Brüderkrieg - Nord gegen Süd
 
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Brüderkrieg - Nord gegen Süd

Rezension von David Grashoff

 

Obwohl es die Vereinigten Staaten von Amerika erst seit ungefähr 220 Jahren gibt, haben sie schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich, eine Vergangenheit, die aber oftmals von Konflikten und Drohungen geprägt war. Eines der unrühmlichen Kapitel der amerikanischen Geschichte ist der Sezessionskrieg (der Amerikanische Bürgerkrieg), der von 1861 bis 1865 wütete und etwa 650.000 Menschenleben kostete. Nord gegen Süd. Yankee gegen Südstaatler. Amerikaner gegen Amerikaner. Ein Krieg zwischen Brüder.

Brüderkrieg, so heißt denn auch ein neues, deutsches Rollenspiel zu den Sezessionskriegen, um genau zu sein: Brüderkrieg – Nord gegen Süd - der Kampf um Anerkennung.

Dahinter steckt nicht etwa ein professioneller Verlag, sondern eine Gruppe begeisterter Rollenspieler, die ein eigenes Spiel entwickelt haben und es nun im Eigenverlag auf die Menschheit loslassen. Grund genug sich das Buch mal näher anzuschauen.

 

Es ist mehr als nur ein Haus, es ist eine ganze Welt, die nur schön und anmutig sein muss.

Brüderkrieg ist ein Hardcoverbuch im DIN-A4 Format mit 140 Seiten, das dem Betrachter sofort den Eindruck vermittelt, dass man es hier nicht mit einem professionellen Produkt zu tun hat. Die Coverillustration nimmt nur etwa ¾ des zur Verfügung stehenden Platzes ein, der Buchrücken ist vollkommen jungfräulich, und warum beim Klappentext das Spiel plötzlich seinen Umlaut verloren hat und BRUEDERKRIEG genannt wird, darüber kann ich nur rätseln.

 

Das Innenleben des Buches hingegen kann sich sehen lassen. Das Schriftbild und das etwas dunklere Papier passen gut zur Thematik, das Layout ist sehr ordentlich und übersichtlich.

Einzig die sehr amateurhaften Comic-Illustration trüben ein wenig das Bild. Auch wenn man den – immerhin größtenteils in Farbe gehaltenen – Innenillustrationen einen gewissen Charme nicht absprechen kann, so wäre es vielleicht ein wenig ästhetischer und passender gewesen, hätte man – ähnlich wie bei den Cthulhu-Produkten – auf Fotos aus der Zeit zurückgegriffen. Immerhin ist der Sezessionskrieg der erste Krieg, der ausführlich in Fotografien festgehalten wurde. Da die Bilder inzwischen schon über 200 Jahre alt sind, dürften sie sogar rechtefrei sein.

 

Immer dasselbe mit diesen Soldaten! Läuse und Durchfall!

Was kann man denn wohl für Charaktere im amerikanischen Bürgerkrieg spielen?

Diese Frage wird im Brüderkrieg Regelwerk bei der Charaktererschaffung beantwortet, denn dort werden auch die fünf Charakterklassen vorgestellt, die dem Spieler zu Verfügung stehen.

- Söldner

- Scout

- Abenteurer

- Sanitäter

- Scharfschütze

Jede dieser Charakterklasse bringt gleich ein ganzes Paket an Sonderfähigkeiten mit, so kann der Scout gleich viel besser schleichen und Fallen stellen, während der Sanitäter besonders gut Wunden behandeln kann und auf ein ausgezeichnetes Allgemeinwissen zurückgreifen kann. Dass gleich alle Scharfschützen sich aufgrund ihres Standes gegenüber Untergebenen arrogant benehmen, ist vielleicht ein wenig übertrieben, sonst machen die speziellen Fähigkeiten der Klassen aber Sinn und garantieren somit, dass jeder Charaktertypus sein eigenes Gebiet hat.

 

Hat man sich für eine der Klassen entschieden, kann man mit der Charaktererschaffung gleich loslegen. Bei Brüderkrieg wird diese größtenteils durch ein Punkteverteilungssystem geregelt.

Dafür kann man sich dann Punkte in den fünf Attributen Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz und Charisma „kaufen“. Diese können einen Wert zwischen 1 und 11 haben, wobei Proben mit einem W12 gewürfelt werden und man unter seinem Wert bleiben muss. Dann gibt es noch Arten von Fähigkeiten mit denen man seine Charaktere bestücken kann.

-Angeborene Fähigkeiten sind Vor- und Nachteile, wie Orientierungssinn oder auch schlechte Augen.

-Zivile Fähigkeiten sind das, was in anderen Rollenspiele Fertigkeiten genannt wird. Wobei hier aber nur solche vorkommen, die nicht dazu dienen jemanden zu verletzen, also keine Kampfertigkeiten. Die zivile Fähigkeiten haben ein Wert von 1 bis 100, die man dann mit einem W100 unterwürfeln muss.

