Der Schrecksenmeister (Autor: Walter Moers)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Der Schrecksenmeister von Walter Moers

Hörbuch gelesen von Andreas Fröhlich

 

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

Der Künstler Walter Moers dürfte den meisten Lesern durch seine Geschichten von Käpt´n Blaubär ein Begriff sein. Dies hat zur Folge, dass er manchmal fälschlicherweise für einen reinen Kinderbuch-Autor gehalten wird. Dass der Schriftsteller, Comic-Zeichner und Illustrator aber auch in der Lage ist, kongeniale Werke für ältere Jugendliche und Erwachsene zu schaffen, hat er spätestens mit seinen Zamonien-Romanen bewiesen, die in der gleichnamigen, von ihm kreierten phantastisch-märchenhaften Welt angesiedelt sind. Der Schrecksenmeister ist der fünfte Roman aus dieser Reihe und wurde nun vom Verlag Hörbuch Hamburg als ungekürzte Lesung auf 12 CDs herausgebracht. Moers selber bedient sich bei diesem Werk einer Übersetzerfiktion, indem er scherzhaft behauptet, dass der Roman der Feder von Hildegunst von Mythenmetz entstamme und er ihn lediglich aus dem Zamonischen übertragen habe.

 

Eigentlich müsste es dem in der Stadt Sledwaya lebenden Krätzchen Echo gut gehen. Denn anders als gewöhnliche Katzen, besitzen Kratzen nicht nur ein fabelhaftes Gedächtnis, sondern beherrschen zudem instinktiv alle Sprachen. Aber nach dem Tod seines Frauchens, droht Echo zu verhungern. Da bietet ihm der Furcht erregende Schrecksenmeister Succubius Eißpin einen Handel an. Wenn sich das kleine Krätzchen beim nächsten Vollmond, dem Schrecksenmond, töten und sein Fett auskochen lässt, verpflichtet sich Eißpin im Gegenzug dazu, Echo bis dahin kulinarisch zu verwöhnen und zu unterhalten. In seiner Verzweiflung und angesichts des drohenden Hungertodes akzeptiert Echo die Vereinbarung und genießt darauf zunächst die fantastische Kochkunst des Schrecksenmeisters. Doch je voller der Mond wird, umso mehr ist das Krätzchen entschlossen, um sein Leben zu kämpfen. Aber Echo scheint dem gerissenen Eißpin nicht gewachsen zu sein. Gut, dass dem Krätzchen so skurrile Mitstreiter wie der einäugige Schuhu Fjodor F. Fjodor, ein gekochtes Gespenst, Blut saugende Ledermäuse, ein goldenes Eichhörnchen oder die Schreckse Inazea Anazazi zur Seite stehen.

 

Walter Moers benutzt für seinen Roman Gottfried Kellers Novelle Spiegel, das Kätzchen als Vorbild. Er übernimmt nicht nur die Grundkonstellation und Teile des Plots, sondern verfremdet auch einige Namen. So wird beispielsweise aus dem Kätzchen Spiegel das Krätzchen Echo - ein passender Name für ein Wesen, das alle Sprachen beherrscht - und per Anagramm aus dem Hexenmeister Pineiß der Schrecksenmeister Eißpin sowie aus dem Ort Seldwyla die Stadt Sledwaya. Dabei muss aber betont werden, dass Walter Moers trotz intertextueller Anleihen ein völlig eigenständiges Werk geschaffen hat und mit der klassischen Vorlage lediglich spielt. Eine Kenntnis von Kellers Novelle ist zwar nicht notwendig, garantiert allerdings zusätzlichen Lesespaß. Weitere Bezüge finden sich ferner zu Gargantua und Pantagruel von François Rabelais.

 

Gerade im ersten Teil wirkt der Roman wie ein Hohelied auf die kulinarischen Genüsse. Denn der Schrecksenmeister bereitet seine Speisen mit einer solchen Kunstfertigkeit zu, dass dem Hörer das Wasser im Munde zusammenläuft. Da wird die Zubereitung von Speisen - auch verbal - virtuos zelebriert und der Geschmack von Gerichten und Weinen bis an die Grenzen der Sprache gefeiert. Aber Walter Moers wäre nicht der Schöpfer der Welt Zamonien, wenn er das Ganze nicht auch ironisch und grotesk übersteigern würde, so dass es für seine Rezipienten auch zu einem geistig erheiternden Festmahl wird. So begnügt sich der Schrecksenmeister nicht, Echo gebratene Täubchen vorzusetzen, sondern lässt sie - gekleidet in Puppenkleider - in einem See aus Milch schwimmen.

