Am Großen Fluss
 
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Am Großen Fluss

Rezension von Karl-Georg Müller

 

Standadisierte Reihentitel haben etwas Gutes: der Rezensent muss nicht weit ausholen und auf dieses oder jenes Detail verweisen, das im Gegensatz zu Vorgängerprodukten verändert oder eben nicht verändert wurde. Mit „Am Großen Fluss“ liegt die Spielhilfe Nummer 6 auf dem Tisch. Die Aufmachung gleicht meinen Eingangsworten zufolge natürlich den übrigen Bänden der Reihe, kurz gesagt also werden uns Hardcovereinband, Schwarz-Weiß-Druck im Innern, Lesebändchen, viele Illustrationen und zum Teil farbige („Havena“ und „Das westliche Mittelreich“) Pläne, eingeschoben in einer praktischen Innentasche, präsentiert.

 

Im Innenteil machen wir uns auf an die Ufer des Großen Flusses, genauer nach Albernia und Windhag, die Nordmarken, Kosch und die Feenlande. In richtig „altes“ Abenteuerland also, eines der Kernlande, wenn nicht sogar der Mittelpunkt Aventuriens. Denn gruppiert sich nicht um Havena herum all das, was in dem 220 Seiten starken Buch besprochen wird?

 

Auf jeden Fall nimmt der Band Bezug auf alte Regionalbeschreibungen: „Das Fürstentum Albernia“, in der unter anderem eine Beschreibung von Havena enthalten ist (und gleichzeitig sei an die eigenständige Havena-Box erinnert) und „Stolze Schlösser, dunkle Gassen“ mit den Ausführungen zu Kosch. Das hat zwei Vorteile, denn ein langjähriger DSA-Spieler wird sich gleich heimisch fühlen, weil ihn Altbekanntes erwartet, wohingegen sich ein Neueinsteiger darauf verlassen kann, über die Jahre gewachsenes Hintergrundmaterial vor Augen zu haben. Außerdem stellt der belesene DSA-Spieler sehr schnell fest, dass die alten Hintergrundbände zwar die Grundlage für die Beiträge bildeten, aber – soweit ich dies verglichen habe – alles neu aufbereitet, griffiger formuliert und natürlich regeltechnisch sowie von den Zeitläuften her auf den neuesten Stand gebraucht wurde.

 

Die inhaltliche Gestaltung folgt den gewohnten Kriterien, indem der sehr große Autorenstamm mit der „Geschichte am Großen Fluss“ beginnt. Das lädt nicht unbedingt zum hemmungslosen Lesen ein, weil die Fülle an Informationen schier erschlägt. Dieser knapp 20 Seiten lange Abschnitt ist viel besser dazu geeignet, dass man bei Bedarf nachschlägt und die Angaben beispielsweise für die eigene Kampagne heraussucht. Das ist das Kapitel, in dem ich am kürzesten verweile und im Fluge die Jahre passieren lasse.

 

Viel lebendiger aber wird es gleich im folgenden Kapitel, weil hier dem Spielleiter Tipps und Abenteuervorschläge angeboten werden. Das sind allesamt recht interessante Ideenschnipsel, die aber eines findigen Spielleiters bedürfen, um zu tragfähigen Handlungsfäden geknüpft zu werden. Dem nicht sehr umfangreichen Abschnitt folgen genauere Ausführungen zum aktuellen Krieg in Albernia: Albernier und Nordmärker stehen sich spinnefeind gegenüber. Das hat natürlich seine Auswirkungen auf im Lande agierende Heldengruppen, die sich den Gesetzmäßigkeiten kriegerischer Auseinandersetzungen nicht entziehen können; es genügt ja schon der bloße Verdacht, dass fremdländische Abenteurer als Spione unterwegs sein könnten, um sich den größten Ärger aufzuhalsen ...

 

Unter der Überschrift „Der Große Fluss“ schnuppern wir zum ersten Mal richtig Landluft, weil uns die zentrale Verkehrsader der Ländereien nahe gebracht wird. Die Erläuterungen hierzu sind, wie auch zu den nachfolgenden Ländern oder Provinzen, eine Mischung aus Information und erzählenden Elementen (Barden oder Gelehrte zum Beispiel haben ihre Erlebnisse niedergeschrieben, die nun nachgelesen werden können).

