Rezension von Christel Scheja
Russell T. Davis dürfte den meisten Zuschauern wohl vor allem als der britische Showrunner bekannt sein, der die Kultserie „Doctor Who“ wieder ins Leben zurück holte und mit „Torchwood“ eine nicht minder erfolgreiche Schwesterserie schuf, die sich mehr an Erwachsene als an die ganze Familie richtete. Mit „Cucumber“ wendet er sich nun einem Thema zu, dass ihm noch mehr am Herzen liegt: Nämlich das Leben schwuler Paare genau so unterhaltsam und amüsant in Szene zu setzen, wie das heterosexueller Liebesgefährten und damit zu beweisen, dass auch Schwule und Lesben ganz normale Leute von Nebenan sind.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Mittvierziger Henry, der schon viele Jahre mit seinem Kumpel Lance zusammenlebt. Auch wenn er immer davon träumt, Sex haben zu wollen, so kommt es zwischen den Beiden doch nie zum Äußersten, was nicht nur Lance langsam aber sicher frustriert. Gemeinsam versuchen die beiden, einen Ausweg zu finden und stürzen sich in eine wilde Dating-Nacht, die verheerend endet, denn beide trennen sich nach einem fehlgeschlagenen Dreier und dem damit folgenden Chaos im Streit.
Henry flieht aus der Wohnung und in ein abbruchreifes Haus, in dem Freddy und Dekan hausen, zwei junge Männer, denen er bisher zwar immer hinterher gesehen hat, die er aber nicht wirklich kennt. Das kann er jetzt nachholen, was sein Gefühlsleben noch mehr durcheinander bringt, vor allem als dann auch noch in einer Stunde, in der er völlig durcheinander ist, ein Kollege seine Verwirrtheit schamlos ausnutzt.
Derweil lernt Lance den geheimnisvollen Daniel kennen, Er lässt sich auf ein ungewisses Abenteuer mit diesem ein, was nicht ohne katastrophale Folgen für ihn und schließlich auch für Henry bleibt …
Russel T. Davis hat das Rad natürlich nicht neu erfunden, denn mit „Quer as Folk“ gibt es schon seit zehn Jahren eine ähnlich vergnügliche Serie, in der wie in jeder Sitcom das Leben der Helden auf die Schippe genommen wird.
Aber „Cucumber“ ist um eines moderner und nimmt sich die Zeit durch Henry die vielen unterschiedlichen Typen vorzustellen, die man auch in diesen Kreisen kennt. Besonders die Hauptperson fällt durch eine fast schon tragische Schüchternheit auf, auch wenn um ihn herum Sex meistens in aller Munde ist.
Mehr als in vielen anderen Serien werden hier die entsprechenden Worte gerne und offen in den Mund genommen, so dass man das Gefühl nicht los wird, es ginge um nichts anderes als den Wunsch und die Gewährung von Intimitäten. Peinlich werden die Wortwechsel und Szenen aber niemals, man schmunzelt eher über das ungeschickte Verhalten und die wilden Träume von Henry, als beschämt zu sein. Allerdings sollte man auch offen genug für die derbe Sprache sein, um die Handlung wirklich genießen zu können.
Interessant wird es vor allem, als Henry eine Kommune gründet und sich gleich mit Schwulen verschiedener Generationen zusammenraufen muss, denn auch die haben so ihre ganz unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen. Und damit es spannend bleibt, wurden auch noch zwei dramatische Nebenhandlungen eingebaut. In der einen muss sich Henry mit dem Klau einer seiner beruflichen Arbeiten auseinander setzen, in der anderen mit einem schrecklichen Verlust.
Die Mischung aus Humor und Drama stimmt also, auch wenn ersterer meistens überwiegt. Leichtfüßig und frech werden queere Liebesbeziehungen auf den Prüfstand gestellt und genau so liebenswert behandelt wie Liebesgeschichten zwischen Mann und Frau. Gerade der unverkrampfte Umgang macht Spaß und erleichtert den Einsteig, gibt vielleicht auch einen guten Einblick in diese Gruppe der Gesellschaft.
Die acht Folgen bauen aufeinander auf und bilden damit eine durchgehende Handlung, die man ganz genau verfolgen sollte, da sich am Ende einige Fäden verbinden. Alles in allem ist die Miniserie sogar in sich geschlossen, denn die Geschichte von Henry wird bis zum Ende erzählt.
Bild und Ton sind auf der Höhe der Zeit, auch an Extras wurde nicht gespart, auch wenn die einzelnen Featurettes und Interviews sehr kurz sind.
Fazit:
„Cucumber“ ist eine Serie, die sich vor allem an die Fans richtet, die bereit „Queer as Folk“ und andere Serien der gleichen Art zu schätzen gelernt haben. Humorvoll und frech, stellenweise aber auch dramatisch wird das schwule Liebesleben in Szene gesetzt und auch denen nahe gebracht, denen das bisher völlig fremd war.
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