Aus der Asche von Lena Falkenhagen
Reihe: DSA
Rezension von Christel Scheja
Es gibt Abenteuer, in die auf die offizielle Geschichte Aventuriens keine besondere Auswirkungen haben, und es gibt Kampagnien, die sie in einem Maße fortschreiben, das noch Jahre später spürbar ist. Man erinnere sich nur an die "Sieben Gezeichneten"-Kampagne, in der zwar Borbarad ausgelöscht wurde, aber sein Vermächtnis in seinen Gefolgsleuten fortbesteht.
Die Schwarzen Lande sind seit mehreren Jahren nicht mehr von der Erde Aventuriens weg zu denken. Bereits diese Kampagne hat das einst so mächtige und gut organisierte Mittelreich geschwächt und Teilen seiner Machtbereiche beraubt und nun, in einer Zeit, in der nur starke Persönlichkeiten wie die Reichsregentin Emer die auseinander driftenden Provinzen zusammen halten vermögen, folgt der nächste Schlag.
Zwei Herrscher der schwarzen Lande - Galotta, einst Magier am Hofe Kaiser Hals - und der schwarze Drache Razzazor haben mit der "Schlacht in den Wolken" die alte Ordnung hinweggefegt und damit das "Jahr des Feuers" eröffnet.
Eine Spur des Grauens hinterlassend zogen sie mit ihren Heeren und einer fliegenden Festung geradewegs in das Herz des Reiches, nach Gareth, verwüsteten große Landstriche Darpatiens und verwandelten die Hauptstadt in ein Trümmerfeld. Im Gefolge der Kämpfe wurden die führenden Köpfe des Reiches getötet oder verschwanden spurlos. Niemand weiß, ob die Reichsregentin Emer oder ihre Tochter, die Thronerbin Rohaja noch leben. Zurück bleibt ein Reich im Chaos.
Hier setzt das vorliegende Abenteuer ein. Die Helden befinden sich noch immer in Gareth. Sie erleben einerseits mit, wie die Hauptstadt in Trümmern versinkt, Plünderer oder marodierende Soldaten die Einwohner terrorisieren oder Überbleibsel der dämonischen Festung und dämonische Artefakte weiterhin ihre unheilvolle Wirkung zeigen.
Sie treffen aber auch auf Menschen aus der Bevölkerung und dem Adel, die das Grauen überlebt haben und nun zu retten versuchen, was noch zu retten ist, und beteiligen sich an diesen Aktionen, bis sie eine besondere Aufgabe erhalten: Sie sollen den Stab des Vergessens, das heiligste Artefakt des Boron-Kultes wiederherstellen, immerhin tragen sie nicht wenig Schuld daran, dass er beinahe zerstört wurde. Im Folge ihrer Nachforschungen finden sie heraus, dass ein Boron-Priester alle Geschehnisse bereits vor vielen Jahren voraus gesehen hat. Vermutlich weiß er auch, wie das Artefakt zu retten ist. Die Spur des Mannes führt nach Elenvina.
Da trifft es sich gut, dass die Helden bereits von anderer Seite in höfische Intrigen verwickelt wurden, und es zwingend notwendig ist, sich zum dortigen Reichskongress zu begeben. Es gilt einen Dieb und Verräter zu stellen.
Die Helden bewegen sich am Ort angekommen unter den Edelsten der Adligen und erleben mit, wie nicht nur Selindian Hal zum neuen Thronfolger gekürt wird, sondern auch, wie sich Jast Gorsam vom großen Fluss zum Reichsregenten aufschwingt - eine Entwicklung, die Königin Invher ni Bennain nicht akzeptieren kann. Sie sagt sich vom Reich los.
Während sie immer mehr über die Rettung des Stabs des Vergessens erfahren und auch ihre andere Aufgabe lösen können, erleben die Helden mit, wie sich der Hochadel des Mittelreiches in seinen Machtkämpfen zu zerfleischen beginnt, anstatt die alte Ordnung wieder her zu stellen.
Sie halten trotzdem weiter zum Erben der Krone Selindian-Hal und begeben sich mit ihm nach Almada, um nun endlich ihr Versprechen gegenüber dem Boron-Kult zu erfüllen und eine Reise an den Rand des Todes zu wagen, in der sie einen bisher unbekannten Verräter an Reich und Krone enttarnen und seiner gerechten Strafe zuführen...
"Aus der Asche" gehört zu den Abenteuern, die sowohl von Spielern als auch vom Meister selbst ein hohes Maß an aventurischen Wissen verlangen, aber auch den Wunsch und Willen, sich ganz und gar in die Welt und die Rolle seiner Charaktere hineinzudenken und in einem gewissen Grad Teil der offiziellen aventurischen Geschichte zu sein. Es genügt nicht als Spieler kampfstark oder zaubermächtig zu sein - gerade in diesem Teil des Abenteuers spielen auch gesellschaftliche Fähigkeiten und Umgangsformen eine große Rolle, immerhin hat man es ja auch mit den hochrangigsten Personen des Adels und ihren engsten Vertrautenkreis zu tun.
Der Meister ist an einen sehr straffen Zeitplan gebunden, die Helden können sich also nicht all zu lange mit kleinen Nebenabenteuern beschäftigen. Das ist neben den manchmal etwas unklaren Beschreibungen und Hinweisen das größte Manko des Abenteuers - sie fordern die höchste Konzentration des Meisters und ein wenig Rücksicht von all zu eigenwilligen Spielern.
Ansonsten ist das Abenteuer ein rasantes Wechselspiel von actionreichen Herausforderungen, ruhigeren Szenen, in denen eine gute Beobachtungsgabe und hervorragende gesellschaftliche Talente gefordert sind, und nicht zuletzt einer mystischen Reise, die auch den stärksten der Helden an die Grenzen seiner Kraft führen wird. Man merkt deutlich, dass die Redaktion einen neuen Weg eingeschlagen hat - nicht länger geht es nur um ein starres Schwarz-Weiß denken, zu den Dämonen, Monstern und Orks sind die Menschen gekommen. Und gerade "Aus der Asche" zeigt, dass auch vermeintliche Bösewichte Gründe für ihre Taten haben und auch ehemals den Guten zuzurechnende Personen plötzlich sehr dunkle Charakterzüge wie Gier, Machthunger und Skrupellosigkeit an den Tag legen.
Wer sowohl als Spieler als auch als Meister bereit ist, alle spielerischen Einschränkungen einer offiziellen Kampagne in Kauf zu nehmen wird dennoch ein Abenteuer erleben, das alle Fähigkeiten und Talente, sowohl des Charakters als auch der realen Personen selber fordern wird, und durch seine mystisch düsteren Andeutungen bereits mehr als neugierig auf den dritten Teil der Kampagne macht...
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