Rezension von Ingo Gatzer
Rezension:
Es gibt wahrscheinlich keine Herkunftsgeschichte eines (Super-)Helden, die so oft erzählt wurde, wie die von Batman. Dennoch wagt sich Autor Chip Zdarsky in Batman: Die Reise mit Unterstützung des Zeichners Carmine Di Giandomenico genau daran. Ein Grund dafür könnte sein, dass Zdarsky die Batman-Hauptserie jüngst übernommen hat und einen persönlichen Grundstein für seinen Run legen möchte. Doch ist das ganze mehr als alter Wein in neuen Schläuchen?
Der junge Bruce Wayne ist nach dem Mord an seinen Eltern traumatisiert. Um seinem Verlust einen Sinn zu geben, beschließt er, der beste Verbrechensbekämpfer zu werden, so dass weniger Menschen Opfer von Verbrechen werden müssen. Dafür ist ihm Gotham bald zu klein. Also reist er nach Frankreich, in die entlegene Grenzregion zwischen China und Nordkorea sowie nach Russland, um hier von den Besten – in Sachen Diebstahl, Menschenjagd, Kampfkunst und Agentenhandwerk – zu lernen. Doch das erweist sich als lebensgefährlich.
Zdarsky verbindet bei der Schilderung der Herkunftsgeschichte des Dark Knight geschickt bekannte Motive und Figuren mit Neuschöpfungen. Dabei hat er eine Reihe von guten Ideen. So lässt er Bruce Wayne etwa prägende Ereignisse aus dessen Jugend ausgerechnet dem Psychiater Hugo Strange schildern, den Fans des Batmans-Universums kennen dürften. Die Episode ist aber ebenso für Neulinge interessant, da hier die charakterliche Verfasstheit des jungen Milliardärs deutlich wird. Arg strapazierte Ereignisse, wie den eigentlichen Mord an den Waynes, finden sich nicht in der Geschichte – wohl aber die Auswirkungen. Sehr schön ist bereits im ersten Band die Vielfalt von Batmans Ausbildung geraten. Denn der ist bekanntlich nicht nur ein exzellenter Kämpfer, sondern auch ein hervorragender Detektiv und Jäger von Verbrechern. Einige dieser Aspekte kamen bei früheren Geschichten, die zeigen wollten, wie Batman wurde, was er ist, hingegen zu kurz. Der Autor zeigt hier bewusst einen Bruce Wayne, der zwar gute Ansätze zeigt, aber teilweise auch etwas linkisch und unsicher handelt. Der Fokus liegt gewissermaßen auf dem Prozess der Batman-Werdung. Auch der internationale Ansatz ist gelungen. Zwar sind alle Länderepisoden lesenswert, jedoch nicht gleich ansprechend geraten. So ragt der Aufenthalt in Frankreich positiv heraus. Denn der ist besonders facettenreich und bietet spannende Figuren, die an spätere Mitstreiter und Gegner erinnern. Eigentlich eine gute Idee ist es, Bruce Waynes Gedanken durch einen anderen Schrifttyp kenntlich zu machen, der an handschriftliche Aufzeichnungen erinnert. Dieser ist allerdings leider nicht so gut und flüssig lesbar, wie der restliche Comic.
Illustrator Carmine Di Giandomenico hat neben Flash bereits die Hauptserie Batman – Detective Comics gezeichnet. Seine Bilder sind an den besten Stellen herrlich atmosphärisch und mehrdeutig, etwa wenn er als erstes Bild das von einem Regenvorhang verhüllte Gotham-Polizeirevier präsentiert, vor dem Alfred seinen Schützling Bruce im doppelten Sinne beschirmt. Zur dichten Stimmung trägt auch die sich immer leicht verändernde Farbgebung von Ivan Plaschencia bei, die immer wieder auch psychische Zustände des Dark Knight in spe verdeutlicht. Ausgezeichnet stellt Carmine Di Giandomenico zudem die Mimik der Hauptfigur dar. Bemerkenswert ist hier vor allem die Konfrontation mit einem Serienkiller, bei dem Bruce Waynes Gesicht sich in eine Maske des Zorns verwandelt und einige Panels fast nur aus traurig-wütenden Augen und einem animalisch aufgerissenen Mund zu bestehen scheinen. An einigen Stellen hätte der Italiener allerdings mehr auf großformatige Zeichnungen setzen dürfen, um den Effekt zentraler Panels zu steigern.
Fazit:
Chip Zdarsky wirbt mit »Batman: Die Reise« Band 1 eindrucksvoll für seinen Batman-Run und verbindet gekonnt Bekanntes mit Neuem. Deshalb – und wegen der ansprechenden zeichnerischen Darstellung von Carmine Di Giandomenico – eignet sich der Band perfekt für Fans des Dark Knight und solchen, die es werden wollen. Die Latte für den Abschluss von Bruce Waynes Reise liegt auf jeden Fall hoch.
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