Clockwerk Angel von Cassandra Clare
Reihe: Chroniken der Schattenjäger, Band 1
Rezension von Christel Scheja
Cassandra Clare ist den deutschen Lesern schon durch ihre „Chroniken der Unterwelt“ bekannt, die ursprünglich wohl als Trilogie geplant war, nun aber auf sechs Bände erweitert wurde. Um die Wartezeit auf den vierten Roman der Serie zu überbrücken, erscheint nun bei Arena der erste Band einer weiteren Geschichte mit dem gleichen Hintergrund.
Allerdings spielen die „Chroniken der Schattenjäger“ nicht mehr in New York sondern im London des viktorianischen Zeitalters und stellen eine Art Vorgeschichte dar, wie aufmerksame Leser bereits in „Clockwork Angel“ bemerken dürften.
Tessa muss nach dem Tod ihrer Tante im Jahr 1878 auf Wunsch ihres älteren Bruders Nathaniel die heißgeliebte amerikanische Heimat verlassen und nach London reisen. Dort kommt sie auf dessen Wunsch in die Obhut von zwei älteren Damen, den „dunklen Schwestern“, die nicht so freundlich sind, wie sie zunächst nach außen wirken.
Diese scheinen genau zu wissen, über welche besonderen Fähigkeiten das Mädchen verfügt und zwingen sie, nachdem sie ihre Maske haben fallen lassen, immer wieder dazu, sich in andere Menschen oder Wesen zu verwandeln. Dadurch erfährt sie auch, dass sie kein richtiger Mensch, sondern zum Teil eine Schattenweltlerin ist, da sie ganz offensichtlich Dämonenblut in sich hat.
Ihrem Bruder zuliebe steht Tessa das alles durch, auch wenn sie nicht weiß, was das alles soll. Erst Nathaniel dieser spurlos verschwindet, ist ihr egal, dass ein ruchloser Mörder die Straßen Londons unsicher macht, dass sie selbst zu einer Gejagten werden könnte und sie sich in der Stadt eigentlich überhaupt nicht auskennt.
Doch ausgerechnet im Institut der Schattenjäger – der Gruppe die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Schattenwesen zu jagen, findet sie Freunde und Verbündete. Vor allem Jem und Will stehen an ihrer Seite, auch wenn es nicht immer leicht ist, ihnen zu vertrauen, denn der erste verbirgt zunächst ein düsteres Geheimnis vor ihr und der zweite ist überaus launisch und wechselhaft – einmal sucht er ihre Nähe, dann wieder geht er ganz schnell auf Abstand.
Tessa bleibt trotzdem bei den Nachfahren der Engel, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kreaturen der Finsternis zu stellen, denn sie muss erkennen, dass sie sich bereits tief in die Intrigen von Hexenmeistern und Vampiren verstrickt hat, die nur eines im Sinn haben – das Empire nach ihrem Willen zu gestalten.
Cassandra Claire zeigt auch in „Clockwork Angel“, dass sie ihr Handwerk versteht. Sie führt den Leser zusammen mit der Heldin routiniert in die Geschichte ein und enthüllt nur nach und nach die Geheimnisse, die die Figuren umgeben. Dazu kommt ein ordentlicher Schuss an Drama und Romantik, denn die Heldin darf nicht nur in Bezug auf ihre Schattenjäger-Begleiter und Freunde, sondern auch aufgrund ihres Bruders ein Wechselbad der Gefühle durchmachen.
Ein wenig erinnern die ganzen Beziehungs-Konstellationen an die in den „Chroniken der Unterwelt“, so dass es in Punkto Romantik eigentlich keine besonderen Überraschungen gibt.
Dafür kann sich die Autorin mehr auf die dramatischen Geschehnisse in London konzentrieren. Es gibt einiges an Action, da schon bald gefährliche Feinde auftauchen, die nicht so leicht zu besiegen sind wie der durchschnittliche Dämon oder Vampir, da sie nichts Lebendiges an sich haben. Cassandra Clare beschreibt die Kämpfe und Folterungen bis zu einem gewissen Grad, geht aber doch nicht in jedes Detail.
Dennoch springt der Funke nicht ganz so stark über wie in „City of Bones“. Das mag daran liegen, dass Heldin und Leser etwa die Hälfte des Buches nicht ganz genau wissen, woran sie sind, vielleicht aber auch, dass die Autorin darauf verzichtet hat, die Welt der übersinnlichen Wesen noch einmal genau vorzustellen. Speziell die Besonderheit des Romans – die Klockwerk-Männer, bleiben rätselhafte Automaten, deren Sinn und Zweck bis zum Ende hin nicht ganz zu erkennen ist.
Auch bleibt das viktorianische Umfeld sehr schwammig und blass, so dass keine richtige Atmosphäre aufkommen will. Tessa hat auch nicht viel von einer wohlerzogenen jungen Dame des 19. Jahrhunderts, sie wirkt ebenfalls zu modern.
Dennoch liest sich der Roman weitaus flüssiger als vergleichbare Werke, enthüllt genau die richtige Menge an Überraschungen, die dafür sorgen, dass man neugierig auf die Fortsetzung wird.
„Clockwork Angel“ ist ein routiniert geschriebener „Urban Fantasy“-Roman, der durch eine spannende Handlung um Vampire, Hexen und Nephilim und einige überraschende Wendungen zu überzeugen weiß, wenngleich es auch einige Schwächen gibt.
Fans von Cassandra Clare werden sicherlich zugreifen und nicht enttäuscht werden, wer neu einsteigen will, sollte aber doch vielleicht besser erst einmal zu den „Chroniken der Unterwelt“ greifen, da sie den Einstieg in die „Chroniken der Schattenjäger“ doch ungemein erleichtern.
Nach oben