Rezension von Björn Backes
Inhalt:
Gerald und Marianne Harcourt müssen ihre Flitterwochen in der Nähe eines merkwürdigen Schlosses unfreiwillig unterbrechen, als ihrem Fahrzeug das Benzin ausgeht. In der Not suchen sie einen abgelegenen Gasthof auf, um dort nach Hilfe und einer Übernachtungsmöglichkeit zu fragen, finden in dem verlassenen Gebäude aber keine Menschenseele auf. Lediglich ein betagter Mann, der sich als Professor Zimmer vorstellt, nutzt eine der Sitzgelegenheiten und ist bis dato der einzige Gast. Er ist es auch, der das junge Pärchen davor warnt, der Einladung Dr. Ravnas, des Schlossherren, anzunehmen, der einen Abgesandten ausschickt, um Gerald und Maianne auf das Schloss zu führen. Die frisch verheirateten Eheleute können der Einladung aber nicht widerstehen und werden bei ihrem Aufenthalt auf Ravnas Anwesen sofort neugierig. So folgen sie auch seiner Bitte, den Maskenball des Schlosses zu besuchen, bei dem die Situation jedoch eskaliert. Marianne scheint wie vom Erdboden verschluckt, und da Gerald den seltsamen Schlosseigner dafür verantwortlich macht, wird er des Anwesens verwiesen. Viel zu spät wird dem gerade erst vermählten Gerald bewusst, das auf dem Schloss einige obskure Dinge vor sich gehen.
Rezension:
Der dritte Vampirfilm aus den legendären britischen Hammer-Studios nimmt gerade deswegen eine besondere Stellung ein, weil er einerseits Scheideweg, andererseits aber auch Karrierestartpunkt für die Beteiligten bzw. die vermeintlichen Aussteiger bedeutet. Nachdem das Studio in den vorangegangenen Episoden mit Christopher Lee und Peter Cushing die Elite des britischen Horrors vor die Linse zitieren konnte, ist es nun an ihrem inoffiziellen Nachfolger Clifford Evans, die Hauptrolle mit ähnlicher Leidenschaft zu füllen wie die beiden Legenden – was besagtem Evans an dieser Stelle jedoch ausgezeichnet gelingt. Aber auch für Regisseur Don Sharp war die Verfilmung ein besonderer Moment. Noch bevor er an Christopher Lees Seite in „Rasputin“ glänzte, wagte sich Sharp erstmals ans Horror-Segment und konnte sich auf Anhieb dort etablieren. Nicht ohne Grund waren seine kurze Zeit später folgenden Arbeiten für die „Dr. Fu Manchu“-Reihe ein riesiger Erfolg.
Bei so vielen Newcomern und radikalen Einschnitten auf die Cast und Crew bezogen, darf natürlich die Frage gestellt werden, wie das neue Team sich auf dem altbewährten Terrain schlägt. Und tatsächlich dauert es eine kleine Weile, bis sich die gewohnte schaurige Atmosphäre, die ja besonders den Horror von der Insel seit jeher auszeichnet, einstellen mag. Gleichsam baut sich die Spannung nur sehr behäbig auf, da Don Sharp lange Zeit damit verbringt, das Szenario aufzubauen, die Charaktere vorzustellen und somit auch die Fronten abzustecken. Erst nach dem zweiten Besuch des jungen Pärchens nimmt der Film erst richtig Fahrt auf und bedient sich der klassischen Elemente der Dracula-Filme, ohne jedoch den Vampirfürsten selber in die Handlung zu integrieren. Zwar lief „Der Kuss des Vampirs“ zunächst unter dem Arbeitstitel „Dracula 3“, wurde aber noch vor den Dreharbeiten entsprechend modifiziert und der bekannten Charaktere beraubt. Dies scheint aus heutiger Sicht vor allem deswegen sinnvoll, da sich der Film somit als eigenständiger Titel durchzusetzen vermag und sich auch mit keinen Plagiatsvorwürfen herumschlagen muss. Gerade Hauptdarsteller Clifford Evans wird hierfür dankbar gewesen sein, da er damit nicht direkt dem schweren Vergleich mit Lee und Cushing ausgesetzt war.
Diesem Vergleich würde der Film aber auch inhaltlich nicht standhalten, dafür sind die älteren Hammer-Titel und „Der Kuss des Vampirs“ nämlich viel zu verschieden. Die Horror-Elemente werden in diesem Streifen aus dem Jahre 1963 nämlich weitaus subtiler eingeflochten und schwimmen sich von jeglicher Form des aufgesetzten Effekts frei. So kommt das 85-minütige, eher ruhige Spektakel fast gänzlich ohne Schockmomente aus, aber auch die sonst so berüchtigten Andeutungen bevorstehenden Nervenkitzels bleiben weitestgehend aus. Dies soll aber definitiv nichts über die dennoch vorzüglichen Qualitäten des Streifens sagen, denn auch wenn Sharps Werk eine gewisse Anlaufzeit benötigt, so erreicht die Spannungskurve im fantastischen Finale wieder Höhen, die für die Eleganz Hammer Studios charakteristisch sind – und das wohl gemerkt auch ohne wichtige Charakterschauspieler wie Lee oder Cushing! Letztendlich kommen aber auch Liebhaber der „Dracula“-Filme vollends auf ihre Kosten, wie die ausschlaggebende Atmosphäre ähnlich prächtig ist wie in den Vorgängern aus den Jahren 1958 und 1960.
Fazit:
Als einer der letzten Releases für den deutschen Markt wurde „Der Kuss des Vampirs“ hierzulande bislang eher stiefmütterlich behandelt. Dies wird unter anderem durch die Tatsache bescheinigt, dass die letzte TV-Ausstrahlung schon ganze 15 Jahre zurückliegt. Wie frevelhaft diese konsequente Nichtberücksichtigung ist, beweist nun die digitale Fassung des 63er Streifens, die auch ohne das Charisma der genannten Hammer-Helden zu einem absolut wichtigen Beitrag der britischen Klassiker-Schmiede avanciert ist und damit eine Art Ausnahmestellung in der Historie des Studios einnimmt. Und dank dieses Status’, aber besonders auch wegen des außergewöhnlichen Inhalts ist auch „Der Kuss des Vampirs“ ein Muss für den treuen Fan des traditionellen britischen Horrors.