Rezension von Carina Schöning
Puh, wenn das der gute Tolkien wüsste… nachdem diverse Autoren schon seine Geschöpfe der Elfen, Zwerge, Orks, Trolle und Halblinge in eigenen Romanen verwurstet hatten und sogar der Mittelerde-Kosmos mit allerlei Viehzeug wie Kobolde und Goblins angereichert wurde, lässt Boris (B. B. B.) Koch nun auch noch seine Anderen auf die Leser los. Das gefährlichste und peinlichste Volk von Tolkien, daher auch vom großen Meister in seinem „Herr der Ringe“ verschwiegen.
Von jedem Volk der Elfen, Zwerge, Trolle und Orks wurden Gesandte zum Tempel der 23 Säulen geschickt. Das weise Orakel verkündete dort, dass die schattigen Heere der Anderen kommen und das Land an sich reißen werden. Binnen kürzester Zeit hatten sich dann zwar alle Gesandten irgendwie gegenseitig umgebracht, aber die mysteriöse Botschaft des Orakels ist letztendlich doch bei jedem Volk angekommen.
Auch die Elfen wurden informiert und weil die schöne Elfin Doro Elle nach einem wilden Traum behauptet von den Anderen schwanger zu sein, wird sie kurzerhand von der Königin in eine andere Dimension verbannt. Nur der stolze und edle Elf Fahrdahin und der wilde Rebell Nur´a´mann glauben an ihrer Unschuld. Nachdem sie jahrzehntelang in direkte Konkurrenz zueinander standen und gleichzeitig um die Liebe und Zuneigung der hübschen Doro Elle buhlten, haben sie schließlich doch Freundschaft geschlossen und machen sich jetzt gemeinsam auf sie zu retten. Bei ihrer Quest sollen sie entweder die hell schimmernden Sandkörner einsammeln, die zusammengesetzt den Dimensions-Schlüssel ergeben, oder aber fünf magische Sternale, die zusammen das mächtige Eine Artefakt bilden.
Zeitgleich ist auch eine kleine Gruppe von Orks, die die „Murmeltiere“ genannt werden, auf der Suche nach den Sternalen. Ihre Domina-Königin Jafester hat auch die Botschaft des Orakels gehört und möchte jetzt die Weltherrschaft an sich reißen. Klar dass beide Truppen aufeinander treffen und um die begehrten Sternale kämpfen.
„Die Anderen“ ist gemäß dem Untertitel „Die große Orks-Elfen-Zwerge-Troll-Parodie“ in einer klassischen Fantasy-Welt, die bewusst an Tolkiens Mittelerde erinnert. Geschickt werden viele Querverweise und Handlungsstücke aus „Herr der Ringe“, „Der kleine Hobbit“ oder auch andere Fantasy-Klischees verwendet und zu einer „neuen“ Handlung zusammengesetzt. Dass das Ganze dann manchmal recht wirr und konstruiert wirkt, schadet dem Roman nicht wirklich. Da haben wir z.B. die Gefährten der Sternale bei ihrer gefahrenvollen Quest die holde Elfenmaid zu retten, der Zwerg Dungdill, der als kleines Kind ausgesetzt wurde und verzweifelt nach seiner wahren Herkunft forscht oder auch das Auffinden des Einen Ringes, der letztendlich einfach in den Fluss geworfen wird. Auch moderne Klischees werden geschickt eingebaut. So erlebt der Ork Njuh hautnah die Schrecken eines Praktikums oder aber der Zwerg Dungdill muss erkennen, dass ein klassisches Zwergenbegräbnis nicht mit roter Zipfelmütze und freundlicher Gartenschubkarre von statten geht und Zwergen-Rentner ziemlich gefährlich sein können. Der Klassische Geschlechterkampf wird selbstverständlich genauso wenig ausgelassen wie Witze über erhöhten Drogenkonsum und SadoMaso-Vorlieben. Dabei ist der Humor mal flach und albern, mal ironisch und sarkastisch gehalten: Slapstickeinlagen, Klischees, Wortspiele oder einfach die passenden Andeutungen zur richtigen Zeit. Tiefsinniges und Anspruchvolles findet man nicht in dem Roman, dafür aber gute Unterhaltung. Immer vorausgesetzt man mag solche Art von Parodien.
Besonders interessant ist auch die kreative und abwechslungsreiche „Schreibweise“ des Romans z.B. kommen zwischendurch Werbeeinblendungen für Schwerter oder Morgensterne, dann wird die Handlung kurzerhand in einem gezeichneten Comic fortgesetzt oder aber ein Kampf wird plötzlich nach klassischer Chatroom Art ausgetragen. Hinzu kommt, dass der Autor selbst fortlaufend seinen eigenen Text kommentiert oder sich auch mal vor dem Leser oder auch dem mächtigen LektoRat rechtfertigen muss.
Insgesamt ist „Die Anderen“ eine rundum gelungene Parodie auf die bekannten Fantasyfiguren und Stereotypen. Keine hohe Literatur, aber durchaus unterhaltsam und witzig. Aufgrund des geringen Umfangs eignet sich der Roman zwar eher für Zwischendurch und nicht jeder der vielen Lacher zündet auch wirklich. Wer aber Spaß an solchen respektlosen Werken wie „Der Herr der Augenringe“, „Die Chroniken von Blarnia“ oder auch „Barry Trotter“ hat, liegt hier goldrichtig.