Man of Medan (PC; USK 18)
 
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Man of Medan

Rezension von Cronn

 

Langsam öffne ich die rostige Eisentür des Mitteldecks. Es quietscht so laut, dass ich es bereits bereue, die Tür geöffnet zu haben. Meine Verfolger könnten mich hören, befürchte ich. Mutig gehe ich durch den Spalt zwischen Tür und Verkleidung.

Ich trete an eine Balustrade und sehe hinab in einen dunklen Schacht. Der Strahl meiner Lampe fällt auf eine Reihe von Militär-LKWs und Holzkisten. Die Ladung ist im Laufe der Jahrzehnte verrutscht und somit sind auch die Fahrzeuge ineinander verkeilt. Blinkt da hinten etwas? Ist das Gold?

Plötzlich ist da eine Bewegung am Rand des Lichtscheins. War da eine vermummte Gestalt? Bevor ich reagieren kann, ist sie verschwunden.

Ich laufe langsam auf dem Deck entlang und suche einen Weg nach unten, um das blinkende Etwas zu untersuchen. Auf einer Treppe gelange ich nach unten. Meine Schritte hallen laut im Schiffsinneren wider.

Vorsichtig bewege ich mich zwischen durcheinandergepurzelten Kisten und verkeilten LKW auf das blinkende Etwas zu. Es liegt auf einer Art Kleiderhaufen. Was genau ist das?

Je näher ich komme, desto furchtbarer ist die Gewissheit: Was ich als Haufen alter Lumpenkleider angesehen habe, sind in Wahrheit mehrere Leichen, die als mumifizierte Tote wie ein makabres Denkmal zusammensitzen. Offene Münder, noch im Tod einen lautlosen Schrei ausstoßend. Mich überläuft es kalt. Was hat die Menschen so sehr entsetzt?

Und jetzt erkenne ich auch das Blinken: Es ist ein Goldzahn im verfaulten Mund eines Soldaten …

 

Man of Medan ist das erste Kapitel in einer Reihe von Games, die von Supermassive Games entwickelt werden und deren Rahmen die Bezeichnung »Dark Picture Anthology« trägt. In jedem Spiel werden neue Charaktere und Storyplots vorgestellt, so dass sich am Ende eine Sammlung ergibt, ähnlich wie bei Kurzgeschichtensammlungen im literarischen Bereich. Die Idee ist sehr gut, doch wie ist die Umsetzung? Erreichen die Macher vom konsolenexlusiven Until Dawn dieselbe Produktionsqualität?

 

Hintergrund:

Die Story von »Man of Medan« ist eine klassische Spukstory. Sie entwickelt sich rund um eine Gruppe von Ausflüglern, die in einem gecharterten Boot in Konflikt mit Fischern geraten. Im Laufe der Handlung verschlägt es die Truppe auf ein Geisterschiff, das seit Jahrzehnten auf dem Ozean dahintreibt. Dort müssen sie sich den unterschiedlichsten merkwürdigen Phänomenen stellen und auch menschliche Verfolger abschütteln …

 

Die Geschichte von »Man of Medan« ist klassisch angehaucht, wurde aber mit modernen Charakteren versetzt. Das funktioniert sehr gut, allerdings schadet hin und wieder der aufgesetzte Humor der Stimmung. Abgesehen davon ist die Atmosphäre an Bord des Schiffes wirklich absolut dicht und spannend. Tiefer und tiefer dringt man in das Geheimnis der Story ein, wobei in Zwischensequenzen ein Bibliothekar (im Spiel »Kurator« genannt) den Spieler anspricht, damit die vierte Wand durchbricht und ihn ans Spiel bindet. Ein sehr gelungener Kunstgriff, den man aus filmischen Anthologien wie Twilight Zone oder Tales From The Crypt kennt.

 

Gameplay:

In Sachen Gameplay ist »Man of Medan« recht simpel gestrickt. Man läuft durch die Gänge, untersucht Gemälde und Gegenstände. Ab und an setzt man letztere an passenden Stellen ein, aber das ist alles, was es an Rätseln gibt.

Die Perspektiven sind sehr unterschiedlich. Mal folgt die Kamera der Person, mal ist sie fest installiert, was an das klassische Resident Evil erinnert. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit für die Entwickler, den Spieler in seiner Aufmerksamkeit und Emotion zu lenken. Sie nutzen das an verschiedenen Stellen sehr geschickt, um Spannung aufzubauen und Jump-Scare-Effekte einzubauen. Auch stehen immer wieder mal gespenstische Figuren am Bildschirmrand, teilweise merkt man das erst, wenn sie weggehen. Sehr spooky!

 

Interessant ist der Ansatz, dass man durch Entscheidungen unterschiedliche Beziehungen zu den anderen Charakteren pflegt und sogar die Handlung im Fortgang beeinflusst. Dabei ist nicht immer ersichtlich, wie stark der Einfluss ist (anders als beispielsweise in Life Is Strange). Im Menü kann man allerdings seine Beziehungen und Entscheidungen nachschauen. Dort werden auch die gelüfteten Geheimnisse aufbewahrt. Als Bonusinhalt kann man sehr gut produzierte Entwicklervideos freischalten.

 

Spielt man »Man of Medan« im Multiplayer-Modus kann man über das Internet mit Freunden spielen oder lokal im Koop. Beides stellt eine reizvolle Erfahrung dar.

 

Grafik und Sound:

Die Grafik von »Man of Medan« ist sehr gelungen. Die Texturen sind knackig und die per Motion-Capturing aufgenommenen Gesichter der Schauspieler sehr detailliert. Allerdings wirken manche Animationen merkwürdig abgehakt, so als fehlten kleine Animationsstufen.

Die restliche Grafik überzeugt durch Detailreichtum und hoher Effektdichte.

 

Der Sound ist sehr wichtig in einem Horrorgame und auch hier mach »Man of Medan« eine sehr gute Figur. Ständig quietscht und rumpelt irgendwas in dem Schiffswrack, so dass man sich immer wieder umschaut, ob man nicht von hinten angegriffen wird.

 

Fazit:

»Man of Medan« ist streckenweise mehr gespielter Film als Game. Aber wer sich darauf einlassen kann, erhält eine sehr gute Horrorerfahrung, die durch den Koop-Part an Mehrspielwert gewinnt. Absolute Kaufempfehlung für Horrorfans!

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PC-Game:

Man of Medan

Supermassive Games / Namco Bandai, 29. Aug. 2019

USK:18

 

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Erstellt: 18.09.2019, zuletzt aktualisiert: 14.04.2024 08:35, 17891