Am liebsten mag ich Monster
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Am liebsten mag ich Monster

Rezension von Christel Scheja

 

Es gibt Künstler, die sich nicht beirren lassen und bei ihrem Debüt einfach erst einmal die Geschichte erzählen, die aus ihrem Herzen kommt und sich nicht dem Mainstream anpassen. Das ist auch bei dem Erstlingswerk von Emil Ferris der Fall. Die Künstlerin erzählt die Erlebnisse ihrer zehnjährigen Protagonistin Karen Reyes vor den turbulenten späten 60ger Jahren in Chicago in „Am liebsten mag ich Monster“ und nimmt dabei kein Blatt vor dem Mund.


Es ist eine verrückte und manchmal auch traurige Welt, in der Karen Reyes aufwächst. Sie hat nur noch ihre Mutter – ihr Vater ist vor vielen Jahren gestorben und ihren um viele Jahre älteren Bruder und ist meistens alleine mit sich und ihrer Phantasie, denn ihrer besten Freundin wurde verboten zu ihr zu kommen, weil die beiden Kinder einen wenig mädchenhaften Geschmack entwickelten, da Karen ihre Freundin mit ihrer Begeisterung für Horror-Comics und -filme ansteckte.

Das Mädchen selbst sieht sich als Werwolf, gefangen in einer menschlichen Hülle, spürt die Bestie die nur darauf wartet, eines Tages ihre Masken abzuschütteln um so leben zu können, wie sie es braucht. So lange muss sie das beste aus ihrer Situation machen. Die ist nicht einfach, denn in der Schule wird sie regelrecht gemobbt, immer wieder von den Jungs geschlagen und verspottet, auch die Mädchen wissen mit dem Freak nichts anzufangen, bis auf einige, ganz wenige Ausnahmen wie der immer hungrigen Klassenkameradin.

Als sich eine Hausbewohnerin mit der Karen öfters Gespräche geführt hat, das Leben nimmt, verändert sich einiges … ein schleichender Prozess wird in Gang gesetzt, der das kluge und aufmerksame Mädchen immer mehr auf die Dinge in ihrer Umgebung aufmerksam macht, die wirklich gruslig sind …


Bei „Am liebsten mag ich Monster“ kann man wohl mit Fug und Recht von einer Graphic Novel sprechen, denn die Geschichte folgt ihrem eigenen Rhythmus und bearbeitet Themen, die man so im Mainstream nicht finden würde.

Man erhält Einblick in eine unbekannte und magische Welt, die aber auch ganz eng mit der irdischen Realität verbunden ist. Mit treffenden Zeichnungen gibt Emil Ferris durch ihre Protagonistin die Welt, die sie zum Teil selbst so kennen gelernt hat, wieder.

Karen kommt aus keiner reichen und wohlbehüteten Familie. Ihre verwitwete Mutter hat es nicht leicht, sich gegen die Vorurteile durchzusetzen, die ihnen allen entgegen schlagen, ihr Bruder lebt in den Tag hinein, weil er sich auch mehr vom Leben erhofft, als ein normales Leben mit Arbeit und Familie.

Karen selbst sieht und zeichnet sich als Monster, nur einmal bekommt man ein Bild des wahren Mädchens zu sehen. Sie wächst in ihrer Erzählung nach und nach aus den kindlichen Träumen heraus und wird tatsächlich langsam erwachsen, weil sie immer mehr von der Umgebung mitbekommt und daran wächst – vieles interpretiert sie später ganz anders als am Anfang der Geschichte.

Die alltäglichen Abenteuer spiegeln das Leben im Chicago der sechziger Jahre auf eine liebenswerte, traurige, aber auch warmherzige Weise wieder. Man ist gefesselt von den vielen Menschen, die nicht nur auf eine Facette ihres Wesens reduziert sind, sondern viele Gesichter haben, von ihren Geschichten, denn auch die Tote bleibt durch ihre auf Kassette aufgenommenen Erinnerungen präsent.

Das alles wird in sehr lebendigen und eigenwilligen Zeichnungen wiedergegeben, die die ganze Bandbreite von Emil Ferris Können zeigen – von ganz einfachen Cartoons bis hin zu detailliert ausgefertigten Skizzen.

Das Debüt wurde zu Recht für den „Eisner“-Award nominiert, denn er erzählt eine Geschichte, die viele Leser ansprechen dürfte, da sie sich nicht auf ein Thema festlegt und aus dem Leben erzählt, von Dingen, die so mancher auch noch nachvollziehen kann. Und er hinterlässt Eindruck, der auch noch eine Weile nach dem Lesen nachzuhallen weiß, vor allem, wenn man noch in dem Alter ist, einige Anspielungen direkt zu erkennen.


Am liebsten mag ich Monster“ ist ein mehr als gelungenes Debüt und ein lebendiger Comic, der den Leser, wenn er sich ganz auf die Geschichte einlassen kann, von vorne bis hinten durch ein faszinierendes Artwork und eine warmherzige Erzählweise fesselt. Es fällt wirklich schwer, das Buch aus der Hand zu legen, denn man möchte eigentlich wissen, wie es für Karen weiter geht und wie sie am Ende dastehen wird, denn im Verlauf der Handlung gibt es einiges an Überraschungen, die allem eine besondere Würze geben.


Nach oben

Platzhalter

Comic:

Am liebsten mag ich Monster

Autor und Zeichnungen: Emil Ferris

Übersetzung: Thorsten Hempelt

Panini Verlag, 08/2018

Vollfarbiges Softcover, 420 Seiten

 

ISBN-10: 3741608084

ISBN-13: 978-3741608087

 

Erhältlich bei: Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 14.09.2018, zuletzt aktualisiert: 21.04.2024 14:11, 16945