E-TOT (Autor: Uwe Post)
 
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E-TOT von Uwe Post

Das Leben nach dem Upload

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Die Tücken des virtuellen Lebens nach dem Tod beschäftigten Uwe Post schon in einigen satirischen Kurzgeschichten. E-TOT behandelt das Thema in Romanlänge ohne die Affinität zum grotesken Humor oder der literarischen Kurzform ganz zu leugnen.

 

Paul erwacht e-tot in seinem Apartment auf dem Server gruft07. Dieses virtuelle Nachleben hat er bezahlt, mit entsprechenden Uploads seines Bewusstseins gefüttert und eigentlich könnte er nun, in bescheidenem Rahmen, ein glückliches Jenseits genießen. Doch nicht nur der peinliche Tod – betrunken vom Balkon gefallen– belastet seine Zukunft. Zumindest kann er seinem Hobby nachgehen und Fußball spielen, im FC Südfriedhof, elfte E-Dead-Liga. Hier lernt er Leo kennen, der seinen echten Körper so gut verkauft hat, dass er ein langes, luxuriöses e-Tot-Leben führen kann.

Nele Haerter hingegen lebt noch. Ihr Mann Tom aber nicht. Dafür nimmt er an ihrem Leben teil, in dem er die verfügbaren Kanäle in der ehelichen Wohnung nutzt, um mit seiner Witwe und seinem Sohn zu kommunizieren. Während sich die Polizistin damit irgendwie arrangiert hat, dass ihr Mann virtuell weiterhin um sie ist, rebelliert Sohn Steven gegen den Typen aus dem Computer, der für ihn nur Software ist, aber nichts mehr mit seinem Vater zu tun hat.

Bald verknüpfen sich die Schicksale e-toter und lebender Figuren und offenbaren das Grauen hinter dem virtuellen Jenseits und dem realen Diesseits.

 

Die zugrunde liegende Story eDead.com, für die Uwe Post 2006 den William-Voltz-Award erhielt, erschien 2007 in der legendären Anthologie-Reihe Visionen 4: Moloch von Helmuth W. Mommers.

Leos Vorgeschichte kennen wir aus der Kurzgeschichte Rest in Bits, die zuerst in der c’t 2012 und in überarbeiteter Fassung 2016 in der Kurzgeschichtensammlung Petware und andere Storys veröffentlicht wurde.

Seither entwickelte sich die Technik weiter, wurde ein virtuelles Weiterleben ein wenig wahrscheinlicher. Aber auch die Gefahren für digitale Untote entwickelten sich fort und Uwe Post beschreibt etliche davon mit großem Genuss. Was etwa passiert, wenn man gehackt wird? Wenn der gepachtete Rechenplatz für illegales Data-Mining okkupiert wird? Wie ergeht es Avataren, die in einer virtuellen Welt leben, die von Nazis unterwandert wird? Wie überhaupt fühlt man sich, wenn gesichtslose Programmierer jederzeit den eigenen Code ändern können? Wenn man in die Hauptfigur einer brutalen Pornoszene gesteckt wird, ohne die Chance, einen Ausschalter zu betätigen?

Und wie verändert das Versprechen auf ein ewiges Leben nach dem Tod die reale Gesellschaft?

 

Uwe Post spielt mit den Fragen und Problemen auf ganz unterschiedliche Weise. Zwar besitzt »E-TOT« einen großen Handlungsbogen, der die wichtigsten Figuren mit einander verbindet, weite Teile des Romans sind jedoch zunächst Episoden, mit verschiedenen Auswüchsen des virtuellen Daseins. In erster Linie der negativen natürlich, denn »E-TOT« ist eine waschechte und bitterböse Dystopie.

Nach Ausflügen in die Fantasy und einer Jugenderinnerung gibt sich der Meister satirischer SF-Kurzgeschichten erneut ernst. Zwar stecken seine Figuren oft genug in skurrilen Situationen, jedoch bleiben Lachen und Schmunzeln schnell im Entsetzen stecken, ob der bitteren Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Das Jenseits ist nicht kostenlos, der Kapitalismus beherrscht die Server der Totenwelten. Das Figurenkaleidoskop ist groß, mitunter kaum verbunden, aber geeint im Zugriff einer ganz und gar nicht wohlmeinenden Wirklichkeit. Post-Land schwimmt auf Tränen der Enttäuschung und nur ab und zu gerät man in den feinen Strom der Ironie, der das Klima milder stimmt.

 

Vielleicht ist »E-TOT« endlich der große Durchbruch für Uwe Post. Mit Fußball, Hundeaction und Bitcoins kann man ja eigentlich nichts falsch machen.

 

Fazit:

Mit »E-TOT« fasst Uwe Post seine Vorstellungen zum virtuellen Nachleben zusammen, angereichert mit einer präzisen Analyse all der schlimmen Dinge, die uns das virtuelle Weiterleben nach dem Tod so richtig versauen können. Und das Erschreckendste daran ist: Alles davon ist bereits life, auf dem großer Server namens Erde.

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Buch:

E-TOT

Das Leben nach dem Upload

Autor: Uwe Post

Taschenbuch, 298 Seiten

Polarise, September 2020

Cover: licarto

 

ISBN-10: 394761957X

ISBN-13: 978-3947619573

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B08FC6NWR6

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 22.12.2020, zuletzt aktualisiert: 17.08.2023 13:46, 19286