Delphine LaLaurie – Diese furchtbare Frau
 
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Delphine Lalaurie – Diese furchtbare Frau

Artikel von Karin Reddemann

 

Durch die verschlossene Tür drang ein entsetzlicher Gestank. Dahinter vernahmen sie ein Wimmern und Klagen, das ihnen die Kehlen zuschnürte. Fassungslos sahen die Männer sich an, nickten stumm, brachen die Tür zur Dachkammer der Madame LaLaurie auf. Sahen. Erstarrten. Und vergaßen nie wieder. Man schrieb den 11. April 1834, der süße Geruch des Frühlings lag träge in der Luft von New Orleans, irgendwo war Musik, irgendwo tanzte die feine Gesellschaft hier im French Quarter, wo die guten Adressen waren. Die Villa im spanischen Kolonialstil in der Royal Street 1140 gehörte dazu. Hier lebte die Serienmörderin Delphine LaLaurie gemeinsam mit ihrem dritten Ehemann Louis, einem wohlhabenden Zahnarzt, hier fanden die beherzten Nachbarn und Feuerwehrleute, die wegen eines Brandes vor Ort waren, ein Horrorszenario vor: Weinende, angekettete, verstümmelte und überall blutende Menschen mit entstellten Gesichtern, einige von ihnen mit Fliegen übersät, angelockt von dem Honig, mit dem sie begossen worden waren.

 

Man erzählte sich mehr: Einen Käfig in der Größe einer Hundehütte fand man demnach vor, darin ein Mann mit zuvor gebrochenen und in völlig falsche Richtungen zusammengewachsenen Gelenken, wie eine Krabbe hätte er sich fortbewegt. Einer älteren Frau wäre direkt in den Kopf gebohrt worden, um im Gehirn herum zu stochern auf der Suche, ja, nach was? Einem Mann mit amputierten Armen sei die Haut kreisförmig abgezogen worden, das Muster hätte ihn wie eine menschliche Raupe aussehen lassen. Einem anderen wäre der Penis abgetrennt worden, einzig, um ihn einer Frau wieder anzunähen und wohl zu schauen, was passiert. Nur zu schauen und es dabei zu belassen.Und überall auf den Regalen: Gläser mit eingemachten Körperteilen. Überall verteilt: Folterinstrumente.

Widerliche Lust

Die abartigen Experimente auf dem Dachboden gingen sicher nicht allein auf Delphine LaLauries Konto. Ihr Ehemann war Mediziner, das traf sich. Vielleicht war er Lehrmeister, Team-Partner, Gönner, vielleicht interessierte es ihn auch nicht sonderlich, was seine Frau so gern, so genießerisch trieb, stets mit dem guten Gefühl, das zu dürfen. Diese Leute waren ihr Eigentum, ihre Haustiere, und seitdem ihre Eltern bei einer Revolte auf Haiti von Sklaven getötet worden waren, hasste und verachtete sie Dunkelhäutige umso mehr. Ihren zweiten Ehemann, einen Sklavenhändler, hatte das Schicksal ihr als Bestätigung ihres in die Wiege gelegten Weltbildes zugespielt, Louis, dessen Nachfolger, zeigte sich nicht minder zimperlich. Er förderte seine Frau. Und die war ein furchtbares Monster.

Delphine LaLaurie, deren Name ehemals fett und unbekümmert unterstrichen wurde in der Who-is-Who-Liste von New Orleans im 19. Jahrhundert, misshandelte, verstümmelte und tötete in ihrem eleganten Stadthaus Sklaven auf entsetzliche Art. So grausam, dass jeder mittelalterliche Folterknecht den Hut vor ihrer Methode gezogen hätte: Quälen, leiden, schreien lassen, bis nichts mehr geht. Die genaue Anzahl der Opfer ist nicht bekannt, man geht von einigen Dutzend aus, in anderen Quellen wird von mindestens achtzig gesprochen. Delphine gilt als eine der größten Sadistinnen, die nachweislich ihrer widerlichen Lust nachgegangen sind. Einer Lust, die sie selbst nicht befremdlich fand, mehr noch, die sie sich legal zugestand und die sie mit einem Achselzucken lapidar abtat:

 

»I was a woman of my time.«

 

Nur eine Frau ihrer Zeit. Natürlich.

Der Satz ist von ihr selbst nicht überliefert, sie wurde nie vor ein Gericht gestellt, nie öffentlich zur Verantwortung gezogen. Vermutlich hätte sie es aber ähnlich wie Kathy Bates formuliert, die sich in der Rolle der Delphine in der dritten Staffel der US-Horror-Kult-Serie American Horror Story dafür rechtfertigt, so gewesen zu sein, wie sie nun mal war. Normal für ihre Zeit. Normal für ihren gesellschaftlichen Stand. Bis zu ihrem (natürlichen) Tod 1842 in Paris. Sie schiffte gemeinsam mit ihrem Mann nach Europa ein, nachdem alles aufgeflogen war und sie durch den Hintereingang fliehen mussten. Angeblich standen am 11. April 1834 auch ihre ehemals besten Freunde auf der Straße vor ihrem Haus in New Orleans und wollten sie lynchen, zumindest hinter Gittern sehen. Auch angeblich war es keine wirkliche Flucht, sondern eine von der bestochenen Polizei gewährte und geschützte Abreise in einem 6-Spänner, aus dem Delphine, ganz Grande Dame, ihren Gästen noch zugewunken haben soll.