 

Vier umfangreiche Kapitel bilden das Kernstück von „Am Großen Fluss“. Sie widmen sich den verschiedenen Landstrichen, weshalb die einzelnen Beiträge folgerichtig „Das Köngreich Albernia“, „Die Markgrafschaft Windhag“, „Das Herzogtum Nordmarken“ und „Das Fürstentum Kosch“ heißen. Wieder wird einem einheitlichen Aufbau Folge geleistet: ein Infokasten mit allgemeinen Angaben wie Bevölkerungszahl, Sozialstruktur, Magie oder lokalen Helden dient der Einführung. Darauf folgen Textbeiträge zu „Land und Leute“ oder „Kunst und Handwerk“, also pures Hintergrundwissen, das fürs Rollenspiel elementar ist und erst zur Realismusnähe führt. Themen wie „Sagen und Legenden“ dagegen verleihen den eher sachlichen Erklärungen das Quantum an Flair und Atmosphäre, von dem ein gutes Fantasy-Rollenspiel lebt. Die einzelnen Beiträge sind inhaltlich abgestimmt auf landesspezifische Eigenarten. So begegnet uns in Kosch ein kurzer Text zu „Feste und Bräuche“, weil der Koscher eben gerne und ausgiebig feiert.

 

Havena wurde ein größerer Raum freigehalten, was bei der wichtigen und großen Stadt mehr als angemessen ist. Auf den etwas mehr als 20 Seiten jedoch kann (bei einer Einwohnerzahl von 30.000) nur ein Bruchteil dessen wiedergegeben werden, was die Hafenstadt interessant macht. Wichtige Örtlichkeiten, insbesondere Tempelanlagen, werden zwar mit wenigen Worten umrissen, doch fehlt die Ausführlichkeit, um Havena für den Spielleiter als direkt spielbar gelten zu lassen. Da ist sehr viel Eigenarbeit gefordert.

 

Bevor „Am Großen Fluss“ mit den beiden Kapiteln zu den berühmten und berüchtigten Personen und zu Mysteria et Arcana sowie einigen Lese- und Hörtipps sowie dem obligatorischen Index seinen Abschluss findet, wird noch einmal tief in die Wundertüte gegriffen: heraus kommt das sehr schön geschriebene Kapitel „Von Wundersamen und Zauberhaften“, in dem wir von den Feen und den Neckern, Nixen und Meermenschen lesen. Das sind die Feinheiten, die ganz besonders Albernia auszeichnen, das in seiner Gestaltung an die schottische, walisische und irische Sagenwelt erinnert und dessen Zauber sehr gut vermittelt wird.

 

Obwohl „Am Großen Fluss“ in weiten Teilen den Standard der vorhergehenden Bände halten kann und in Abschnitten wie dem zuletzten erwähnten dicke Pluspunkte sammelt, stört mich diesmal ein Detail: die Erzähltexte, also das, was Magister, Barden oder auch Fischer berichten, nehmen wir zu viel Raum ein, an manchen Stellen dominieren sie gar. Das liest sich im Einzelnen sehr schön und der Leser riecht und hört und sieht das, was Albernia oder Kosch auszeichnet, aber in der Fülle nutzen sie sich ab, zudem ihr Informationsgehalt im Vergleich zum Umfang geringer ist. Ein echtes Manko stellt das aber nicht dar, vielleicht ist es auch „nur“ die persönliche Empfindung, dass dabei nicht ganz glücklich gewichtet wurde.

 

Insgesamt nämlich reiht sich „Am Großen Fluss“ in die Phalanx der guten Spielhilfen für „Das Schwarze Auge“ ein, die von der Neugestaltung optisch und von der textlichen Neufassung inhaltlich in meinen Augen ganz eindeutig profitiert haben. Ein Standardwerk für den DSA-Spielleiter stellt der Band allemal dar, gut gemacht ist er zudem auch noch. Viel mehr kann man sich gar nicht wünschen ...

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Hinweis:

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH,

www.fanpro.com und www.f-shop.de

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425023526791445da
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Am Großen Fluss

System: DSA

Verlag: FANPRO

Produkttyp: DSA (Das Schwarze Auge)

Warengruppe: DSA: Boxen/Hintergründe/Regeln

Hardcover, 220 Seiten

Preis: Euro 25,00

ISBN: 3890642047

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 19.12.2005, zuletzt aktualisiert: 20.02.2015 17:08, 1645