Arri von Wolfgang Hohlbein
Rezension von Christel Scheja
Seit die Himmelsscheibe von Nebra vor gut zehn Jahren den Händen von Raubgräbern entrissen und ihre Geheimnisse 2002 endlich der breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurden, gab und gibt es immer wieder Romane, die sich mit den Kulturen beschäftigen, die vor den Kelten und Germanen in Mitteleuropa gelebt haben.
Auch Wolfgang Hohlbein schloss sich damals dem Hype mit seinem Roman „Die Tochter der Himmelsscheibe“ an und ergänzte die Saga später noch um den Folgeband „Die Kriegerin der Himmelsscheibe“. Beide Bände sind nun in einer preisgünstigen Ausgabe erschienen.
Arri hat es bisher in ihrem Leben nicht leicht gehabt, denn sie wird mit ihrer Mutter Lea nur im Dorf geduldet, weil diese eigentlich eine Fremde ist, die vor zehn Jahren mit ihrem Kind hier Schutz gesucht hatte.
Noch immer sind die beiden die verachteten Fremden, die von der Gemeinschaft misstrauisch beäugt werden. Vor allem Arri wird bewusst, dass sie nicht nur im Aussehen, sondern auch im Denken anders ist als die anderen. Allerdings verrät ihr die Mutter nicht, woher sie eigentlich kommt, woher sie ihr Wissen über Heilkunst und Natur hat.
Erst als der Hohepriester von Goseg darauf drängt, das Arri mit einem Mann verheiratet und Lea ihr Wissen preisgeben soll, erfährt das Mädchen, dass sie eigentlich aus einem versunkenen Inselreich stammen.
Dann wächst die Bedrohung durch unbekannte Männer, die ganz offensichtlich die Umgebung ausspähen und keine guten Absichten zu haben scheinen. Als sie angreifen muss sich Arri so mancher Wahrheit stellen und erwachsen werden, denn als neue „Hüterin der Himmelsscheibe“ hat sie nun nicht nur Pflichten, sondern auch viele Feinde, die das kostbare, vielleicht auch magische Artefakt an sich bringen wollen.
Vor allem als das Land von Naturkatastrophen heimgesucht wird, ist sie gefordert, denn sie hätte vielleicht die Macht, das Unheil aufzuhalten. Allerdings ist die Himmelsscheibe verschwunden und Arri selbst gerät in die Hände ihrer Feinde. Ist nun alles verloren?
Man merkt sehr deutlich, dass Wolfgang Hohlbein ein gerade aktuelles Thema auch für sich ausschlachten wollte, denn gerade der erste Teil „Die Tochter der Himmelscheibe“ ist in dem ausführlichen Stil verfasst, der viele Romane der damaligen Zeit ausmacht – langatmige Beschreibungen ziehen die Handlung so weit auseinander, dass man sich fragt, wann denn etwas passiert – das Alltagsleben der Menschen in der Bronzezeit wird bis ins kleinste Detail beschrieben, um ja authentisch zu wirken.
Allerdings gelingt es dem Autor nicht, neben der Umgebung auch die Menschen zum Leben zu erwecken. Zwar bekommt man viele Gedanken der Heldin mit, aber sie wirkt eher wie ein moderner Teenager im rebellischen Alter, als wie ein Mädchen dieser Epoche. Vieles wirkt anachronistisch modern und zerstört sehr schnell die atmosphärische Schilderungen des Drumherum. Die Spannung selbst zieht erst im letzten Viertel an, bis dahin muss man sehr viel Geduld für die Geschichte mitbringen.
Im zweiten Band sieht es mit der Action etwas besser aus, hier mutiert die Heldin aber zu einer typischen Hohlbein-Heldin, die gefangen, gedemütigt, verletzt und geschlagen immer noch das letzte Quentchen ihrer Kraft wiederentdeckt und mobilisiert, um am Ende doch noch den Sieg davon zu tragen.
Letztendlich bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Zum einen merkt man, das Hohlbein sein recherchiertes Wissen sehr stimmungsvoll einbringt, auf der anderen Seite vernachlässig er aber in beiden Romanen die Handlung und die Figuren, so dass erstere klischeehaft und unausgegoren wirkt, letztere einfach zu oberflächlich sind, um wirklich den Leser zu berühren und ihn Anteil an ihrem Schicksal nehmen zu lassen. Das trifft auch auf irgendwelche romantischen Liebesbeziehungen zu. Nicht einmal die können fesseln.
Die Fantasy-Elemente bleiben eher gering, fallen nicht nennenswert ins Gewicht, so dass man auch hier nicht zuviel erwarten sollte.
Fazit:
Zwar ist der Sammelband von „Arri“ eine nette Idee, um sich viel Lesestoff auf einmal zu gönnen, wirklich unterhaltend sind die beiden darin enthaltenen Romane allerdings nicht, da man beim Lesen sehr viel Geduld für die langatmigen Geschichten haben muss, die sich zwar um Atmosphäre bemühen, darüber aber Spannung und Charaktere vergessen.
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