Rezension von Oliver Kotowski
Rezension:
1623 kehrt der spanische Söldner Kapitän Diego Alatriste vom Unabhängigkeitskrieg in Flandern nach Madrid zurück. Kaum ist er angekommen, da wird er auch von einem geistlichen Herrn angeheuert um zwei englischen Ketzern eine Lektion zu erteilen. Gemeinsam mit dem Fechter Gualterio Malatesta will er gerade die beiden ermorden, als er feststellt, dass es sich bei den beiden Fremden keineswegs um gewöhnliche Ketzer handelt. Nach und nach geht ihm auf, dass er in den Machtkampf der spanischen Grandes verwickelt wurde. Schließlich beginnt sich sogar Conde Duque de Olivares – scheinbar nur die rechte Hand des Königs, doch in Wahrheit die graue Eminenz – für Alatriste zu interessieren. Aber schlimmer noch, die junge Angélica de Alquézar, deren Familie danach giert zu den Granden zu gehören und gegen de Olivares intrigiert, flirtet mit Inigo Balboa, dem Sohn eines der in Flandern gefallenen Söldner Alatristes, der seit jener Zeit der Zögling des Kapitäns ist.
Zwar ist 1622 die Spanische Armada schon besiegt, doch noch immer erhält König Philipp IV. Unmengen von Gold aus den amerikanischen Kolonien. Auch die militärische Vormachtstellung ist ungebrochen: Immer wieder setzen sich die Pikenträger, die Büchsenschützen und die Kanoniere Spaniens durch, doch sie werden auch immer wieder erneut herausgefordert – die Macht Spaniens hat ihren Zenit überschritten. Die äußere Schwäche spiegelt sich im Inneren wider: Am Hofe spinnen nicht nur die Adelshäuser Intrigen, auch verschiedene Priester sind darin verwickelt, denn manch ein weltlicher Herr mag Unterstützung durch dynastische Verbindungen im Ausland – bei den protestantischen Ketzern – suchen, was die Katholische Kirche, besonders die Spanische Inquisition, nicht dulden kann. En passant wird ein Sittengemälde der Zeit skizziert: Kunst und Krieg, Bigotterie und Ehrgefühl, Brutalität und Liebe gehen über sonderbare Wege Hand in Hand.
Auch technisch ist die Umsetzung sehr gut geraten: Zahllose Statisten bevölkern die Straßen, in denen glaubwürdig ausstaffierte schäbige Gestalten von prachtvollen Herren an den Rand gedrängt werden; ob armselige Spelunken oder glänzende Paläste, es wirkt fast immer authentisch – nur der aufmerksame Beobachter kann ein paar Schwächen ausmachen, wie z. B. das weitgehende Fehlen von Kriegsversehrten.
Die Anzahl der Sprechrollen ist sehr groß – entsprechend können viele der Figuren nur skizziert werden. Die zentrale Figur ist natürlich Diego Alatriste (Viggo Mortensen; Der Herr der Ringe) selbst. Er ist ein Söldner und hat entsprechend viele Schlachtfelder gesehen. Dort glänzt er besonders durch die gezielten heimlichen Überfälle – heute spricht man eher von Kommandounternehmen – auf strategisch wichtige Stellungen. In Madrid nimmt er dann schäbigere Aufträge an: Er überfällt politisch unerwünschte Männer. Trotz seines niederen Standes – Kapitän ist nur ein Spitzname – ist er hochmütig. Er nimmt nicht gerne Befehle entgehen und mag sich nicht verstellen. Zwar ist er tapfer, doch er ist nicht tollkühn: Den Granden zollt er letztlich doch Respekt. Eigenartig ist seine Haltung in der Liebe, denn er hat eine lang anhaltende Affäre mit der bezaubernden und verheirateten Theaterschauspielerin María de Castro (Ariadna Gil; Pan's Labyrinth), doch sollte er selbst sie heiraten, dann würde er jeden Mann, der sich ihr nähert, töten. Das Töten ist Alatristes Handwerk und er versteht sich gut darauf – der Befehl, keine Gefangenen zu nehmen, kommt ihm leicht über die Lippen. Dennoch ist er nicht völlig skrupellos oder gar gleichgültig; besonders seinen Kameraden versucht er beizustehen. So wird er auch zum Ziehvater des jungen Inigo Balboa (Unax Ugalde). Inigo soll kein Söldner werden; Alatriste lässt ihn lesen und schreiben lernen. Schon in jungen Jahren beginnt der Zögling zu dichten – doch er bewundert die Abenteuer des Söldners so sehr, dass er schließlich eben dessen Weg einschlägt. Er verliebt sich in die schöne Angélica de Alquézar (Elena Anaya; Van Helsing), die Tochter einer aufstrebenden Adelsfamilie. Sie selbst ist hin und her gerissen – soll sie ihn benutzen um an Alatriste heranzukommen oder soll sie mit dem jungen Dichter-Soldaten durchbrennen? Die Entscheidung ist schwer, gibt es doch die Möglichkeit den mächtigen Conde Duque de Olivares (Javier Cámara) zu stürzen und selbst zu den Granden aufzurücken. Es bleibt der düstere Söldner Gualterio Malatesta (Enrico Lo Verso; Hannibal) – oft kämpft er an der Seite Alatristes, doch ebenso oft wird er an der Seite von dessen Feinden gesehen; auch wenn die beiden gedungenen Mörder sich langsam zu schätzen lernen, bleibt die dunkle Vorahnung, dass sie irgendwann die Klingen kreuzen werden.
