Das Buch der Minderen Clans
 
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Das Buch der Minderen Clans

Rezension von Alexander Noß

 

Das „Buch der Minderen Clans“ kommt im schicken Hardcover, mit gewohnt guten Illustrationen, auch mit recht ansprechendem Layout und offenbar gutem Lektorat auf etwa 220 Seiten daher – ob sich dieser Einband aber wirklich über die bloße Ästhetik hinaus lohnt, ist fraglich.

 

Denn schon von der eigentlichen Zielsetzung her wird klar, dass das Buch der Minderen Clans etwas ist, was Spieler und Erzähler hauptsächlich bei der Charaktererschaffung benutzen, also ist es keineswegs so deutlicher Beanspruchung ausgesetzt wie das Grundregelwerk, ebenfalls im Hardcover, oder das Softcover des Erzählerkompendiums.

 

Nach der Einleitung durch die mittelmäßige Kurzgeschichte des Tremere Jervais, die sowohl die Machtstrukturen dieses Clans als auch die Abgründe des Vampirseins aufzeigen soll, erwartet den Leser die diesmal nicht so ergiebige Einleitung samt Quellensammlung: Dass hier hauptsächlich klassenkämpferische und offensichtlich historische Filme und Bücher genannt werden (Bibel und Braveheart – wer hätte davon denn schon jemals gehört, wirklich erhellend, F&S), die sich ohnehin eines hohen Bekanntheitsgerades erfreuen und zudem nicht wirklich spezifisch helfen, mag sowohl an der beschränkten Auswahl in diesem Literaturbereich als auch an einer gewissen Oberflächlichkeit der Zusammenstellung liegen – man hat halt immer Quellen in der Einleitung, also auch diesmal. Einen anderen Blickwinkel schaffen sie geringfügig, aber der weitergehende Nutzen ist sehr in Frage zu stellen.

 

Kapitel Eins beschäftigt sich mit der individuellen Clansgeschichte der minderen Clans, und beleuchtet ebenfalls, wie es überhaupt zu einer Spaltung der Kainiten kommen konnte. Hierbei werden wichtige geschichtliche Hintergründe oftmals leider nur angerissen, und nicht bis in wichtige Details ausgeleuchtet – da ja keine individuellen Clansbücher der neuen Vampireedition mehr erscheinen sollen, bietet sich hier trotz relativ klarer Vermittlung eines Grundgedankens, der einen Clan bestimmt, die Gelegenheit – oder sollte man sagen: Notwendigkeit – des Erzählers, viel zu ergänzen und zu improvisieren. Dennoch decken die Beschreibungen im Wesentlichen alle Bereiche ab, die das kainitische Leben im Mittelalter betreffen: die starken Einflüsse der Religion wirken wirklichkeitsgetreu und nachvollziehbar in ihrer Darstellung als beeinflussende Faktoren für die Geschichte eines Clans. Es erfolgt eine zufrieden stellende und recht übersichtliche Zusammenstellung der verschiedenen Ausprägungen eines Clans; so werden Denkschulen oder aufgrund eines andern kulturellen Hintergrundes unterschiedlich genannte Gruppierungen prägnant charakterisiert. Vielfach werden Ansätze für Geschichten geliefert, die leider selten aus mehr als einem Halbsatz bestehen.

Darüber hinaus finden sich bei jedem Clan mehrere Motivationsgründe und Grundkonzepte für Spielercharaktere und so auch mögliche Aufhängungspunkte einer Chronik – diese sind jedoch meist so individuell und clansspezifisch, dass sie nur schwerlich vom Erzähler in eine Chronik gepresst werden können, in der mehrere Clans im Klüngel vertreten sind: Hier entsteht die Gefahr eines bloßen Mitläufertums mehrerer Spielercharaktere.

Im Wesentlichen vertiefen die clansspezifischen Informationen die Hinweise aus dem Grundbuch und nennen teilweise Konsequenzen, die sich aus dem Spiel ergeben – vermutlich, um sie dem künftigen Spieler bereits bei der Charaktererschaffung zugänglich zu machen –, wodurch der letztliche Informationsgehalt für erfahrenere Spieler stellenweise sehr gering ausfällt.

Der nächste Teil dieses Kapitels beschäftigt sich mit grundlegenden Strukturen des Vampirdaseins in Hinblick auf den Abschaum der Gesellschaft; so werden Sesshaftigkeit, Wanderschaft und dergleichen abgehandelt, jedoch leider ohne dass größere Erkenntnisse außerhalb des Selbstverständlichen erfolgten. Eine flüchtige Aufschlüsselung des Vorkommens der Minderen Clans in den verschiedenen Regionen Europas und des Outremers, die ebenfalls nur Informationen aus dem Quellenband „Europa“ grob zusammenfasst, rundet das Kapitel neben bestimmten, stereotyp wirkenden Verhaltensweisen der Clans mit einem insgesamt eher faden Nachgeschmack ab.