-Kampffähigkeiten stehen, wie der Name es nahe legt, für die Fähigkeiten eines Charakters sich im Kampf zu bewähren, sei es mit Nahkampfwaffen, Fernkampfwaffen oder waffenlos.

Um seinen Charakter abzurunden gibt es neben der Ausrüstung noch Werte für die Moral und Reputation, sowie ein recht einfaches Gesinnungssystem.

 

Kavaliere kämpfen immer besser als der Pöbel.

Das Regelsystem ist einfach, sehr klassisch, wirkt aber nicht aus einem Guss. Es ist als hätte man verschiedene Elemente einfach aneinandergereiht. So werden die Attributsproben mit einem W12 gewürfelt, die Fertigkeiten mit einem W100 und im Kampf wird mit der W20 genutzt, mit dem man dann hoch würfeln muss.

Keine Frage, es funktioniert, ist aber etwas uneinheitlich.

 

Ergänzt werden die Regeln dann durch ein paar Krankheiten und Gifte, sowie eine gut recherchierte Waffenauswahl und ein paar Reittiere. Lobenswert ist der Anhang mit dem Schelleinstig, wo man die Charaktererschaffung auf 3 Seiten zusammengefasst hat,

sowie die für den Kampf wichtigsten Tabellen. Ein ausführlicher Index darf auch nicht fehlen, was heutzutage ja keine Selbstverständlichkeit zu sein scheint.

 

Vergeude die Zeit nicht, sie ist der Grundstoff des Lebens.

Der Hintergrund zu Brüderkrieg ist, na ja ... einfach nicht vorhanden.

Kein Witz. Ich habe das Buch mehrmals durchgeblättert und es findet sich nicht einmal ein Absatz mit Informationen über den amerikanischen Bürgerkrieg. Keine Zeitleiste. Keine großen Persönlichkeiten. Noch nicht einmal eine Zusammenfassung der Ereignisse.

Das einzige, das ich in der Richtung gefunden habe ist dieser Satz in der Einleitung:

Wer sich für historische Fakten des amerikanischen Bürgerkrieges interessiert, dem wird geraten sich durch Fachliteratur zu informieren.

 

Vielleicht sehe ich das zu eng, aber wenn ich ein Rollenspiel über eine bestimmte geschichtliche Periode schreibe, dann sollte ich dem Leser zumindest ein paar Informationen über diese Zeit vermitteln. Regelsysteme mit denen man ein Bürgerkrieg-Rollenspiel umsetzen kann, gibt es ja zu genüge (GURPS, Cthulhu usw...). Wenn ich also etwas in der Art spielen möchte, darf man doch erwarten, dass man auch ein wenig Hintergrund geboten wird. Hier besteht auf jeden Fall Nachholbedarf.

 

Bei Gott, ich werde nie mehr hungern!

Das Brüderkrieg Grundregelwerk kostet 44,95 EUR. Dieser Preis ist nicht wirklich marktgerecht, ja, sogar unverschämt überteuert für ein 140 Seiten Buch. Hier hätte man sich vielleicht überlegen sollen, ob ein Druck als Softcover, ohne farbige Innenillustrationen (dafür mit schwarz-weiß Fotos) nicht sinnvoller gewesen wäre. Zumindest hätte man damit einen Preis erreicht, den man für so ein Hobbyprodukt auch bereit ist zu zahlen.

 

Brüderkrieg macht einiges richtig, aber auch vieles falsch. Das Regelsystem ist zwar keine Offenbarung, aber es funktioniert, auch (und gerade) im Zusammenhang mit der Bürgerkrieg Thematik. Allerdings stoßen der Preis und das Fehlen von Hintergrundmaterial gewaltig auf, so dass ich mich schwer tue das Spiel weiter zu empfehlen. Obwohl ich wirklich jeden Rollenspieler, der sein eigenes Rollenspiel in Buchform auf den Markt bringt, Respekt zolle, muss ich doch anmerken, dass die Macher von Brüderkrieg sich vielleicht vorher ein wenig intensiver mit den Gepflogenheiten des Marktes und vor allem mit der Erwartungshaltung der Spielerschaft hätten auseinandersetzen sollen. Damit hätten sich einige Fehler sicher vermeiden lassen. Aber wie heißt es doch so schön: aus Fehlern lernt man.

 

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Brüderkrieg - Nord gegen Süd

 

Grundregelwerk

Serie: Brüderkrieg

Autor: Holger Meyer

Verlag: www.bruederkrieg.de

Erschienen: Mai. 2008

Erhältlich bei: www.bruederkrieg.de


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Erstellt: 17.09.2008, zuletzt aktualisiert: 28.04.2023 13:10, 7376