Gipfel der Götter von Jiro Taniguchi & Baku Yumemakura
Band 3 von 5 | Kamigami no itadaki | Reihe: Shodoku
Rezension von Christian Endres
Nach einem kurzen Ausflug in die Vergangenheit der ersten britischen Versuche, den Mount Everest zu bezwingen, bringen uns Szenerist Baku Yumemakura und Zeichner Jiro Taniguchi zurück nach Katmandu. Dort setzt der japanische Fotograf Fukamachi seine manische Suche nach der verschollenen Kamera aus dem Dunstkreis der in Fachkreisen noch immer eifrig diskutierten vermeintlichen Erstbesteigung durch Mallory und Irvine Mitte der 1920er Jahre fort. Zwischen zwielichtigen Händlern, arbeitslosen Sherpas und hupenden Lastwagen sucht der Japaner nach der unter Schnee, Eis, Lügen und Spekulationen vergrabenen Wahrheit. Natürlich fahndet er auch weiterhin nach Habu Yoshi, dem legendären einsamen Wolf der japanischen Alpinisten-Szene, der irgendwo in Nepal untergetaucht ist und seinen letzten großen Coupe zu planen scheint. Schließlich taucht auch noch Habus alte Flamme Ryoko in Katmandu auf - woraufhin die Gefühle und Eindrücke aus der Vergangenheit und der Gegenwart endgültig kollidieren und für eine ganze Weile ordentlich eskalieren...
In der Folge entwickelt sich das Szenario der Bergsteiger-Saga immer mehr zu einem packenden Thriller, wird die Geschichte zwischen nepalesischen Söldnern, verschwiegenen Sherpa-Legenden, Kleinkriminellen und Heiligen Festen mit geschlachteten Ziegen und Büffeln sogar ordentlich politisch, ohne dabei ihre Hintergründig- oder Vielschichtigkeit abseits der Gipfel einzubüßen. Dazu kommt eine zeitweilig veränderte Erzählstimme samt gewandelter Atmosphäre und angepasstem Rhythmus. Denn die ersten Bände der Reihe hatten ja ein sehr gemächliches Tempo vorgegeben: Viele Rückblenden, ruhige Dialoge und eben allerhand Zeitsprünge zeichneten die ruhige Erzählstimme dieser beiden Teile aus.
Im dritten Band der ambitionierten, wohl recherchierten Manga-Reihe belehren uns Yumemakura und Taniguchi nun eines Besseren: Sie können auch anders und geben auf über 200 Seiten richtig Gas! Das sind 200 Seiten, die zwar immer im Schatten der mächtigen Gebirgsketten und der Leidenschaft für die höchsten, eisigen Gipfel der Erde spielen, aber für den Moment doch eher in den verwinkelten Straßen der Innenstadt sowie den schattigen Gassen der Seelenstädte der Protagonisten angesiedelt sind. Aus einer journalistischen Suche wird zunächst eine kriminalistische, bis Fukamachi sich am Ende eingestehen muss, dass er Habu einfach weiter folgen, dessen Weg beobachten und aufzeichnen muss. Obsession trifft letztlich also Obsession. Sehr eindringlich, aber auch nachdenklich eingefangen.
So ist der dritte Band also zu einem Gros eine wohlfeine Thriller-Pause im üblichen Mensch-gegen-Natur-Geschehen der Saga, dessen Fortsetzung jedoch im letzten Kapitel wieder in den Fokus rückt - genauso wie die obligatorische, ruhige Vergangenheitsbewältigung.
Was bleibt, das ist eine von allen kurzzeitigen Veränderungen unbeeindruckt gute, spannende, dicht aufbereitete Erzählung mit tollem Schwarzweiß-Artwork, deren Fortsetzung man kaum erwarten kann.