 

Schauergeschichten

Das Haus in der Royal Street stand nach dem Auszug vierzig Jahre leer. Es wurde gefürchtet, gemieden, man wusste Schauergeschichten zu erzählen, und nachfolgende Besitzer, die allesamt nicht lange blieben, wollen Dinge gesehen und gehört haben, die unter die Bettdecke kriechen lassen. Man liest, irgendwann im letzten Jahrhundert seien bei Renovierungsarbeiten in der dritten Etage unter den Bodendielen die Körper von 75 lebendig begrabenen Menschen gefunden worden. Das erklärte so manchem aus der Nachbarschaft das nächtliche Wehklagen, das man immer wieder vernommen haben will. Es gruselt(e) gewaltig. Das ist bis heute so geblieben. Der Schauspieler Nicolas Cage, bekanntlich mit einer Schwäche für das Originelle versehen, kaufte das »Haunted Mansion«, dieses Schauerhaus in der Königlichen Straße mit seiner finsteren Vergangenheit, im Jahr 2007 für 3,5 Millionen $, verkaufte es allerdings 2009 wieder. Warum auch immer. Er hat aber, wie von ihm angekündigt, trotz Mehrfach-Anfragen keinen Parapsychologen in dieser Zeit in das Gebäude gelassen, um Ruhe zu gewähren. Wem auch immer.

 

»Es ist ein berüchtigtes, sehr berühmtes Haus. Es soll das verfluchteste Anwesen der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Permanent ist man von Geistern umgeben. Meine Familie und ich haben dort schon zu Abend gegessen, jedoch übernachten wollten wir nicht. Niemand schläft dort.« (Nicolas Cage)

 

Geschlafen und sonst was höllisch Übles getan haben Delphine und Louis La Laurie dort tatsächlich auch nur drei Jahre. Bis sie gehen mussten. Die Villa, ehemals Besitztum des Vaters von Delphine, Louis Barthelmy de McCarthy, erwarben sie kurz nach ihrer Hochzeit 1831.

Delphine, eine angesehene Person in der Gesellschaft von New Orleans, war bekannt dafür, dass sie ihre Sklaven schlecht behandelte, die freilich als ungeheuer gut erzogen und höflich galten. Sie funktionierten, weil sie Todesangst hatten. Wer weiß, wer das wusste. Und wegsah. Es war diese Zeit. Eben auch die Zeit, in der es nicht ganz so dramatisch war, wenn ein zwölfjähriges Sklavenmädchen wegen eines Missgeschicks beim Frisieren ihrer Herrin von dieser mit einer Peitsche durch das Haus gejagt wird und sich aus Furcht vor der Strafe vom Balkon stürzt. So geschehen im April 1833. Delphine wurde zwar gerichtlich ermahnt und musste eine Geldstrafe zahlen, ansonsten wurde aber, wie üblich bei Misshandlungen des Personals, nicht konsequent weiter verfolgt. Sonst hätte man vielleicht früher schon auf dem Dachboden nachgesehen.

Schreckenskammer

Man sagt, eine alte Köchin, permanent am Ofen angekettet, während sie für die Herrschaften kochte, habe ein Jahr darauf in ihrer Verzweiflung das Feuer gelegt, inbrünstig hoffend, dass bei den Löscharbeiten die Schreckenskammer entdeckt würde. Ihr Enkelsohn soll an diesem Tag im April von Delphine LaLaurie nach oben befohlen worden sein, bevor diese sich schön machte für den Gesellschaftsabend, zu dem sie eingeladen hatte. Der Großmutter des armen Jungen war klar, dass sie ihn niemals lebend wiedersehen würde. Niemand kam wieder zurück von dort oben.

Als es brannte und die Feuerwehr eintraf, befanden sich die Gäste und die Eheleute La Laurie bereits außer Gefahr vor dem Haus, während freiwillige Helfer das kostbare Inventar auf die Straße trugen. Auf die Frage, wo denn ihre Sklaven seien, soll Delphine kaltschnäuzig gesagt haben, die wären längst in Sicherheit. Das glaubte man ihr nicht. Man suchte die Menschen. Und fand sie in der Finsternis.

 

In der New Orleans Bee-Zeitung vom 11. April 1834 wird berichtet, dass die Feuerwehrleute die verstümmelten Sklaven in einem unvorstellbaren Zustand entdeckt hatten, der nicht mit Worten zu beschreiben sei.

 

»Language is powerless and inadequate to give a proper conception of the horror which a scene like this must have inspired. We shall not attempt it, but leave it rather to the reader's imagination to picture what it was.« (Original-Zitat)

So großartig böse

Am Tag darauf war vom schockierten und aufgebrachten Mob zu lesen, der Selbstjustiz plante und zornig im LaLaurie-Haus wütete, nachdem fest stand, dass die Bewohner fort waren. Delphine LaLaurie wird in dem Artikel nicht erwähnt. Für New Orleans verlor sich ihre Spur, im Gegensatz zu der von Kathy »Delphine« Bates, die in »American Horror Story« vergiftet und als zur ewigen Untoten verdammte »Leiche« begraben wird, die aber nach 150 Jahren durch Hexenzauber wieder ins Leben kommt. Das Spiel der Bates ist traditionell phantastisch, sie ist so böse, so fies, teils rührend, teils komisch, so hilflos, so trotzig. So großartig böse. Eben.

 

Die Geschichte der Delphine LaLaurie ist auch Ausgangsthema des Horrorfilms The St. Francisville Experiment aus dem Jahr 2000, der im Fahrwasser von The Blairwitch Projekt schwimmt, freilich wenig spektakulär unterging. Immerhin: Die Dame bleibt im Gespräch. Und ihr Haus ist weiterhin zu kaufen. Einmal drin schlafen!? Cage hat sich nicht getraut. Weil … Seltsam? Aber so steht es tatsächlich geschrieben.

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Erstellt: 18.03.2017, zuletzt aktualisiert: 01.12.2023 08:50, 15432