgt dem Ruf einer mysteriösen Botschaft, die auf allen Welten empfangen wird. Die Wahrheit einer älteren Zivilisation sei zu erfahren und niemand wolle von dort zurückkehren. In der Tat hat noch niemand den Erstkontaktbonus beansprucht. Die Abenteurer stoßen auf verlassene Schiffe ohne Strom und entdecken endlich eine seltsame Bibliothek …

 

Das wahre Grauen steckt in der Perspektive, die die Geschichte am Ende aufzeigt. Definitiv eine ganz besondere Ergänzung des bunten Reigens an Erstkontaktgeschichten.

 

Fazit:

»Unsere Freunde von ε Eridiani« ist eine rundum gelungene Science-Fiction-Anthologie mit herausragenden Geschichten von Gabriele Behrend und Thorsten Küper. Im Meer an Kurzgeschichtensammlungen ist dieses Bändchen eine wohltuende Bereicherung.

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Buch:

Unsere Freunde von ε Eridiani

Erstkontakt-Storys

HerausgeberInnen: Sylvana Freyberg und Ralf Zacharias

Vorwort: Andreas Eschbach

Taschenbuch, 214 Seiten

Begedia Verlag, September 2020

Cover: Tithi Luadthong

 

ISBN-10: 3957771374

ISBN-13: 978-3957771377

 

Erhältlich bei: Amazon

Inhalt:

  • Axel Kruse – Rock around the Clock

  • Uwe Hermann – Die Fremden

  • Melanie Vogltanz – Defekt

  • Gerhard Huber – Die kurze Reise der HAWKING

  • Guido Krain – Der Elefantenantrieb

  • Peter R. Krüger – Drei Tage des Erwachens

  • Frank Lauenroth – Delter

  • Uwe Post – Terra Halbpension

  • Alexandra Trinley – Die Sehenden – Auf gute Nachbarschaft

  • Ralf Boldt – Cosmic K9

  • Thorsten Küper – Nachmittag bei unseren Freunden auf ε Eridiani

  • Arno Behrend – Das Jubiläum

  • Gabriele Behrend – Meerwasser

  • John Dodd – Geschichte wird geschrieben von …


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Erstellt: 06.02.2021, zuletzt aktualisiert: 24.06.2022 16:58, 19425