 

Kapitel Zwei beschäftigt sich stärker mit den für das Rollenspiel relevanten Auswirkungen der Angehörigkeit eines der minderen Clans, wenn hier auch die Trennung gerade zum Ende des Kapitel Eins nicht wirklich sauber wirkt. Übliche Zufluchten, Verfahrensweisen der hohen mit den minderen Clans, die Jagd und Empfehlungen für die Spieler, sich auf bestimmte (auch regeltechnische) Aspekte deines Charakters zu konzentrieren, bestimmen hier den O-Ton. Es folgt eine ebenfalls im Wesentlichen wiederholende Aufschlüsselung der Clans hinsichtlich der Wege; da die Absätze jedoch nur wenig ausführlicher gehalten sind als die entsprechenden Informationen bei den Clans selbst und den Wegen, die man im Grundbuch findet, ist der Sinn auch hier hinterfragbar. Beschlossen wird das Kapitel mit der Betrachtung der zwei Sorten von möglichen Klüngeln, die naturgemäß entweder ausschließlich aus Mitgliedern der minderen Clans oder aus Mitgliedern der minderen und der hohen Clans bestehen: Doch auch hier wird nichts vermittelt, was das Rollenspiel nicht innerhalb kürzester Zeit zeigen würde.

 

Kapitel Drei nennt spezifische Blutlinien der einzelnen Clans, wobei die Abgrenzung von dem Mutterclan stets deutlich wirkt und keine der Blutlinien an den Haaren herbeigezogen erscheint. Jedoch ist die Frage zu stellen, ob mit den weiteren Informationen aus dem Kompendium für den Erzähler nicht bereits mehr als genug Clans existieren, und ob man wirklich diese Anleitungen benötigt, um beispielsweise einen mongolischen Gangrel zu spielen – eher nein als ja. Dass Laibon, Lhiannan und Gargylen in den wesentlichen Zügen wiederholt werden, verstärkt den bisher aufgeworfenen Charakter des Buches als schnelle Zusammenstellung und Umformulierung bereits im wesentlichen bekannter Informationen noch.

 

Kapitel Vier schließlich behandelt die „Segnungen unreinen Blutes“ in vordergründig spieltechnischer Art und Weise: Beginnend mit der Aufstellung der Disziplinskräfte von den Stufen 6-9 (die auch trotz Gefahren wie Geistesstörungen in Verbindung mit hoher Macht und allen Beteuerungen ein stark powergamerisches Element darstellen) für die „Hausdisziplinen“, die man zumeist bei den minderen Clans vorfindet: Gestaltwandel, Irrsinn, Quietus, Schimären, Serpentis, Tierhaftigkeit und Verudnkelung. Die Effekte sind zum Teil aus älteren Publikationen in ähnlicher Form bekannt, zum Teil neu: Ihnen gemein ist jedoch, dass sie in Vampirechroniken, die nicht völlig den Boden der Realität verlassen wollen, nur äußerst dosiert und nur in den geringsten Stufen von Spielercharakteren eingesetzt werden sollten. Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Disziplinen und so die Generierung neuer Effekte finden sich auf den folgenden Seiten; durchaus sinnvoll und zur Abwechslung auch für erfahrenere Spieler geeignet. Neue, thaumaturgische Rituale, eine sehr gute Abhandlung über die assamitische Bluthexerei und Vorzüge und Schwächen, die aber ebenfalls teilweise recht abgehoben daherkommen, lassen das Kapitel zu einer guten Erweiterung der Vielseitigkeit der Effekte in des Erzählers Trickkiste werden.

 

Kapitel Fünf beschäftigt sich mit verschiedenen Grundkonzepten, um einige Clans – Archetypen zu präsentieren, und nennt und beschreibt einige bekannte und repräsentative Mitglieder der minderen Clans.

 

Der abschließende Index wirkt fundiert und sauber aufgestellt, erste Feldtests bescheinigen ihm eine gute Verwendbarkeit.

 

Insgesamt wirkt der Quellenband recht gut strukturiert, ob sich seine Anschaffung allerdings für erfahrenere Spieler lohnt, ist sehr fraglich: Viele Informationen bestätigen und formulieren nur das, was man im normalen Spiel ohnehin erfährt: Quasi die Ergebnisse der Aufgaben des Grundbuches. Für Neulinge bei Vampire und für Rollenspielneueinsteiger allgemein jedoch empfiehlt sich das Werk aufgrund der Vermittlung eines soliden, wenn auch nicht sehr detailreichen Hintergrundwissens – schade, dass das stellenweise wie abgeschrieben wirkt.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404250050372e400e77
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Das Buch der Minderen Clans

System: Vampire aus der alten Welt

Autoren: Zach Bush, Michael Butler, Michael A. Goodwin

Gebundene Ausgabe - 224 Seiten - Feder & Schwert

Erscheinungsdatum: 2004

ISBN: 3937255125

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 18.07.2005, zuletzt aktualisiert: 02.02.2015 08:18, 672