Der brennende Schatten von Kai Meyer
Hörspiel
Rezension von Christian Handel
Aus Liebe zu einem Menschen lässt sich die Meerjungfrau Unke auf einen Handel mit der gefürchteten Meerhexe ein. Die Hexe schenkt Unke die Beine einer Menschenfrau, verlangt jedoch ihren Fischschwanz als Bezahlung. Sollte die Hexe diesen eines Tages verspeisen, wird Unke sterben. Freudig zahlt die Meerjungfrau diesen Preis, um ihrem Geliebten, einen jungen Venezianer, nahe sein zu können. Bald schon jedoch erkennt sie, welchen Fehler sie gemacht hat. Da die Meerhexe ihr zwar den Schuppenschwanz nehmen konnte, nicht jedoch das haifischartige Maul, das den Meerjungfrauen zu eigen ist, verstößt ihr Liebster sie fast augenblicklich nach ihrer Ankunft in Venedig. Auch von den anderen Bürgern der Stadt erntet sie nur Angst, Missgunst, böse Worte und Schläge.
So ist sie mehr tot als lebendig, als der junge Spiegelmacherlehrling Arcimboldo sie in den Kanälen der Lagunenstadt findet. Anders als seine Mitbürger hat er Mitleid mit der Ausgestoßenen und bringt sie in ein Versteck, um sie gesund zu pflegen. Mehr noch: Als er ihre traurige Geschichte erfährt, verspricht er, sie in das Unterwasserreich der Meere zu begleiten und ihr zu helfen, ihren Schuppenschwanz zurückzuerobern. Ein aufregendes Abenteuer, das die beiden in die Tiefen des Ozeans führt, beginnt.
Exklusiv für den WDR hat Bestsellerautor Kai Meyer seinerzeit das Hörspiel “Der brennende Schatten” geschrieben, mit dem er in die Welt der Fließenden Königin zurückkehrt.
Im November 2007 hat der Lübbe Verlag unter seinem jungen Label “Wellenreiter” das aufwendig inszenierte Hörspiel in einer 2-CD-Box mit einer Laufzeit von insgesamt 102 Minuten veröffentlicht. Dabei haben sich die Verantwortlichen sichtlich Mühe gegeben:
Die Box ist schön aufgemacht und wird von einem stimmungsvollen Cover geschmückt, welches an die ursprünglichen Einbände der “Merle-Trilogie” erinnert. Außerdem liegt der Box neben den beiden CDs noch ein dünnes Booklet bei, das nicht nur die wichtigsten Daten zur Produktion enthält, sondern auch ein mehrseitiges Begleitwort von Kai Meyer. Darin schildert er, wie “Der Brennende Schatten” entstanden ist.
Für die Hörspielinszenierung selbst gebührt dem WDR großes Lob. Man hat phantastische Sprecher für die Produktion gewinnen können, die überdurchschnittlich gute Arbeit abliefern. Darüber hinaus wurden für die Hintergrundgeräusche, fast möchte man schon sagen Special Effects, ungewöhnlich viel Engagement und Einfallsreichtum verwandt. Von der ersten Minute an gerät der Zuhörer in den Bann einer gleichsam magischen wie abenteuerlichen Geschichte, die einen tief in die geheimnisvollen Gefilde des Ozeans und seiner mystischen Bewohner zieht. Autofahrer seien jedoch vorgewarnt: Aufgrund der bombastischen Geräuschkulisse ist es unterwegs mitunter schwer, den Dialogen zu folgen, die von Meeresrauschen, Flüstergesängen und Donnerhall leicht geschluckt werden.
Freunden der “Merle-Trilogie” von Kai Meyer wird die Geschichte vertraut vorkommen, denn “Der Brennende Schatten” ist die Vorgeschichte der Meerjungfrau Unke und des Spiegelmachers Arcimboldo, die beide tragende Rollen in den Romanen “Die Fließende Königin”, “Das Steinerne Licht” und “Das Gläserne Wort” spielen. Trotzdem reichert Meyer die Erzählung mit so vielen Details und neuen Einfällen an, dass auch Fans mitgerissen werden können, die diese Vorgeschichte bereits kennen. Zuhörer, die die Welt von Unke noch nicht kennengelernt haben, bleiben auch nicht auf der Strecke: Alles, was für die Geschichte wichtig ist, findet Eingang in das Hörspiel.
Fazit:
Das rundherum fabelhafte Hörspiel macht Lust auf mehr! Da ist es beruhigend zu wissen, dass eine komplette Trilogie in dieser phantastischen Welt bereits existiert – und dass Kai Meyer in Zusammenarbeit mit dem WDR jüngst ein weiteres Hörspiel geschaffen hat, welches hoffentlich von ebenso hohem Niveau ist und auf dessen Veröffentlichung als Audio-CD nicht zu lange gewartet werden muss.
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