 

Besonders gelungen sind die zahlreichen Binnengeschichten, die in den Roman eingeflochten sind. Häufig wird dabei mit der Erwartungshaltung des Zuhörers gespielt und ein überraschendes Ende präsentiert. Gerade hier zeigt sich aber, dass “Der Schrecksenmeister“ weniger für Kinder geeignet ist. Denn die Ironie und der schwarze Humor des Autors macht sie oft zu einer Art ´Böse-Nacht-Geschichten` für Erwachsene. Nicht alle Erzählungen sind märchenspezifisch. So kann über die Story vom Schrank mit den unnützen Küchengeräten sicherlich jeder Hobby-Koch schmunzeln.

 

“Der Schrecksenmeister“ besticht stilistisch durch die barocke Fabulierlust des Autors, der seinen Hörern durch witzige und aberwitzige Ideen manchmal die Tränen in die Augen treibt. Da sind etwa die irrwitzigen, Blut saugenden Ledermäuse, die alle - nach ihren großem Vorbild - den Namen Vlad tragen: Das Blutsaugerdasein verpflichtet halt.

 

Einige Fans der Hörbücher von Walter Moers mögen ein wenig betrübt über die Tatsache sein, dass man nicht - wie für die anderen Zamonien-Romane - den Comedian Dirk Bach als Sprecher verpflichtet hat. Sein Nachfolger ist Andreas Fröhlich, der einigen Hörern als Synchronsprecher der US-Schauspieler Ethan Hawke und Edward Norton, sowie als Stimme von Bob Andrews aus der Hörspiel-Serie “Die drei Fragezeichen“ bekannt sein dürfte. Auch wenn man die gewohnte Stimme von Dirk Back zunächst vermisst, kann Andreas Fröhlich im Verlauf der Geschichte immer mehr gefallen. Genial interpretiert er selbst Nebenfiguren, wie die Blaut saugenden Ledermäuse oder die krächzende Unke und beweist dabei seine ungeheuere sprachliche Wandlungsfähigkeit. Aber auch wie er die Stimmen der Hauptfiguren Eißpin, Echo und Inazea intoniert und ihre verschiedensten physischen und psychischen Zustände - etwa Todesangst, Trunkenheit oder Verliebtheit - auditiv erfahrbar macht, kann vollauf überzeugen.

 

Wenn man wirklich das Haar in der Suppe suchen will, so könnten die Hörer, die weniger auf die Wortspiele des Autors, sondern mehr auf die Entwicklung des Plots Wert legen, bemängeln, dass das Hörbuch nicht immer frei von Längen ist, wenn Moers allzu sehr in seiner Fabulierlust und ellenlangen Aufzählungen schwelgt. Dafür entschädigt aber das furiose Finale.

 

Es ist bedauerlich, dass die Illustrationen von Walter Moers den Lesern der Buchausgabe vorbehalten bleiben. Hier wäre ein Booklet mit den entsprechenden Zeichnungen als Hörbuch-Beilage wünschenswert gewesen. Auf dieses Sahnehäubchen müssen die Hörer so leider verzichten.

 

Fazit:

Sie wünschen? Eine spannende, phantastische Geschichte für die Ohren? Gewürzt mit unterhaltsamen Binnengeschichten? Verfeinert mit aberwitzigen Ideen, artistischen Wortspielen und skurrilen Charakteren? Kredenzt von einem Sprecher, der sich im Verlauf des Hörbuchs stimmlich in Höchstform präsentiert? Dann sollte die Wahl auf “Der Schrecksenmeister“ von Walter Moers fallen. Aber Vorsicht diese kulinarische Delikatesse ist manchmal recht hochprozentig und deshalb für Kinder nur bedingt geeignet. Für erwachsene Fans der witzigen Phantastik bedeutet Walters Moers´ Roman aber einen Hochgenuss.

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403282010565ee96a3e
Platzhalter

Hörbuch:

Der Schrecksenmeister

Autor: Walter Moers

Sprecher: Andreas Fröhlich

Umfang: 12 CDs

Hörbuch Hamburg, Juli 2008

 

ISBN-10: 3899034074

ISBN-13: 978-3899034073

 

Erhältlich bei Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 14.08.2008, zuletzt aktualisiert: 24.03.2024 10:01, 7124