Corto Maltese (Klassiker der Comicliteratur Bd. 11)
 
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Corto Maltese

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 11

Rezension von Christian Endres

 

In den bisherigen Bänden der Klassiker der Comicliteratur haben wir schon einige Highlights des Mediums präsentiert bekommen und viel aus der abwechslungsreichen Welt der bunten Bilder gesehen: Wir waren mit Superman in Metropolis, mit Tarzan in den Dschungeln Afrikas und mit Donald Duck in Entenhausen. Nun, im elften Band der Reihe, machen wir passend zu den doch eher diesigen Novembertagen einen Abstecher in sonnige Südsee und begleiten Hugo Pratts charismatischen Matrosen Corto Maltese auf seiner abenteuerlichen Fahrt durch diesen exotischen Teil der Welt, indem wir der im vorliegenden Band der FAZ-Klassiker-Bibliothek abgedruckten Südseeballade aus dem Jahr 1967 lauschen ...

 

Corto Maltese ist ein sympathischer Lebenskünstler, der auf der hohen See ebenso zu Hause ist wie auf den tropischsten und schönsten aller mehr oder minder einsamen Inseln, auf die es einen Seemann im Laufe seines Lebens verschlagen kann. Doch nicht nur Corto treibt sich auf den Weltmeeren und den darin gelegenen Eilanden herum: Auch Piraten und andere grimmige Gesellen, Eingeborene, geheimnisvolle Inselkönige und natürlich die Flotten der jeweiligen Kolonial- und Kriegsmächte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts machen die Südsee mit ihren feuerkräftigen Schiffen unsicher. Corto Maltese selbst steckt, nachdem er von seinem alten Kumpel Rasputin auf hoher See aufgelesen und aus einer unangenehmen Lage befreit worden ist, plötzlich in einer äußerst dubiosen Geiselnahme und sieht sich schnell zwischen den Fronten des nahenden Krieges wider, trifft im Laufe der Geschichte aber auch alte Freunde, Feinde und Rivalen und schlägt sich letztlich wie üblich mit allen Mitteln bis zum Ende durch ...

 

Hugo Pratt hat einen ungewöhnlichen, aber auch sehr einprägsamen und markanten Zeichenstil, der nach kurzer Eingewöhnungsphase durchaus zu begeistern weiß und sich angenehm hervor tut. Für seine Entstehungszeit absolut ungewöhnlich und untypisch, hat Pratt sich eines äußerst reduzierten Strichs bedient, der beispielsweise überhaupt nichts mit dem von Foster oder Hogarth zelebrierten Detailwahn gemein hat, sich aber auch in gänzlich anderen Regionen bewegt als der Stil wiederum andersartig und irgendwie »cartoonlastig« arbeitender Zechengötter wie Barks oder Schulz, deren Arbeiten wir ebenfalls schon in der von den Redakteuren des FAZ-Feuilleton betreuten Klassiker-Reihe bestaunen durften. Pratts Zeichnungen passen gut zu der Geschichte über fiese Flottenkapitäne und schlitzohrige Matrosen, können aber auch die Schönheit und die paradiesische Atmosphäre abgelegener Südsee-Inseln oder die Einsamkeit des Meeres problemlos einfangen.

 

Die Geschichte selbst, die Pratt seinem einnehmenden Matrosen auf den an mancher Stelle gehörig geschundenen Leib geschrieben hat, weiß vor allem durch ihre Ausführlichkeit zu gefallen – nicht umsonst hat Pratt den Begriff der literarischen Comics nachhaltig geprägt und sich keine Gedanken um konventionelle Heftstärken gemacht. Dass einige der Wendungen in der Story dabei manchmal etwas vorhersehbar sind oder man manch eine Handlung der jeweiligen Akteure ohne große Schwierigkeiten schon einige Seiten vorher absehen kann, ist ob des Alters der Südseeballade nicht weiter schlimm, da man an anderer Stelle oft genug entschädigt wird.

