Copper – Justice is brutal, Staffel 1
Rezension von Christel Scheja
BBC Amerika zeichnet sich für die Produktion einer Krimiserie verantwortlich, wie sie langsam in Mode zu kommen scheint. Nicht mehr länger ermitteln die Polizisten und ihre Freunde in einem modernen Umfeld, sondern vor historischer Kulisse. Im Fall von Copper ist es das New York in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Nach seinem Einsatz im Sezessionskrieg kehrt der irischstämmige Kevin Corcoran 1864 in seine Heimatstadt New York zurück. Er nimmt die Stelle als Detective bei der Polizei gerne an, weil er so die Gelegenheit hat, herauszufinden, warum seine kleine Tochter ermordet worden ist und von wem, aber auch wohin seine Frau verschwand.
Eingesetzt wird er in dem krisengeschüttelten und Stadtviertel Five Points, in dem vor allem irische Einwanderer leben und jede Veränderung mit Argusaugen betrachten. Denn sie sehen ihre Existenz durch die Neuankömmlinge von Übersee und aus den Südstaaten gefährdet und sind bereits, dafür notfalls mit Gewalt zu kämpfen.
Unruhen sind eine Sache, mit der sich Corcoran herumschlagen muss, skurrile Mordfälle eine andere. Sei es nun an einem alteingesessenen Zahnarzt oder Personen, denen man es eher zutraut, Dreck am Stecken zu haben. Aber auch sie sind nur die Spitze des Eisbergs an Konflikten, die unter der Oberfläche gären..
Unterstützt wird er dabei von zwei Männern, die er aus dem Bürgerkrieg kennt. Da ist zum einen Doctor Matthew Freeman, ein ehemaliger Sklave, der sich während des Einsatzes in Feldlazaretten genug Wissen in der Chirurgie und anderen medizinischen Bereichen angeeignet hat, um nun nicht nur Menschen zu helfen, sondern auch mit ersten forensischen Methoden Spuren zu untersuchen.
Auch sein kommandierender Offizier Robert Morehouse ist immer zur Stelle, wenn es darum geht. Corcoran Türen in die feine Gesellschaft zu öffnen, wenn die Ermittlungen ihn in die besseren Viertel der Stadt führen.
Dazu kommen noch Francis Maguire, ein Kollege und enger Freund aus Jugendtagen und nicht zuletzt auch Eva Heissen, eine deutsche Einwanderin, die ein Bordell in Five Points eröffnet hat.
Der Detective ist ein Mann der Tat, ein harter Kerl, das gerne auch schon einmal seinen Schlagring einsetzt, um Antworten von einem Zeugen oder Verdächtigen zu erhalten, aber gelegentlich auch seine weiche Seite zeigt.
Immer wieder gerät er zwischen die Fronten, muss sich entscheiden, ob er mehr zu seinesgleichen hält, den irischen Einwanderern, die ihr Leben als kleine Arbeiter fristen und froh sein können, irgendwie über die Runden zu kommen, und die sich langsam aber sicher herausbildende Oberschicht, die sich mit Geld alles zu kaufen weiß.
Dazu kommen Rassenhass und Argwohn gegenüber den Neuankömmlingen aus Europa, aber auch der Schatten des Bürgerkrieges liegt über der Stadt und macht sich immer wieder durch Gerüchte, über eine Verschwörung und mögliche Attentate durch Agenten des Südens bemerkbar, die nicht alle Hirngespinste sind.
Auch wenn die Folgen in sich geschlossen sind, zumindest was die entsprechenden Fälle angeht, so ziehen sich doch einige Themen durch alle zehn Folgen der Serie. Da ist zum einen das Schicksal des Mädchens Annie, das Corcoran aus einer misslichen Lage rettet und versucht bei guten Leuten unterzubringen, weil er sie zu sehr an seine Tochter erinnert, aber auch da feststellen muss, dass er niemandem wirklich trauen kann. Eng damit verbunden ist die persönliche Familientragödie, die immer wieder durchblitzt und zum Ende hin sogar erste Antworten bietet, die ihn das, was geschehen ist, auch nicht leichter ertragen lassen.