Die Schauspieler werden ihrer Aufgabe allesamt mehr als gerecht – und neben den bisher genannten Namen, gibt es noch einige weitere Größen des spanischen Films.
Der Plot weist die einzige ernsthafte Schwäche des Films auf: Er versucht zu Vieles in zu kurzer Zeit zu vereinen. Da sind die Schlachten, die Überfälle und daraus resultierenden Kämpfe, die Liebesbeziehungen, die Intrigen und gekittet wird das Ganze mit etwas Sittengemälde. All' dieses wird um die Abenteuer Alatristes herum gewoben. Damit erhält man so etwas wie die Biographie eines fiktiven Helden. Der Zuschauer blickt quasi Alatriste über die Schulter und kann damit kaum erkennen, welche Figur gerade auf der Seite von wem steht – dieses kann sich schnell ändern oder sowieso nur vorgetäuscht sein. Schlimmer noch: Es braucht einige Zeit um die relevanten Figuren auseinander halten zu können – und dann verändern sie sich auch noch, da sie älter werden. Alatriste ist auch nur mehr oder minder klar, wer aus welchem Grund sein Feind ist; der Zuschauer durchdringt die Zusammenhänge noch weniger.
Erschwerend dazu kommt das Fehlen eines Spannungsbogens. Der Film steigt in medias res ein – es gilt eine wichtige Kanonenstellung des Feindes zu sabotieren. Was kann Alatriste erringen? Sein Leben und etwas Ruhm. Doch im Laufe der Zeit wird immer deutlicher, dass der Ruhm ihn nirgendwo hinbringen wird – und was ist ein Leben ohne Ziel Wert? Eigentlich könnte es eine spannende Entwicklungsgeschichte sein, die sich mit der Desillusionierung eines Patrioten befasst – doch dazu legt Regisseur Augustín Díaz Yanes zuviel Wert auf die zahlreichen Nebenhandlungen.
Der Film wird zwar nie langweilig – dazu gibt es zu viele schnelle Szenen – aber nach einiger Zeit entsteht der Eindruck, man trete auf der Stelle.
Es gibt nur sehr wenige Panoramaaufnahmen; dieses ist sicherlich eine Kostenfrage, denn die Moderne müsste aus den Landschaftsbildern aufwendig wegretuschiert werden. Wohl auch aus diesem Grund sind für die Stadtszenen sehr häufig nahe Einstellungen gewählt. Zusätzlich entsteht so der Eindruck der Gedrängtheit. Handwerklich bleibt die Inszenierung eher altmodisch: Es gibt weder wackelige Handkameras noch schnelle Schnitte; selbst bei den Kämpfen sind die Einstellungen relativ lang und zumeist in der Totale um die Bewegungen der Akteure einzufangen. Die Special Effects sind sehr unaufdringlich, was die Authentizität erhöht.
Der Film von Augustín Díaz Yanes basiert auf den Romanen um den Helden zweifelhafter Moral des gefeierten spanischen Schriftstellers Arturo Peres-Reverte. Der mit einem Budget von etwa 24 Millionen Euro bisher aufwendigste spanische Film erhielt zahlreiche nationale Filmpreise, wie etwa 2007 den Goya.
Fazit:
Der Söldner und Auftragsmörder Diego Alatriste treibt durch die brutale Zeit des niedergehenden Spanischen Reiches und wird in die Intrigen des Adels und eine tragische Liebesbeziehung verwickelt. Ein optisch wunderbarer Mantel und Degen Film mit brillanten Schauspielern; leider mit einem viel zu komplexen Plot versehen.