gekürzte Lesung von Stefan Kaminski
Reihe: Die Krähen-Chronik 1
Rezension von Christel Scheja
Rezension:
Krähen- oder Rabenvögel gehören wie Wölfe und Katzen zu den Tieren, die in der phantastischen Literatur eine besondere Stellung einnehmen, weil sie die Menschen von jeher fasziniert haben und schon in Fabeln, Mythen und Legenden eine besondere Rolle einnehmen – sei es als Boten des Unheils, Gefährten der Götter oder aber listige Schlitzohren. Dementsprechend oft treten sie auf. Manchmal sind sie sogar die Helden der Geschichte so wie in „Der Mob“, der ersten Geschichte von Clem Martinis „Krähen-Chronik“, die er zunächst erfunden hatte, um sie seinen Kindern zu erzählen.
Kalum ru Kurea ru Kinaar ist eine alte und erfahrene Krähe die schon viel erlebt und einiges an Gefahren überstanden hat, und deshalb mit mehr Gelassenheit als viele andere beobachtet, was geschieht, als sich die Krähen der Sippe wieder einmal auf dem großen Versammlungsbaum treffen. Dort nehmen sie sich die Zeit, um sich auszutauschen, über Probleme und Sorgen zu beraten, neue Beziehungen zu knüpfen und schließlich auch wichtige Entscheidungen für Wohl und Wehe des Volkes zu treffen.
Doch diesmal ist etwas anders als früher.
Nicht nur Wind und Wetter machen den Krähen zu schaffen, auch ihre natürlichen Feinde scheinen sich gegen sie verschworen zu haben. Menschen und Katzen machen vermehrt Jagd auf die Familie. Dabei tut sich ein heimtückischer roter Kater besonders hervor, der bei einem seiner hinterhältigen Angriffe sogar eine junge Krähe erlegt.
Nur einer wagt sich gegen ihn zu stellen und mit dem Kater zu kämpfen - der Jungspund Kyp, der den konservativen Krähen während der Versammlung ohnehin unangenehm aufgefallen ist, versucht er doch konstant althergebrachte Gesetze und Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Und nun ruft er auch noch einen Mob zusammen, der gegen die Katzen vorgeht, ohne einen Antrag zu stellen?
Die Älteren ziehen die Konsequenzen. Für die Dauer der Versammlung ist Kyp aus der Gemeinschaft verbannt und muss das Tal verlassen. Sollte er vor dem Ablauf der Frist wieder erscheinen erwartet ihn ein noch viel schlimmeres Schicksal.
Kyp gehorcht. Doch als er allein ist, macht er eine Entdeckung, die den Untergang der gesamten Krähensippe herauf beschwören könnte. Was soll er nun tun?
Clem Martini hat die Krähen sehr genau studiert und in diversen Quellen recherchiert, denn es gelingt ihm zweifellos die Leser in die fremdartige Welt der Krähen zu entführen. Stimmungsvoll und atmosphärisch schildert er die Abenteuer der Vögel und zeigt Menschen und andere Tiere aus deren Sicht. Mal mit einem Augenzwinkern, dann sehr ernst hält er den Zuhörern den Spiegel vor. Vor allem wenn eine Krähe amüsiert feststellt, wie viele Worte sie den Menschen bisher schon beibringen konnte.
Man gewinnt die gefiederten Protagonisten sehr schnell lieb und fiebert mit ihnen in Momenten der Gefahr, kann mit ihnen lachen aber auch wütend sein. Und schließlich trauert man mit ihnen um die verlorenen Sippenmitglieder.
Stefan Kaminski trägt mit seinem abwechslungsreichen Vortrag noch mehr zu der Atmosphäre bei, gibt er doch jeder Krähe eine eigene charakteristische Stimme und reißt den Zuhörer förmlich mit, so dass man sich schon bald unter den Protagonisten glaubt. Das Hörbuch ist zwar an einigen Stellen gestrafft, aber das macht das Erlebnis noch intensiver und unmittelbarer, so dass man nach der vierten CD fast schon traurig ist, weil die Geschichte bereits ein Ende hat. Auf jeden Fall am Ende das angenehme Gefühl zurück, auf spielerische Weise mehr über die Krähenvögel gelernt zu haben als man es je durch die Lektüre eines Sachbuchs könnte.
So bietet „Der Mob“ als erste Folge der „Krähen-Chronik“ einen spannenden und sehr stimmungsvollen Einstieg in die Saga, deren Fortsetzung man da nach kaum noch erwarten kann – vorausgesetzt, man ist bereit, sich auf die doch sehr ungewohnte Tier-Fantasy einzulassen.