Dazu kommt der Bürgerkrieg, den der Held und seine Freunde zwar hinter sich gelassen haben, der aber noch immer nicht zu Ende ist. Die Besorgnis, dass der Süden, der langsam aber sicher in die Knie geht, durch Agenten und Saboteure großen Schaden anrichten könnte, ist in der Stadt allgegenwärtig, vor allem in der Oberschicht. Aber auch Corcoran, Freeman und Morehouse haben Geheimnisse, die mit ihrem Kriegseinsatz zusammenhängen und sie ebenfalls nicht zur Ruhe kommen lassen, auch wenn man nur in Andeutungen erfährt, was es sein könnte.
Das alles ist in ein faszinierendes Setting eingebettet. Das New York des Jahres 1864 erweist sich als wahrer Schmelztiegel der Völker, Konfessionen und Ansichten, christliche Nächstenliebe oder Hilfsbereitschaft existieren dicht neben Rassenhass und Lynchjustiz. Die Kulissen sind sorgfältig gestaltet, so dass eine intensive Atmosphäre entsteht, die einen wirklich in das letzte Jahrhundert zurückversetzen. Mag vieles auch schmutzig und dunkle wirken, alles scheint zum Anfassen nah zu sein und selbst die Nebenfiguren sind durchweg menschlich gestaltet, brechen immer wieder aus Klischees aus.
Getragen wird die Serie aber vor allem durch die Hauptdarsteller. Tom Weston-Jones ist ein charismatischer Held, der zwar bestimmten Idealen folgt, aber auch Realist genug ist, um Abstriche zu machen, der auch schmutzige Methoden einsetzt, wenn es sein muss. Auch zeigt er immer wieder sehr menschliche Seiten, gerade wenn es um Frauen und Kinder geht.
Ato Essandoah verkörpert einen Afroamerikaner, der mit allen Kräften versucht, seine und die Lage seiner Leidensgenossen zu verbessern, aber genau weiß, dass er dabei viel Fingerspitzengefühl braucht und Wachsamkeit zeigen muss, der aber auch auf Augenhöhe mit Corcoran agiert und sich nicht einschüchtern lässt.
Kyle Schmid spielt zwar nach außen hin einen Playboy und Lebemann, den sein Dienst als Offizier in der Armee noch interessanter gemacht hat, der aber auch die Machenschaften seiner Gesellschaftsschicht mit Argusaugen betrachtet und genau weiß, wo seine Grenzen sind. Franka Potente verkörpert überzeugend eine Bordellchefin preußischer Herkunft, die die Wanderung auf dem Grad zwischen angesehener Geschäftsfrau und verachteter Prostituierte sehr gut beherrscht.
Mag zwar manches, wie die Konstellation der Hauptfiguren, die schmutzige Umgebung etc. Erinnerungen an „Ripper Street“ wecken, so ist die Serie doch grundverschieden, der Ton anders, denn die kriminellen Verwicklungen sind amerikanisch gefärbt, die Umgebung wesentlich multikultureller und bunter. Und die Serie nutzt die erste Staffel, um das Setting und die Figuren in ihrem Umfeld ausführlich vorzustellen, so dass man gespannt sein darf, was sich die Macher in den kommenden Staffeln einfallen lassen – ob dann auch noch die Gangs und Bandenkriege eine größere Rolle spielen werden.
Bild und Ton sind auf der Höhe der Zeit, auch das Bonusmaterial kann sich sehen lassen, beinhalten die DVD doch gut 2 Stunden an Clips, die teilweise ein Making-of darstellen, dann aber durchaus auch auf die historischen Hintergründe und ihre Einbindung in die Serie eingehen.
Fazit:
Alles in allem ist „Copper – Justice is brutal“ eine faszinierende Serie, die interessante und verzwickte Mord- und andere Fälle mit einer intensiven Atmosphäre und vielschichtigen Figuren verbinden. Das Setting ist nicht nur sehr gut ausgearbeitet, sondern wirkt auch ausgezeichnet recherchiert, so dass man sich glaubwürdig in das 19. Jahrhundert und den Schmelztiegel New York versetzt fühlt. Wer bereits seinen Spaß an „Ripper Street“ hatte, sollte auch hier einen Blick riskieren – bei allen Ähnlichkeiten ist die Serie inhaltlich doch mehr als eigenständig und lässt den Zuschauer in jeder Folge aufs Neue mitfiebern.
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