 

Die Südseeballade, im Original ein großformatiges Album, wurde für das kleinere Taschenbuch komplett neu montiert und im Vergleich zu den älteren auf deutsch erschienen Ausgaben auch völlig neu coloriert. Beides zusammen ist mit einem nicht gerade geringen Aufwand in der Produktion verbunden und mit knapp fünf Euro eigentlich nicht gebührend zu honorieren, zumal mit Band elf dieser Reihe das bisher dickste Buch vorliegt (272 Seiten entgegen der üblichen 256). Trotzdem hat man sich darauf eingelassen, und ich finde, dass man seine Sache sehr gut gemacht hat. Prinz Eisenherz und zuletzt auch Blueberry haben immerhin traurig bewiesen, dass manche Comics, wenn sie auf Biegen und Brechen verkleinert und dem Format der Reihe angepasst werden, einfach keinen Spaß mehr machen. Natürlich kann man nun wieder emsig suchen und in der Folge hitzig über das ein oder andere womöglich ausgelassene Panel diskutieren oder darüber streiten, ob Comickünstler wie Hugo Pratt wirklich nur in einzelnen Panels, und nicht etwa in ganzen Seiten-Kunstwerken gedacht haben, doch sollte man hier einfach einmal ein Auge zudrücken und sich an der ordentlich präsentierten Geschichte erfreuen, deren Zeichnungen und Texte diesmal durchwegs leserlich und lesefreundlich sind. Sicherlich werden sich Puristen daran stören, dass die Seiten unmontiert worden sind, doch sollten diese sich bitte fragen, ob es ihnen lieber gewesen wäre, wenn man schon wieder einen eigentlich herausragenden Klassiker würdelos zu Tode verkleinert hätte ...

 

In technischer Hinsicht gibt es diesmal also wieder nur das sich passend zur Südsee wellende Papier zu bemängeln, wie üblich dafür aber anderseits auch wieder die schöne Gestaltung des Buches (auch unter Berücksichtigung des einheitlichen Reihen-Designs) hervorzuheben. Das Vorwort dieses Bandes – diesmal wieder von Andreas Platthaus verfasst – besticht nicht nur durch seinen Inhalt, sondern auch durch seine ebenso reichlich wie schön illustrierte Erscheinungsform. Bevor es im Anschluss daran mit der eigentlichen Südseeballade um Corto Maltese los geht, hat man noch ein paar Aquarell-Malereien von Hugo Pratt abgedruckt, die eine schöne Überleitung zwischen dem Vorwort und der Geschichte selbst sind.

 

Fazit: Das war sie also: Una Ballata Del Mare Salato – Die Südseeballade. Ich habe die Lektüre von der ersten bis zur letzten Seite genossen und durchaus Lust auf mehr Geschichten des 1995 verstorbenen Hugo Pratt bekommen. Vorwort, Extras, Geschichte und Zeichnungen machen unheimlich Spaß und wissen auf ganzer Linie zu überzeugen, und endlich ärgere ich mich nicht wegen der Verkleinerung eines an sich eigentlich guten Titels grün und blau, sondern kann mich auch an der Optik und Größe der Panels erfreuen. In diesem Fall stören mich auch die üblichen Mängel in Sachen Herstellung nicht, und ich verschmerze den nach wie vor unschönen Papierfaktor einfach einmal.

 

Corto Maltese ist nicht nur ein echter Klassiker, der einem während der Lesestunden die Südsee ins Haus bringt, sondern auch unter anderen Aspekten (nicht zuletzt des Preis-Leistungsverhältnisses) ein toller Band, der sich weit vorne innerhalb dieser Reihe positionieren kann und mich vollauf überzeugt hat. Da gibt es für mich dann auch nur noch eines zu sagen: Zugreifen!

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240419170632abd78ddd
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Comic:

Corto Maltese

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 11

Autor: Hugo Pratt

Verlag: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Format: Softcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3899810929

Anzahl Seiten: 272

Erhältlich bei Amazon

weitere Infos:


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Erstellt: 13.11.2005, zuletzt aktualisiert: 31.12.2023 11:30, 1539