Wahn (Autor: Stephen King)
 
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Wahn von Stephen King

Rezension von Ulrich Blode

 

„Duma Key“, der deutsche Titel „Wahn“ ist so gut wie nichts sagend, spielt vor der Kulisse Floridas und ist in weiten Teilen eine hervorragend erzählte Geschichte über Selbstfindung und seltsamen Freundschaften. Das surrealistische Titelbild der amerikanischen Ausgabe kündigt die Vorboten des Sturms an, in dem die Figuren sich behaupten müssen.

 

Auf Duma Key, einer Insel Floridas, erholt sich der ehemalige Bauunternehmer Edgar Freemantle von seinem schweren Unfall, bei dem er den rechten Arm verlor und Kopfverletzungen davontrug. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen und der geplante Selbstmord muss nach einem Unfall aussehen, damit seine beiden Töchter Melinda und Ilse sich keine Vorwürfe machen und finanziell abgesichert sind. In Florida findet Freemantle die Ruhe, um mit sich selber ins Reine zu kommen, oder, wenn das nicht klappen sollte, nach einiger Zeit sich das Leben zu nehmen. Er findet zu seiner alten Leidenschaft, dem Malen, zurück. Seine Erfolge sind dabei so beachtenswert, dass die lokale Kunstszene auf ihn aufmerksam wird. Das und seine neuen Freunde lassen die inneren Wunden heilen.

Kings Beschreibungen von Freemantles kraftraubenden Versuchen ins Leben zurückzufinden sind gelungen. Als Leser leidet man mit Freemantle, wenn er nach den richtigen Worten sucht, wütend wird und hilflos sein Schicksal betrachtet. Spannend ist die beginnende Freundschaft zu Jerome Wireman, der die alte Dame Eastlake betreut. Ihr Umgang ist mitunter zum Schmunzeln. Aber es können ebenfalls harte Worte fallen. Unbequeme Wahrheiten lassen die Freundschaften tiefer erscheinen und machen sie beständiger, wenn man weiß, dass zu jeder Zeit Verlass aufeinander ist. Anrührend ist die Sorge Wiremans um Elizabeth Eastlake, der ein großer Teil Duma Keys gehört. Zusammen bilden die drei ein seltsames Trio aus gestrandeten Gestalten, von denen jeder eine lange Geschichte über sich erzählen könnte.

Die ganze Zeit begleitet den Leser ein Hauch des Unheimlichen. Immer wieder spürt Freemantle seinen nicht vorhandenen rechten Arm, der die Bilder mitzuzeichnen scheint. Die dunkle Vergangenheit der Insel nimmt Einfluss auf die Motive, die erschreckend hellseherisch sind. Bittere Stunden kündigen sich an, in denen die Figuren engste Freunde und Verwandte verlieren werden.

In dieser Hinsicht ist „Wahn“ ein empfehlenswerter Unterhaltungsroman. Der persönliche Verlust als psychologischer Horror ist spannend umgesetzt. Erkennbar sind auch die Einflüsse anderer Werke Kings, wie „Das Bild“ oder zu einem geringen Teil „Das letzte Gefecht“. Der Autor thematisiert ebenfalls seinen eigenen Unfall, bei dem er angefahren wurde und schwere Verletzungen erlitt, wie er das auf andere Weise bereits in der Reihe „Der dunkle Turm“ tat. Jedem Abschnitt in „Wahn“ setzt King ein Kapitel „Wie man ein Bild zeichnet“ voran. Nicht belehrend, sondern äußerst fruchtbar beschreibt er Möglichkeiten, worauf man beim Zeichnen achten sollte.

Der monströse Horror zeigt sich auf den letzten 150 Seiten. Aus „Wahn“ wird eine Gespenstergeschichte und aus den Tiefen des Meeres taucht die Unheil bringende Perse auf, die Erfolg und Verderben zugleich verspricht. Stephen King hat während der gesamten Erzählung Hinweise darauf eingeflochten. Aber das Ende macht nicht den Roman aus und der dramaturgische Schwenk ist enttäuschend. Die Geschichte um Edgar Freemantle, über seine Selbstfindung, seine Liebe zu den Töchtern und seine Freundschaften ist der Kern des Romans. In einem bedrohlich schönen Florida hat King ein bezaubernswertes Drama geschrieben. Hätte er diesen Weg bis zuletzt beschritten, wäre es ein großartiger Roman geworden. So aber liest man leider nur einen weiteren guten Roman aus der Feder Stephen Kings.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240505234101a2b4e313
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Wahn

Autor: Stephen King

Heyne Verlag 2008.

Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner.

895 Seiten

ISBN-13: 978-3453265851

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 23.04.2008, zuletzt aktualisiert: 05.05.2024 14:19, 6344