Rezension von Michael Nolden
Eine Zirkusveranstaltung. Die Flying Graysons absolvieren eine Atem beraubende Trapeznummer und versetzen das Publikum durch ihre Künste in absolutes Staunen. Präzise Abstürze, die das Publikum narren, sind nur kleine Teile jener unglaublichen Artistik. Mittendrin ist Dick Grayson, das fliegende Wunderkind.
Im Publikum sitzt Bruce Wayne zusammen mit der Reporterin Vicki Vale. Auch der Playboy mit der Geheimidentität namens Batman ist beeindruckt. Er erkennt das Potential des Jungen, der furchtlos unter dem Dach des Zirkuszelts agiert.
Aber die wunderbare Vorstellung wird zu einem schrecklichen Ereignis. Dick wird Zeuge, wie seine Eltern von Unbekannten während der Vorstellung erschossen werden. Und damit nicht genug: Polizisten verschleppen den jungen Mordzeugen und wollen ihn mundtot machen, wenn nötig für immer.
Doch die Polizei hat die Rechnung ohne verwegene Menschen gemacht, die bereit sind, ihr Leben zur Rettung eines anderen einzusetzen. Butler Alfred wird gegen seinen Willen von Vicki in eine wilde Verfolgungsjagd verwickelt. Sie will nicht einfach zusehen, wie die korrupten Polizisten den Jungen einfach beseitigen.
Auch Bruce Wayne will den Jungen nicht sterben sehen. Weitaus gruseliger und schrecklicher ist der Eindruck, den er bei den Polizisten hinterlässt. Unbarmherzig setzt er alles ein, um das Kind zu retten und hat auch keine Skrupel, wenn die, die ihm dabei im Weg stehen, ihr Leben lassen.
Am Ende hat Batman einen neuen Rekruten in einem Krieg gegen die finsteren Mächte, die sich in Gotham herumtreiben.
Zwei Comic-Legenden haben sich zusammengetan, um eine Geschichte einer Comic-Figur neu zu erzählen, die im Universum der Comics selbst eine Legende ist: Batman. Alte Geschichten im neuen Gewand haben in den letzten Jahren Hochkonjunktur. Bei Marvel hat das Ultimative Universum enormen Erfolg vorzuweisen. Entsprechende Versuche bei DC, zum Beispiel mit der Superman-Saga Birthright, fanden einen ebenso guten Anklang bei den Fans.
Autor Frank Miller bedarf bei den Fans kaum einer Vorstellung. Nachdem er zuerst ein wenig glücklos war, brachten ihn seine Geschichten um den gealterten Dark Knight in die erste Liga der Comic-Autoren. Diese Erfolge gestatteten ihm die Umsetzungen von Sin City und 300. Ersteres geht demnächst in die Kinofortsetzung, letzteres, die Geschichte um den Kampf von Spartanern gegen Perser, wird ebenfalls verfilmt. Was Miller anpackt, wird zu Comic-Gold, könnte der Leser inzwischen meinen.
Tatsache ist, dass Miller seine Helden realistisch anlegt. Bei ihm fliegen die Fetzen und er gönnt seinen Helden nichts. Oftmals sind sie bar jeder Illusion und eine Verletzung ist eine Verletzung, die ihnen wirklich zusetzt. Dieser All Star Batman folgt dieser Millerschen Prämisse.
Dieser Batman traut niemandem, schon gar nicht der Polizei. Alles an Gotham ist schlecht, so schlecht, dass der dunkle Ritter sich in einem wahrhaftigen Krieg wähnt. So ist der junge Grayson denn auch kein potentieller Partner in diesem Krieg, er ist für ihn ein Rekrut, ein Soldat.
Dick Grayson braucht nicht lange, um dies zu begreifen. Und er ist bereit, diese Tatsache um der Rache willen anzunehmen.
Zeichner Jim Lee muss eigentlich nicht vorgestellt werden. Mit seiner Umsetzung des Batman-Mehrteilers Hush (Hierzulande: Batman: Die neuen Abenteuer) schuf er bereits ein sehr düsteres Abenteuer um den Fledermausmann, der dort sogar gegen Superman antreten musste. Er ist bekannt für seine äußerst genauen und realistischen Zeichnungen. Seine Figuren sind unverkennbar und Batman ist wie für ihn gemacht. Sein Ausflug in Supermans Welt war weniger gelungen. Es scheint, als habe Lee eher ein Faible für düstere Szenarien. Dem Fan kann es nur recht sein.
Schnell wird für den Leser deutlich: Dieser Batman ist eine Waffe. Außerdem wird alles in seiner Hand ebenfalls dazu, sei es Dick Grayson, der den Kampf lernen soll oder das Batmobil, das mit brachialer Gewalt gegen die Bösewichter eingesetzt wird.
Kleine Auffälligkeiten gibt es. Die Schnauze des Batmobils sieht nicht immer gleich aus. Auch ist es merkwürdig, dass ein gut rasierter Bruce Wayne nur wenige Minuten später zu einem unrasierten maskierten Rächer wird. Die Fähigkeiten von Superhelden in allen Ehren, aber selbst Superman kann seinen Bartwuchs nicht derart kontrolliert einsetzen.
Wer genau hinschaut, kommt an der kleinen Hommage an Sin City nicht vorbei. Das Batmobil rast eine Hügelstraße empor. Von schräg oben ist der Moloch Gotham City zu sehen. Batmans Stimme aus dem Off tut ihr Übriges, um die Erinnerung an ähnliche Szenen aus Sin City noch zu verstärken. (Wahrscheinlich kann Miller nicht so einfach aus seiner Haut.)
Insgesamt bleibt ein beeindruckend in Szene gesetzter Neuauftakt. (Der aus meiner Sicht nicht ganz so innovativ ist, wie es Birthright war). Hier sind Profis am Werk, das steht außer Frage. Dies ist ein erwachsener Batman, hart, gemein, gnadenlos, aber auch ein Batman, der bisher nicht sympathisch ist: ein typischer Held des neuen Jahrtausends. Als Grundstein macht die erste Episode sehr viel Lust auf mehr. Ich hoffe, dass Miller und Lee ihre eigene qualitative Vorlage halten können.